Die Presse

Die Wutfahrer

In Wien lässt jeder Verkehrste­ilnehmer seinen Ärger auf die Welt auf den Straßen aus.

- VON IRIS BONAVIDA E-Mails an: iris.bonavida@diepresse.com

K eine Ahnung, woher diese tollen Anekdoten kommen. Die von lustigen Fahrradfah­rten, mit viel Bewegung und frischer Luft, bei denen man am Ende total entspannt ins Büro kommt und den Kopf für die Arbeit frei hat. Sie können jedenfalls nicht ihren Ursprung in Wien haben, denn hier hat jeder Verkehrste­ilnehmer ein ganz offensicht­liches Aggression­sproblem. Möglicherw­eise ist das ein Grund, warum die Stadt ansonsten verhältnis­mäßig friedlich und sehr lebenswert ist: Jeder Verkehrste­ilnehmer lässt seine Wut auf die Welt auf den Straßen aus.

Mein Freundeskr­eis ist da gar keine Ausnahme – und ich schon gar nicht. Auf die Frage nach interessan­ten Erlebnisse­n über das Radfahren reagiert mein Umfeld sofort mit minutenlan­gen Schimpftir­aden. Aber immerhin: Die Abneigung ist auf sämtliche Fortbewegu­ngsmittel gleich verteilt. Wer mit dem Rad unterwegs ist, mag die Autofahrer und Fußgänger nicht, und umgekehrt. Kollegin B. kann sich aber auch leidenscha­ftlich über andere Radler beschweren, die, und ich zitiere, „langsam vor mir hergurken und mich dann überholen, bei Rot weiterfahr­en und dann wieder vor mir hergurken“. Freundin C. hat hingegen eine Fehde mit sämtlichen Autofahrer­n, die sie in Richtung Schienen und/oder geparkte Autos drängen wollen.

Als Fußgängeri­n meide ich wiederum schon den Ring, weil die ständig wechselnde Bodenmarki­erung zwischen Passanten und Radlern nur ein perfider Plan der ÖVP für mehr Autofahrer im urbanen Gebiet sein kann. Sitze ich auf dem Rad, läuft es allerdings auch nicht besser. Letztens wollte mir ein Betrunkene­r den Inhalt seiner Wasserflas­che über den Kopf schütten, als wäre ich beim Giro d’Italia.

Wenigstens vergisst man so den Stress in der Arbeit. Also eigentlich doch ganz entspannen­d.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria