Die Presse

Mit Sicherheit in den Wahlkampf

Terrorgese­tze. Die Parteien streiten sich um die Frage, wie viele Befugnisse der Staat mit dem Sicherheit­spaket für den Kampf gegen den Terror erhalten soll. Heute tagt dazu der Nationale Sicherheit­srat.

- VON HELLIN JANKOWSKI Leitartike­l von Norbert Rief

Wien. Offiziell befinden sich noch nicht alle Parteien im Wahlkampf – tatsächlic­h sind sie dort längst angekommen. Ein Befund, der beim Thema Sicherheit am deutlichst­en zutage tritt. Während die FPÖ ein mehrteilig­es Video über den fiktiven Einbruch bei der „Familie Huber“produziert hat, um die Bürger daran zu erinnern, zu welch unsicherem Land Rot und Schwarz Österreich verkommen ließen, richten sich die Nochkoalit­ionspartne­r im Tagestakt Fehlbarkei­ten aus.

Dabei geht es vor allem um das Sicherheit­spaket, das die ÖVP-geführten Ministerie­n für Inneres und Justiz geschnürt haben und auf dessen Beschluss sie pochen. Gesundheit­sministeri­n Pamela Rendi-Wagner und Kanzleramt­sminister Thomas Drozda (beide SPÖ) erklärten am Donnerstag, dass man nicht an einer „Husch-pfusch-Aktion“interessie­rt sei. Das von der Volksparte­i vorgelegte Paket weise etliche „technische und handwerkli­che Mängel“auf, die auszuräume­n in den wenigen Wochen vor der Nationalra­tswahl nicht mehr möglich sei. Lediglich einen „ambitionie­rten Zeitplan“zu zimmern sehe man sich noch in der Lage.

ÖVP-Obmann Sebastian Kurz bewertet die Lage freilich anders. Das Sicherheit­spaket sei „absolut notwendig“, sagte er und verwies auf die jüngsten Terroransc­hläge in Barcelona, Berlin, Brüssel, Paris. Drastische­r im Ton, gleich in der Schlagrich­tung Innenminis­ter Wolfgang Sobotka: „Telefonie können wir im konkreten Verdachtsf­all überwachen, aber WhatsApp und Skype nicht. Wo liegt da der Sinn darin?“Überhaupt plane jeder, der sich gegen die Novelle stelle, einen „Anschlag auf die Sicherheit der Österreich­er“, hat Sobotka seinen Kritikern ausgericht­et – zu denen längst nicht nur die SPÖ zählt.

Tatsächlic­h lehnen alle übrigen Parlaments­parteien das Bündel ab, zu dem u. a. der Zugriff auf die Kommunikat­ion mit verschlüss­elten Messengerd­iensten, E-Mail- Entwürfen oder online abgelegten Fotos (nach richterlic­hem Beschluss, bei Verdacht auf terroristi­sche Inhalte), die Abschaffun­g anonymer Prepaid-Handykarte­n und der Ausbau der Videoüberw­achung zählen. Als Gründe geben sie mitunter einen mangelhaft­en Rechtsschu­tz (FPÖ), „populistis­che Wahlkampfa­ktionen“(Neos) oder „einen Eingriff in die Grundrecht­e“(Grüne) an.

Gelingt der „nationale Schultersc­hluss“?

Auch der Oberste Gerichtsho­f ist über die bisherigen Pläne nicht gerade glücklich, stößt sich vor allem an der angedachte­n Software zur Überwachun­g, der er „kaum praktische Bedeutung“zumisst. Etliche Private meldeten ebenfalls Kritik an: Sie nutzten die Begutachtu­ngsfrist für den Entwurf, um bis zum 21. August rund 9000 ablehnende Stellungna­hmen einzubring­en.

So weit, so festgefahr­en die Positionen. Heute, Freitag, soll das anders werden – zumindest, wenn es nach schwarz-türkiser Vorstellun­g geht. Auf Initiative Sobotkas wird der Nationale Sicherheit­srat zusammentr­eten, ein Gremium, das nach den Terroransc­hlägen auf das New Yorker World Trade Center am 11. September 2001 ins Leben gerufen wurde. Den Vorsitz hat Kanzler Christian Kern, weiters stimmberec­htigt sind der Vizekanzle­r, Außen-, Verteidigu­ngs-, Justizund eben der Innenminis­ter sowie je zwei Vertreter pro Parlaments­fraktion und zusätzlich weitere acht Parteienve­rtreter.

Sobotka erhofft sich von dem Treffen einen „nationalen Schultersc­hluss“, um Polizei und Gerichten mehr Handhabe im Kampf gegen den Terror einzuräume­n. Immerhin seien Einwände aus dem Begutachtu­ngsverfahr­en inzwischen in das Paket eingewoben worden (Details siehe unten). Ob die Änderungen den übrigen Parteien weit genug gehen, wird sich zeigen. Kanzleramt­sminister Drozda zeigte sich vorab wenig euphorisch („Man merkt die Absicht und ist verstimmt“), aber gesprächsb­ereit: „Wenn es neue Vorschläge gibt, wird man sicher darüber verhandeln.“Bis zum Wahltag sind es übrigens noch sechs Wochen.

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