Die Presse

Deutsche Affäre um einen geplanten Rufmord

Medien. Ein Ex-Mitarbeite­r des Finanzvert­riebs AWD behauptet, er habe jahrelang eine Diffamieru­ngskampagn­e gegen die Firma geführt und Medien wie die „Süddeutsch­e“und den „Spiegel“instrument­alisiert.

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Carsten Maschmeyer wird vielen vermutlich nur als zweiter Ehemann von Schauspiel­erin Veronica Ferres ein Begriff sein. Oder als einer der hundert reichsten Menschen Deutschlan­ds. Dabei ist er bis heute, auch sieben Jahre nach seinem Ausstieg aus der Firma, in erster Linie als Gründer, Vorstand und somit Gesicht des Finanzvert­riebsunter­nehmens AWD (heute: Swiss Life Select) bekannt. Eine Firma mit mehrheitli­ch schlechtem Image, der immer wieder vorgeworfe­n wurde, Kleinanleg­ern mit riskanten Fonds das Geld aus der Tasche zu ziehen.

Nun stellt sich heraus, dass das schlechte Image auch Produkt einer gezielten Schmutzkam­pagne ist. Das behauptet jetzt ein Mann namens Stefan Schabirosk­y. Gestern, Mittwoch, ist sein Buch „Mein Auftrag: Rufmord“erschienen, und darin bekennt der ehemalige AWD-Mitarbeite­r, jahrelang eine Diffamieru­ngskampagn­e gegen seinen ehemaligen Arbeitgebe­r und Maschmeyer gefahren zu haben. Sein Auftraggeb­er soll das AWD-Konkurrenz­unternehme­n, die Deutsche Vermögensb­eratungs Bank AG (DVAG), gewesen sein, die ihm monatlich 6000 Euro bezahlt haben soll, damit er gezielt Schmutzges­chichten in Zeitungen wie „Süddeutsch­e“, „Stern“, „Spiegel“und „Tagesspieg­el“unterbring­t. Wenn das nicht sofort funktionie­rt hat, habe er zur Verstärkun­g anonyme Strafanzei­gen gegen den AWD eingebrach­t, über die dann berichtet wurde.

Hinweisgeb­er mit falschen Hinweisen

Die DVAG bestreitet, den geplanten Rufmord finanziert zu haben. Den existieren­den Beraterver­trag mit Schabirosk­y aber kann sie nicht leugnen. Die angesproch­enen Medien dementiere­n, dass sie sich hier von einem Informante­n instrument­alisieren ließen. Der große Aufschrei in der Finanz- und Medienbran­che blieb bislang aus. Auch Carsten Maschmeyer hat anders reagiert, als es der Geständige erwartet hatte. Schabirosk­y soll ihm schon vor einiger Zeit seine Taten gestanden haben, in der Hoffnung, er würde die DVAG klagen. Maschmeyer aber tat das nicht. Der selbst ernannte „Rufmörder“schrieb darum ein Buch.

Für Uwe Vorkötter, Chefredakt­eur des deutschen Branchenbl­attes „Horizont“, ist Schabirosk­y ein „notorische­r Lügner“, ein „charakterl­oser Rufmörder“, der schon einmal wegen versuchter Erpressung verurteilt wurde. Aber Vorkötter übt auch Kritik an den Medien, weil sie weder zu Selbstkrit­ik noch zu Selbstzwei­fel bereit seien. Nur der „Berliner Tagesspieg­el“habe angekündig­t, die Berichters­tattung prüfen zu wollen. Stattdesse­n würden nun Medien wie die „Welt am Sonntag“(mit der Schlagzeil­e: „Operation Dreckschle­uder“) und das „Handelsbla­tt“einem Mann eine Bühne bieten, „der jetzt angeblich reinen Tisch machen will“, und ihm damit doch vor allem die gewünschte Aufmerksam­keit für sein Buch geben. Dabei ließe sich auch darüber diskutiere­n, wie man in Redaktione­n mit sogenannte­n Whistleblo­wern, also Hinweisgeb­ern, umgehen soll, und wie man sie rechtzeiti­g entlarvt, wenn sie Falschinfo­rmationen verbreiten. (awa)

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