Helmut Elsners letzter Kampf
Justiz. Um seine Verurteilung aus dem Bawag-Prozess wegzubekommen, zog Helmut Elsner (82) vor das Oberlandesgericht Wien. Über die Wiederaufnahme des Prozesses wird bald entschieden.
Wien. Für die beiden Kripobeamten, die die Amtshandlung im Zimmer 385 des Bundeskriminalamts vollzogen haben, muss es ein eigentümliches Bild gewesen sein. Es war der 27. September 2016. Um 8.55 Uhr fing es an. Vor den Beamten saßen der damals 81-jährige Ex-Bawag-Generaldirektor Helmut Elsner und dessen Anwalt Andreas Stranzinger. Außerdem die Wiener Staatsanwältin Sonja Herbst. Elsner wurde als Zeuge vernommen. Höchstpersönlich durfte er darlegen, warum er eine Wiederaufnahme des vor einem Jahrzehnt begonnenen, längst abgeschlossenen Bawag-Prozesses verlangt.
Das Gesetz sieht nicht vor, dass ein rechtskräftig Verurteilter in Sachen Wiederaufnahme formell einvernommen wird. Verboten ist es aber auch nicht. Ob sich der jahrelange Kampf des einstigen Topbankers auszahlt, wird demnächst ein Senat des Oberlandesgerichts Wien (OLG) entscheiden.
Elsner hat wegen Untreue und damit wegen Missbrauchs seiner Befugnisse als Bankdirektor im Zusammenhang mit den schiefgelaufenen Milliarden-Spekulationsgeschäften der Bawag, 1998 bis 2000, zehn Jahre Haft erhalten. Viereinhalb Jahre ist er eingesessen (die meiste Zeit in U-Haft), ehe er wegen Herzproblemen freigelassen wurde. Wolfgang Flöttl, der Mann, der das Bankgeld verspekuliert hatte, wurde freigesprochen.
Zu der oben erwähnten Szene im Bundeskriminalamt war es gekommen, weil man im Justizministerium bemerkenswerterweise ein gutes Wort für Elsner eingelegt hatte. Daraufhin gestand die Staatsanwaltschaft Wien dem Mann, den sie einst hinter Gitter gebracht hatte, noch eine letzte Einvernahme zu.
Prinzipiell wird eine Verfahrens-Wiederaufnahme nur gewährt, wenn der Antragsteller Fakten auf den Tisch legt, die eine Prozessneuauflage tragen. Und ein günstigeres Resultat versprechen. Die aus Elsners Sicht schlechte Nachricht: Besagter Wiederaufnahmeantrag wurde am 15. Dezember vom Straflandesgericht Wien abgelehnt.
Doch es wäre nicht Elsner, würde er nicht weiter „um die Wiederherstellung seiner Reputation“ kämpfen, wie er sagt. Er tue das für seine Familie. „Damit die abgesichert ist.“Denn der Schuldspruch habe für ihn auch schwere zivilrechtliche Nachteile. Tatsächlich: Die Bawag streckt derzeit ihre Fühler aus – nach dem Vermögen der insolventen Privatstiftung, in die der Großteil von Elsners 6,8-Millionen-Euro-Abfindung geflossen ist. Würde der (vom OGH bestätigte) Schuldspruch fallen, sähe Elsners (finanzielle) Welt besser aus.
Eine letzte Chance hat der 82-Jährige aber eben noch. Gegen den Gerichtsbeschluss auf Abweisung des Wiederaufnahmeantrags hat er eine Beschwerde an das Oberlandesgericht Wien geschickt. Dieses sieht sich die Sache, wie erwähnt, an. Doch das kann dauern.
Zwar ist eine sorgfältige Prüfung ganz in Elsners Sinne (ein Drüberfahren kann er keineswegs gebrauchen); andererseits kämpft der mit seiner Frau im Exil im bayrischen Bad Reichenhall lebende Ex-Generaldirektor nicht nur gegen seine Verurteilung, sondern auch gegen die Zeit. Sein Gesundheitszustand ist bedenklich. Dass einem kranken 82-Jährigen nicht mehr übermäßig viel Zeit zu kämpfen bleibt, sagt Elsner selbst in aller Offenheit.
Von Elsner „betrogen“
„Wir prüfen das, der Akt ist sehr umfangreich“, heißt es im Oberlandesgericht Wien (OLG). Aber was gibt es eigentlich noch zu prüfen? Hatte Elsner zuletzt immer wieder betont, dass er vom Investmentbanker Flöttl „betrogen“worden sei (derlei Vorwürfe wies der Angesprochene immer strikt zurück), so lässt er sich in seinem Schriftsatz an das OLG nun unter anderem auch auf das seinerzeit angeklagte Delikt, Untreue, ein.
Er könne gar keinen Befugnismissbrauch begangen haben, denn der frühere Bawag-Eigentümer, der ÖGB, habe die – letztlich verhängnisvollen – Karibikgeschäfte haben wollen. Dafür führt er die im Bawag-Prozess protokollierte Zeugenaussage des ExBawag-Aufsichtsratsvorsitzenden und Ex-ÖGB-Finanzchefs Herbert Tumpel ins Treffen. Unter Tumpel kam es zur Wiederaufnahme der sogenannten Karibik-Geschäfte. Laut Protokoll (es liegt der „Presse“vor) sagte Tumpel tatsächlich: „Wir haben nicht dem Vorstand vertraut, sondern die Wiederaufnahme (der Karibik-Geschäfte, Anm.) ist unter den von mir geschilderten und auch ausführlich erörterten Bedingungen wieder aufgenommen worden.“
Seltsam: Eine Zeugenaussage, abgegeben am 3. Oktober 2007 im Bawag-Prozess, soll nun neue Dynamik bringen? Elsner argumentiert, Tumpels Aussage sei selbstverständlich kein Geheimnis, aber das damalige Gericht habe diese Worte nicht entsprechend gewürdigt. Würde man Tumpels Angaben in Zusammenhang mit anderen Ergebnissen stellen, etwa dem Umstand, dass Flöttl offenbar bis ins Jahr 2000 beträchtliche Vermögenswerte zur Verfügung hatte (dies legen auch der „Presse“vorliegende Unterlagen nahe), so könne das OLG sehr wohl zu einer Neubewertung der Causa Bawag gelangen.