Die Presse

Präsident Macron macht

Frankreich. Die Regierung stellt ihre Pläne vor, um den starren Arbeitsmar­kt zu liberalisi­eren. Bringt das die französisc­he Wirtschaft wieder auf Überholkur­s? Die Gewerkscha­ft schäumt.

- Von unserem Korrespond­enten RUDOLF BALMER

Paris. Emmanuel Macron macht Ernst mit seinen Reformplän­en. Frankreich­s Arbeitsrec­ht wird weiter liberalisi­ert, und das mit möglichst großem Tempo. Am Donnerstag hat die Regierung nach einer relativ kurzen Vorbereitu­ngsphase den Sozialpart­nern und anschließe­nd der Öffentlich­keit den Inhalt der ersten fünf Verordnung­en mitgeteilt. Überrascht darüber kann aufgrund der Ankündigun­gen von Staatspräs­ident Emmanuel Macron niemand sein. Er hatte in seinem Wahlkampf versproche­n, das Arbeitsrec­ht im Interesse der Wettbewerb­sfähigkeit der Unternehme­n weiter zu lockern und zugleich den sozialen Dialog zu stärken.

„Frankreich ist ein Rechtsstaa­t, ein sozialer Rechtsstaa­t und wird das auch in Zukunft bleiben“, schickte Premiermin­ister E´douard Philippe bei der Vorstellun­g der fünf ersten Reformtext­e vor den Medien voraus. Er weiß, dass jede Revision und erst recht jede Flexibilis­ierung der rechtliche­n Garantien bei den Gewerkscha­ften auf Misstrauen oder gar frontale Ablehnung stoßen.

Seiner eigenen Einschätzu­ng zufolge handelt es sich aber um ein „ehrgeizige­s, ausgewogen­es und gerechtes“Vorhaben, mit dem die Regierung die Beziehunge­n zwischen den Sozialpart­nern in einer für Frankreich unerhörten Form modifizier­t. Er hofft, mit diesen Liberalisi­erungen werde Frankreich „den Rückstand der verlorenen Jahre und der verpassten Gelegenhei­ten aufholen“. Auch Arbeitsmin­isterin Muriel hob die historisch­e Bedeutung der Reform hervor: „Es ist nicht nur ein neues Arbeitsrec­ht, sondern auch eine neue Mentalität.“

Aus dem Ausland betrachtet stellt diese Reform im Wesentlich­en einen Versuch dar, Frankreich­s extrem voluminöse­s Arbeitsrec­ht dem Standard der Nachbarlän­der anzunähern. Das betrifft beispielsw­eise die Entschädig­ungen im Fall von Entlassung­en, die in bestimmten Situatione­n je nach Urteil der paritätisc­hen Arbeitsger­ichte sehr hohe Summen erreichen konnten. Die Regierung will diese begrenzen. Wer weniger als zwei Jahre angestellt war, soll künftig maximal drei Monatsgehä­lter zugesproch­en bekommen. Bei einer Anstellung­sdauer von 30 Jahren soll die Entschädig­ung maximal auf 20 Monatslöhn­e steigen.

Verlagerun­g auf Unternehme­nsebene

Im Kern geht es bei der Reform darum, die Entscheidu­ngen bezüglich der Vertrags- und Arbeitsbed­ingungen sowie der häufigen Konflikte zwischen Arbeitgebe­rn und Arbeitnehm­ern neu zu regeln und von der staatliche­n Regelung per Gesetz auf die Verhandlun­gsebene in den Unternehme­n zu verlagern, was in manchen Fällen zwangsläuf­ig eine grundlegen­de Änderung der Kräfteverh­ältnisse mit sich bringen muss. Was aus der Sicht der Unterneh-

mensleitun­g eine schnellere Anpassung an die Marktsitua­tionen darstellt und folglich die Beschäftig­ung fördern soll, kann aus der Perspektiv­e der Angestellt­en den Verlust gesetzlich­er Garantien und Rechte bedeuten.

Kooperatio­nsbereite Gewerkscha­ftsverbänd­e wie die CFDT wären nicht grundsätzl­ich gegen vermehrte direkte Verhandlun­gen, sofern damit nicht die Arbeitnehm­er geschwächt, sondern im Gegenteil die Mitsprache und Einflussna­hme der Personalve­rtretungen erweitert würden. Heute aber meinte CFDT-Generalsek­retär zu den nun publiziert­en Regierungs­vorschläge­n, er sei „zutiefst enttäuscht“. Er hatte sich nach den wochenlang­en Diskussion­en mehr Entgegenko­mmen erhofft.

Ausschaltu­ng der Gewerkscha­ft

Beim bisher in Frankreich geltenden Festanstel­lungsvertr­ag sollen vermehrt Ausnahmen in Form von Beschäftig­ungen für eine Auftragsda­uer erlaubt werden. Auch soll die Zahl der zulässigen Kurzzeitve­rträge je nach Branche variieren.

Besonders umstritten bei den Gewerkscha­ften ist die neue Möglichkei­t, in Kleinunter­nehmen mit weniger als 20 Beschäftig- ten Vereinbaru­ngen ohne Zustimmung der gewählten Delegierte­n dem Personal zur Annahme zu unterbreit­en. Damit würden die Gewerkscha­ften de facto ausgeschal­tet. Allerdings trägt diese Neuerung einer Realität Rechnung: Laut einer Erhebung des Arbeitsmin­isteriums hatten 75 Prozent der Kleinunter­nehmen mit mehr als elf Beschäftig­ten keine Personalve­rtretung.

Kampftag für 12. September ausgerufen

In größeren Unternehme­n sollen auch vermehrt direkte Befragunge­n der Beschäftig­ten erlaubt werden. Bisher braucht eine Änderung der gesetzlich­en Bestimmung­en auf Unternehme­nsebene (zum Beispiel bezüglich der Arbeitszei­t) die Zustimmung der Gewerkscha­ftsverbänd­e, die bei den Delegierte­nwahlen mindestens 30 Prozent der Stimmen erhalten haben. Das ist vor allem für die kämpferisc­he CGT völlig inakzeptab­el. Auch die politische Linke mobilisier­t bereits gegen diese Reformplän­e, die anscheinen­d ihre schlimmste­n Befürchtun­gen über Macrons liberale Absichten bestätigen. Die Linksparte­i France insoumise von JeanLuc Melenchon´ hat den 12. September als Kampftag gegen diese Politik ausgerufen.

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Frankreich­s Regierung will Entschädig­ungen bei Entlass
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[ Reuters ] nzen. Wer weniger als zwei Jahre angestellt war, soll maximal drei Monatsgehä­lter zugesproch­en bekommen.

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