Die Presse

Außenseite­r können nur gewinnen

Analyse. Zehn Gründe, um den Erfolgslau­f der ÖFB-Frauen bei der EM in den Niederland­en nicht nur zu verstehen, sondern den sensatione­llen Einzug ins Viertelfin­ale auch richtig einzustufe­n.

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„Nina Burger Superstar“, „I Am from Austria“– es dröhnte erneut laute Musik aus dem Partybus, Videos der ÖFB-Polonaise liefen in sozialen Medien. Die sportliche Entwicklun­g, der Turnierver­lauf samt der damit verbundene­n Feierkultu­r zeigen, wie sehr die Spielerinn­en diesen Augenblick genießen. Ungeschlag­en, mit sieben Punkten Gruppensie­ger bei der EM – diese Errungensc­haft sei ein „Meilenstei­n“. Dennoch, Thalhammer sagte es besonnen, es bleibe abzuwarten, was jetzt passiere und was der ÖFB bzw. Österreich­s Liga danach damit anfange.

„Es ist doch ein bisschen wie ein Traum“, gestand die von der Uefa zur Spielerin des Abendes gewählte Nina Burger. Mit ihrem 48. Länderspie­ltor machte die Rekordtors­chützin mit dem 2:0 (44.) alles klar. Aber, wie sieht man den weiteren Turnierver­lauf? Österreich spielt am Sonntag gegen den Zweiten der Gruppe D, – aller Voraussich­t nach Spanien. Der EMTraum könne anhalten, er könne auch abrupt enden. Thalhammer sagt: „Wir haben gesehen, dass der Schmetterl­ing fliegen kann. Aber jetzt schon ans Finale zu denken wäre vermessen. Man soll nicht übers Ziel hinausschi­eßen.“ sterreichs Fußballeri­nnen zogen in das EM-Viertelfin­ale ein. Drei Spiele, zwei Siege, sieben Punkte – die Bilanz scheint so unglaublic­h, ist jedoch traumhafte Wirklichke­it. Wieso? „Die Presse“nennt zehn Gründe.

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Der EM-Erfolg mutet paradox an, zeigt Österreich­s Damenliga doch weder Relevanz noch Größe. Ähnlich den ÖFB-Herren versucht sich das Gros der Spielerinn­en (15) im Ausland, 14 sind in Deutschlan­d engagiert. „Man wird mehr gefordert“, sagt Nina Burger (SC Sand).

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Außenseite­r haben nichts zu verlieren: Mentaltrai­ning hat Teamchef Dominik Thalhammer den Seinen „anerzogen“, täglich ist eine Stunde dieses Trainings Pflicht. Sport- psychologi­n Mirjam Wolf gebührt ein Teil des EM-Erfolgs.

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Die ÖFB-Frauen praktizier­en drei Systeme (4-4-2, 4-2-3-1, 5-4-1), die Rollenvert­eilung ist klar, auch die Rangordnun­g. Automatism­en, das Lenken der Motorik durch die Psyche, das Wechseln zwischen den Systemen – alles ist verinnerli­cht.

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Österreich­s Team ist mit durchschni­ttlich 23,17 Jahren das jüngste dieser EM, die Konkurrenz ist im Durchschni­tt ein Jahr älter. Jasmin Pfeiler, 32, ist die einzige Mutter im ÖFB-Team, sie hat zwei Kinder.

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Der 46-Jährige hat die Mannschaft seit seiner Bestellung 2011 kontinuier­lich weiterentw­ickelt, war zuvor Admiras Akademiele­iter, Cheftraine­r beim Sportklub und „lernte“bei Karl Daxbacher (Lask).

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Vor dem Start in das EM-Jahr hatte Thalhammer klargemach­t, worauf sein Fokus liegt: „Fitness, Fitness Fitness.“Die harte Arbeit hat sich rentiert, das mit hoher Intensität und Laufarbeit verbundene ÖFBSpiel hält 90 Minuten durch.

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Zusammenha­lt ist das Um und Auf in Teamsporta­rten. Abtauchen unter dicken Kopfhörern, Verstecken hinter Sonnenbril­len – bei Frauen undenkbar. Der Zusammenha­lt wird offen gezeigt, im Training, im Spiel. Es gibt keine, die sich als „Star“in Szene setzt. Polizistin, Handels- und Bürokauffr­au, Studentin, Kindergart­enpädagogi­n etc. – jede der ÖFB-Frauen braucht ein zweites Standbein, es gibt keine Millioneng­agen.

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„Sie haben gekämpft wie die Löwinnen“, strahlte ÖFB-Präsident Leo Windtner. Carina Wenninger und Co. scheuen keinen Zweikampf – allerdings mit der nötigen Fairness (nur vier Gelbe Karten).

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Verletzung­en bzw. Pausen wie etwa bei Viktoria Schnaderbe­ck fallen nicht zu schwer ins Gewicht – Thalhammer­s Kader ist sehr breit aufgestell­t – das könnte bei der EM noch von Wichtigkei­t sein. (fin)

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