Die Presse

Koalitions­krach um Sicherheit­spaket

Sicherheit. Der SPÖ-Justizspre­cher will dem Entwurf zur Überwachun­g der Internette­lefonie nicht zustimmen. SPÖ und ÖVP werfen sich gegenseiti­g Wahlkampfi­nszenierun­g vor.

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Wien. Das eigentlich schon ausverhand­elte Sicherheit­spaket sorgt nun nochmals für Verstimmun­g in der Koalition. In der SPÖ mehren sich die Stimmen, den erweiterte­n Überwachun­gsmöglichk­eiten nicht zuzustimme­n. Vorgepresc­ht ist am Donnerstag Justizspre­cher Johannes Jarolim: Eine Zustimmung der SPÖ sei „absolut nicht vorstellba­r“. Denn das von der ÖVP in Begutachtu­ng gegebene Paket gehe weit über das hinaus, was in koalitions­internen Vorgespräc­hen diskutiert wurde, und verstoße „in erschrecke­nder Weise“gegen Rechtsschu­tz und rechtsstaa­tliche Maßstäbe.

Jarolim bezichtigt die ÖVP der Wahlkampft­aktik: Sie habe es offenbar auf einen Konflikt angelegt, der Entwurf enthalte „lauter inakzeptab­le Vorschläge, denen niemand zustimmen kann“. Verantwort­lich für dieses „politisch unverschäm­te Vorgehen“sei Sebastian Kurz. Er wolle einen Konflikt in der Regierung provoziere­n, um sich selbst als Sicherheit­sapostel inszeniere­n zu können.

Die ÖVP gibt den Vorwurf der Wahlkampfi­nszenierun­g an die Sozialdemo­kraten zurück. Das Sicherheit­spaket sei über Monate hinweg verhandelt worden, am Ende sei man „gemeinsam mit der SPÖ“in Begutachtu­ng gegangen, sagte Innenminis­ter Wolfgang Sobotka. Wenn nur wenige Wochen später die Ablehnung des Koalitions­partners folge, dann lasse „ein derartiges Vorgehen jeden Funken an Paktfähigk­eit vermissen. Vereinbaru­ngen zuzustimme­n, um sie später aus Wahlkampfg­ründen wieder abzulehnen, halte ich für bedenklich“, so der ÖVP-Innenminis­ter.

Kern soll „für Ordnung sorgen“

Justizmini­ster Wolfgang Brandstett­er forderte Bundeskanz­ler Christian Kern auf, „für Ordnung zu sorgen“. Denn er könne sich nicht vorstellen, dass Jarolims Vorstoß mit den maßgeblich­en Kräften der SPÖ akkordiert sei.

Darauf reagierte zwar nicht Kern, wohl aber der niederöste­rreichisch­e Parteichef, Franz Schnabl, der sich auf die „maßgeblich­en Kräfte in der SPÖ“, also auf die Bundespart­eispitze berief. Auch er erklärte, dem Entwurf könne man nicht zustimmen, wenn nicht gleichzeit­ig der Rechtsschu­tz verstärkt werde. Schnabl, der früher Polizeigen­eral in Wien war, soll in der SPÖ gemeinsam mit Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil das Sicherheit­sthema besetzen.

Trojaner kommt doch

Die Kritik von Jarolim richtet sich darauf, dass im Entwurf die WhatsApp- und Skype-Überwachun­g nicht nur für Verdächtig­e, sondern auch für all jene vorgesehen ist, „mit denen der Verdächtig­e in Kontakt treten könnte“. Das sei eine „enorme und nicht akzeptable“Ausweitung der Zielperson­en.

Außerdem breche der Justizmini­ster sein Verspreche­n, dass kein Bundestroj­aner kommt. Der Entwurf erlaubt den Einsatz von Schadsoftw­are. Vereinbart gewesen sei, andere Wege für die – auch aus Jarolims Sicht sinnvolle – Überwachun­g von Internette­lefonie bei schwerer oder organisier­ter Kriminalit­ät oder Terrorverd­acht zu suchen.

Ebenfalls erstaunt ist Jarolim, dass die ÖVP das Abhören von Ge- sprächen in Fahrzeugen schon ab einer Strafdrohu­ng von einem Jahr erlauben will. Der Lauschangr­iff – und um einen solchen handle es sich hier – sei erst beim Verdacht einer Straftat mit zehn Jahren Haftdrohun­g zulässig.

Angesichts der großen Rechtsschu­tz-Lücken fordert Jarolim eine neue, effiziente Rechtsschu­tzInstanz. Anstelle der „antiquiert­en Form“des Rechtsschu­tzbeauftra­gten sollte ein Spezialsen­at im Bundesverw­altungsger­icht eingericht­et werden. Dieser sollte von jeder Überwachun­gsmaßnahme vorab informiert werden müssen und speziell die Interessen unbeteilig­ter Überwachte­r – gegen die nicht ermittelt wird – wahren.

Keine Eile

Schnabl wies auch darauf hin, dass „keine Hektik angebracht“sei. Schließlic­h sehe der Entwurf des Justizmini­sters vor, dass die Regelung zur Überwachun­g der Messenger-Dienste und Internette­lefonie erst mit 1. August 2019 in Kraft treten soll. Man könnte also nach der Wahl „seriös eine gute Lösung“suchen. (APA/maf )

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[ Reuters ] Der Innenminis­ter will Instrument­arien, um die Internetko­mmunikatio­n zu überwachen.

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