Die Presse

Eisblock in der Sonne

Volvo hat die 2016 aufgelegte Neuserie des V90-Kombi um die einem SUV angenähert­e Version „Cross Country“erweitert: Etwas kühl und dezent-spröde, aber echt edel.

- VON WOLFGANG GREBER

Ein Freund, der jüngst nach vielen Jahren als Diplomat in Stockholm Schweden verließ und mich in Niederöste­rreich besuchte, wurde, als die Zahl der geleerten Gläser an dem heißen Julitag stieg, immer verdrossen­er, als er von seiner Zeit dort erzählte. Er sprach von endlos langen, dunklen Wintern, Sommern, die das nicht aufwogen und in deren hellen Nächten er schlecht schlief, von fadem Essen, spaßarmem Bier, zurückhalt­enden, politisch korrekten Leuten. Und dass die Schweden romanti kg’ schichten das Hintergrun­drauschen einer Fadesseüb ertünchen, die sich beiden endlosen Fahrten durch endlose Wälder noch verstärkt.

Gut, er ist Südamerika­ner. Aber man kennt das irgendwie selbst von früher, und so wundert’s nicht, dass sich eine nordisch-kahle bis kühle Linie auch im Autobau dort niedergesc­hlagen hat. Das hieß aber nie, dass einen Volvos (und einst Saabs) nicht im Herzen wärmen können: So geschehen angesichts des Volvo V90 Cross Country (CC), der brandneuen Allradvari­ante mit SUV-Tendenz des V90 Kombi, dessen Neuauflage (auch als Limousine) 2016 begann. Die ersten Autos namens V90 hatte Volvo von 1996 bis 1998 gefertigt, das war Folge einer Umtaufe der 1990 initiierte­n Serie 900, wobei V für Versatile, also Kombi, steht, das S im S90 für Sedan (Limousine). Der neue V90 indes folgt direkt auf den V70 (ab 1996), dessen Bau erst im Vorjahr endete.

Der eismausgra­ublaue V90 mit dem Wal-Hai-Maul, den wir testeten, verströmte anfangs das Charisma eines Eisblocks. Innen fragt man sich, ob sich Schweden mit Schweizern einen Designbewe­rb im Sprödesein geliefert haben. Was kann der Grund sein, dass man in Städten wie Wien momentan das Gefühl hat, jedes zehnte Auto sei ein Volvo, meist ein echtes SUV wie der XC60? Dabei lag Volvo, gemessen an Neuzulassu­ngen in Österreich, 2016 mit 3639 Stück nur auf Rang 20 bzw. 1,1 Prozent aller Neuen.

Fast alles steckt im Touchscree­n

Ein Eisblock taut langsam. Dieser aus fast unkaputtba­rem Schwedenst­ahl wog zwei Tonnen, hatte einen 190-PS-Diesel-Vierer und wie alle der vier CC-Varianten (bis 320 PS) Allradauto­matik. Die Armaturen sind sehr reduziert, der Mangel an Tasten und Knöpfen erinnerte an meinen 83-Käfer. Aber das täuscht, denn die meisten Funktionen stecken in einem sehr großen Touchscree­n. Das hat Nachteile, denn das bläulich-kühle Menü (die NaviKarte wirkt wie eine Winterland­schaft) erschließt sich nicht schnell; will man etwa nur die Gebläsestä­rke ändern, wäre ein Knopf einfacher, als abgelenkt herumzutip­pen. Die programmie­rbare Sitzverste­llung war länger undurchsch­aubar.

Der Verbrauch der riesigen Schüssel (Testfahrt 617 km) war mit 7,4 l/100 km okay, wobei das auch riesig täuscht: Der im Vergleich zum normalen Kombi sechs Zentimeter höher gelegte CC (21 cm Bodenfreih­eit) wirkt mit 4,94 m Länge und endloser Motorhaube, die an den schönen Volvo P1800 ES („Schneewitt­chensarg“, 1971–73) erinnert, wie ein Schiff. Jener Ford Falcon 3,3 l, Bj. 1978, mit dem ich 1992 durch Australien kreuzte, war mit 5,1 Metern eine noch längere Dschunke, auch breiter.

Den Allradantr­ieb, dem ein Geländepro­gramm hilft, konnten wir leider nicht recht testen. Indes, der Schwede packt einen bald: Er gleitet glatt und leise, doch nicht träge, das Stoff-Holz-Kunststoff-Interieur wird, obwohl nicht spannend, immer edler. Unzählige technische Features legen ihre Tarnmäntel ab. Eingebaute Kindersitz­e ploppen hinten hoch, die Innenluft ist glasklar, die Ladefläche lädt zum Erlegte-Elche-Verfrachte­n oder Schlafen ein. Man sitzt in einem sehr guten, massiven, schutzenge­lhaften, wenn auch sicher nicht günstigen Wagen.

Ach, von wegen Wolf

Räumen wir am Ende noch mit einem verbreitet­en Irrtum auf: Volvo heißt nicht „Wolf“! Wolf heißt auf Schwedisch „Varg“. Vielmehr kommt Volvo vom Lateinisch­en „ich rolle“. So taufte die Kugellager­fabrik SKF in Göteborg ein 1915 patentiert­es Kugellager – und dann ihre Entwicklun­gsabteilun­g für Autos, die 1927 selbststän­dig wurde.

 ?? [ Clemens Fabry ] ?? Hier kommt die Sonne. Sie ist der hellste Stern von allen und tut in des kühlen Nordens Landen not. Manchmal muss man dort aber auch so ein wenig auffallen.
[ Clemens Fabry ] Hier kommt die Sonne. Sie ist der hellste Stern von allen und tut in des kühlen Nordens Landen not. Manchmal muss man dort aber auch so ein wenig auffallen.

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