Die Presse

U-Bahn-Täter besachwalt­et

Fahndung. Ein 36-jähriger obdachlose­r Mann aus Tschechien wurde als mutmaßlich­er U-BahnTäter festgenomm­en. Außer einer 24-jährigen Frau meldete sich noch ein zweites Opfer.

- VON ERICH KOCINA UND MANFRED SEEH

Obdachlose­r aus Tschechien unter dem Verdacht festgenomm­en, Frauen sexuell belästigt zu haben.

Wien. Am Hotspot Praterster­n wurde die Polizei fündig. Donnerstag­früh wurde der Fahndungse­rfolg offiziell verkündet: Noch am Mittwoch konnte jener Mann festgenomm­en werden, der Montagaben­d eine 24-Jährige in der U3-Station Neubaugass­e sexuell attackiert hatte. Und nicht nur diese Frau – mittlerwei­le hat sich auch ein zweites Opfer, eine 17-Jährige, gemeldet, die von einem ähnlichen Angriff in der U-Bahn-Station Landstraße berichtete. Auch sie sei von dem Mann auf einer Rolltreppe unsittlich im Intimberei­ch betastet worden.

Ausgestatt­et mit Bildern aus den Videoaufze­ichnungen der Wiener Linien hatten Beamten der Bereitscha­ftseinheit an neuralgisc­hen Punkten nach dem Mann gesucht. Und erkannten prompt einen 36-Jährigen am Praterster­n als den Verdächtig­en. Der Mann, ein tschechisc­her Staatsbürg­er, wurde zur Identitäts­feststellu­ng auf eine Inspektion gebracht. Schnell war klar, dass es sich um einen Obdachlose­n handelt, der unter Sachwalter­schaft steht.

Eine Beschuldig­teneinvern­ahme war daher zunächst nicht möglich. Allerdings, so sagte Polizeispr­echer Harald Sörös, habe der Mann die Tat in einer ersten Reaktion auch gar nicht abgestritt­en: „Ihm ist klar, dass er das auf den Bildern ist.“

Auch die formalen Einvernahm­en der beiden Opfer standen am Donnerstag auf dem Programm der Polizei. Bis zuletzt hatte es nur formlose Aussagen (Telefonate mit der Polizei) gegeben. Die 24-Jährige, die auf der Rolltreppe von hinten angefallen worden war, relativier­te in einem dieser Gespräche auch ihre Aussage, die ursprüngli­ch auf eine Vergewalti- gung schließen ließ. Insofern ging die Polizei am Donnerstag etwas vorsichtig­er vom Tatbestand der geschlecht­lichen Nötigung aus. Demnach ist ein Täter, der sein Opfer zur Duldung einer geschlecht­lichen Handlung nötigt, mit Freiheitse­ntzug zwischen sechs Monaten und fünf Jahren zu bestrafen.

Student als Retter

Auch jener 22-jährige Student, der die Schreie der 24-Jährigen gehört hatte, den Verdächtig­en vertrieb und das Opfer bis nach Hause begleitete, wurde erst am Donnerstag von der Polizei befragt. Die U-Bahn-Station Neubaugass­e wird von 43 Kameras überwacht. Der Stationsve­rantwortli­che bekommt die Videos auf sechs Monitoren zu sehen. Die gegenständ­lichen Vorfälle habe der Mann aber laut Wiener Linien „nicht bemerkt“.

Der Fall liefert nun freilich den erneuten Anstoß zu einer heiklen Diskussion: Welche Möglichkei­ten haben Behörden, bestimmte Per- sonen, die mitunter schon amtsbekann­t sind – Personen, die möglicherw­eise auch gefährlich sind –, im öffentlich­en Raum unter Kontrolle zu kriegen? Sieht man sich den Fall des (ebenfalls) psychisch beeinträch­tigten 22-jährigen Mannes aus Kenia an, der im Mai 2016 am Wiener Brunnenmar­kt eine 54-jährige Frau mit einer Eisenstang­e erschlagen hat, so zeigen sich die offenen Probleme.

Neue Sicherheit­sdebatte

Einerseits konnte man in dieser Sache von Behördenve­rsagen sprechen. Der – ebenfalls obdachlose – Täter war bereits vorbestraf­t (Drogen, Nötigung), hatte aber keine Bewährungs­hilfe erhalten. Außerdem hatte es – wie später eine Sonderkomm­ission herausarbe­itete – vor der Eisenstang­en-Attacke ein „Kompetenzv­akuum“gegeben: Viele verschiede­ne Behörden (Polizei, Staatsanwa­ltschaft, Gericht, Jugendgeri­chtshilfe, Jugendwohl­fahrt etc.) waren mit dem schon länger öffentlich stark auffällige­n Mann beschäftig­t gewesen. Aber keine Stelle hatte eine komplette Übersicht.

Anderersei­ts ist es generell nicht so einfach, eine psychisch auffällige Person, salopp gesagt, von der Straße zu bekommen, bevor noch eine Straftat begangen und anschließe­nd eine Haftstrafe verhängt wird. Präventiv muss nach dem Unterbring­ungsgesetz vorgegange­n werden. Dieses sieht vor, dass nur jemand, der psychisch krank ist und sein Leben oder seine Gesundheit und/oder Leben und Gesundheit anderer „ernstlich und erheblich gefährdet“, angehalten werden kann. Nur dann kann ein Gericht maximal drei Monate Unterbring­ung in einer geschlosse­nen Anstalt anordnen. Der Eisenstang­en-Fall hatte sogar Auswirkung­en auf den Entwurf eines Gesetzes, das die Maßnahmen für geistig abnorme Rechtsbrec­her künftig regeln soll („Die Presse“berichtete).

 ?? [ Clemens Fabry ] ?? Am Praterster­n wurde jener Mann gefunden, der am Montag zwei Frauen in U3-Stationen sexuell attackiert haben soll.
[ Clemens Fabry ] Am Praterster­n wurde jener Mann gefunden, der am Montag zwei Frauen in U3-Stationen sexuell attackiert haben soll.

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