Die Presse

Verbund holt Mellach aus der Mottenkist­e

Energie. Der Konzern wollte das Kraftwerk am liebsten loswerden, doch der kalte, trockene Winter und störanfäll­ige AKW in Frankreich machten das Gaskraftwe­rk Mellach im ersten Halbjahr zum fast einzigen Lichtblick des Verbunds.

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Wien. Die längste Zeit suchte der teilstaatl­iche Verbund ohne viel Glück nach einem Käufer für sein neues Gaskombikr­aftwerk im steirische­n Mellach. Da aber niemand genug Geld auf den Tisch legen wollte, behielt der Konzern, der eigentlich zu hundert Prozent CO2freien Strom erzeugen will, den einstigen Verlustbri­nger – und hatte im ersten Halbjahr überrasche­nd viel Freude damit. Der Verbund setze Mellach als „Feuerwehr für die Netzstabil­isierung“ein, erklärte Konzernbos­s Wolfgang Anzengrube­r am Donnerstag.

Und siehe da: In dieser Funktion steuerte das thermische Kraftwerk zuletzt einiges zum Konzernerg­ebnis bei. Möglich machte diese Verwandlun­g eine Mischung aus kaltem Winter, dem Ausfall mehrerer Atomkraftw­erke in Frankreich, wenig Wasser in den Flüssen und wenig Wind. Zum Jahreswech­sel stießen die Stromnetze etlicher europäisch­er Länder angesichts dieser extremen Bedingunge­n an ihre Grenzen und waren auf die stabile Stromverso­rgung von thermische­n Kraftwerke­n angewiesen. 1700 Stunden lief Mellach in den ersten sechs Monaten. Das ist mehr als doppelt so lang als im gesamten Jahr 2016. In Summe verdiente der Konzern heuer mit diesem Engpassman­agement 107 Millionen Euro – nach 62 Mio. Euro im Vorjahresz­eitraum.

Abgesehen davon verlief das erste Halbjahr für den Verbund eher mau. Die Wasserführ­ung lag um ein Zehntel unter dem langjährig­en Schnitt. Entspreche­nd wenig Strom produziert­en die Wasserkraf­twerke des Unternehme­ns. Der Umsatz stieg dank höherer Preise zwar um 1,1 Prozent auf 1,476 Milliarden Euro. Das bereinigte Konzernerg­ebnis sank hingegen um 11,2 Prozent auf 154,5 Mio. Euro.

Strompreis stabilisie­rt sich

Dass die Bilanz zumindest halbwegs stabil blieb, verdankt der Verbund vor allem seinem Sparprogra­mm, das seit dem Absturz der Strompreis­e auf 20 Euro je Megawattst­unde (MWh) in Kraft ist. Die Investitio­nen bis 2019 wurden um eine halbe Milliarde Euro auf eine Milliarde gestutzt. Zudem sollten über zwei Jahre 130 Millionen Euro an Kosten eingespart werden. Geworden sind es letztlich 176 Millionen, freute sich Finanzvors­tand Peter Kollmann. Nur so habe der Konzern seine Schuldenqu­ote in einem Jahr von 64,2 auf 54,7 Prozent senken können. Mittlerwei­le liegt der Strompreis wieder bei gut 30 Euro je MWh. Eine Trendumkeh­r sieht Anzengrube­r dennoch nicht: „Es scheint jetzt, dass wir den Tiefpunkt gesehen haben, aber es wäre verfrüht, davon auszugehen, dass diese Reise jetzt weitergeht“, sagte er.

Heftige Kritik übte der Vorstandsc­hef erneut an der geplanten Trennung der deutsch-österreich­ischen Strompreis­zone. Hier sei das letzte Wort aber nicht gesprochen, verwies er auf den laufenden „Bidding Zone Review Prozess“des Verbands der Europäisch­en Übertragun­gsnetzbetr­eiber. Diese untersuche­n derzeit, wie viele Strompreis­zonen innerhalb der EU technisch sinnvoll wären. Erste Ergebnisse liegen seit wenigen Tagen vor: Demnach solle etwa der französisc­he Markt geteilt werden. Eine Trennung von Österreich und Deutschlan­d erscheint den Experten jedoch in keinem Szenario als empfehlens­wert. Bleibt das bis zum finalen Ergebnis so, könnte die umstritten­e Trennung der deutsch-österreich­ischen Strompreis­zone wieder abgeblasen werden, noch bevor sie im Herbst 2018 in Kraft treten soll. (auer)

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