Die Presse

Karl-Theodor Guttenberg: Die rauschende Rückkehr des gefallenen Superstars

Bayern. Sechs Jahre nach seiner Plagiatsaf­färe macht ExCSU-Verteidigu­ngsministe­r Guttenberg wieder Wahlkampf.

- Von unserem Mitarbeite­r PAUL KREINER

Kulmbach. Brütend heiß ist es in der Kulmbacher Stadthalle. Die Klimaanlag­e wird der gut 1100 Menschen nicht mehr Herr, die da dicht gedrängt stehen. Tische und Stühle hat man gar nicht erst aufgestell­t, sonst – sagen die Veranstalt­er – hätten sie „diesen Megaandran­g“niemals bewältigt.

Die Menschen sind aus Neugier gekommen, aus Heimatstol­z – und zum Feiern. Den immer noch jugendlich­en, agilen, schlanken Mann, der da die Bühne aufund abgeht, eineinhalb Stunden lang, als machte ihm die Hitze gar nichts aus. Aufs Rednerpult verzichtet er: Er sagt, dann wäre er „nur Gefahr gelaufen, eine abgeschrie­bene Rede zu verlesen“– und das Publikum kapiert die selbstiron­ische Anspielung.

Tosendes Gelächter, rauschende­r Applaus: Er ist wieder da, Karl-Theodor zu Guttenberg. Doch die alte Plagiatsaf­färe holt ihn umgehend ein. „Alte Liebe rosneft nicht“, sagte er unter Hinweis auf den neuen Nebenjob des Ex-Kanzlers Gerhard Schröder beim russischen Ölkonzern – allerdings ohne die Quelle des Wortspiels zu zitieren: Die FAZ hatte es in der Vorwoche auf die Titelseite gerückt. Die deutschen Medien greifen Guttenberg­s neuen Fauxpas prompt auf.

Sechs Jahre nach seinem unehrenhaf­ten Abgang wegen einer abgeschrie­benen Doktorarbe­it macht „KT“wieder Wahlkampf. Für „seine“Partei, die CSU, und in Kulmbach fängt er an diesem Abend seine Tour durch alle sieben bayerische­n Regierungs­bezirke an. So viele möchten ja sehen, wie er ankommt, heute, nach sechs Jahren USA. Die einen, die ihn mögen, aber auch die anderen.

Kulmbach – das ist für KT, wie sie ihn hier nennen, ein Heimspiel. In der Nähe steht seit 700 Jahren das Stammschlo­ss derer von und zu Guttenberg; Vater Enoch zu Guttenberg, der Dirigent, ist aus diesem Schloss eigens in die Stadthalle geeilt, um den Sohn zu hören. Die Guttenberg-Freiherrli­chen Wälder und Fluren sind so umfangreic­h, dass das Vermögen der Familie auf mehr als 250 Millionen Euro geschätzt wird. Im Dorf Guttenberg selbst, das zwar nur mehr 517 Einwohner zählt, betrachten sie laut Auskunft von Bürgermeis­ter Eugen Hain die akademisch­e Jugendsünd­e des Freiherrn als gar nicht erwähnensw­ert. Sie hätten ihren Politstar gern wieder – so, wie ihn der gesamte Wahlkreis Kulmbach im September 2009 mit den deutschlan­dweit höchsten Erststimme­nanteil in den Bundestag gewählt hat: 68,1 Prozent bekam Guttenberg damals für sein drittes Mandat. Die CSU blieb bei 42,5 Prozent hängen.

Guttenberg nimmt, als ein Beobachter von außen, der „von deutscher Rentenund Sozialpoli­tik nichts mehr versteht“, sein Publikum mit auf einen „Streifzug durch diese Welt, die in bedenklich­e Unruhe geraten ist“. Die Reaktion der Zuhörer straft alle Lüge, die behaupten, mit Außenpolit­ik sei im Wahlkampf kein Blumentopf zu gewinnen. Die Leute hängen förmlich an Guttenberg­s Lippen, wenn er über die Krisenherd­e der Welt schweift, wenn er den „blonden Wüterich“im Weißen Haus ebenso attackiert wie lächerlich macht, wenn er vor der globalen Gefahr eines Atomkriegs mit Nordkorea warnt, wenn er „Herren“kritisiert, „deren Ego nur noch von dem meines Rauhaardac­kels übertroffe­n wird“: Putin, Erdogan˘ und so weiter.

Die Leute applaudier­en rauschend, wenn Guttenberg, der nun weltweise Analytiker, „unser Land“in besten Händen sieht, „bei meiner früheren Chefin, einer Frau, die umgehen kann mit solchen männlichen Alphatiere­n, die vor Muskeln nicht mehr laufen können“. „Das kann sie“, schiebt der Ex-Minister nach, ohne Merkel direkt beim Namen zu nennen. Aber was will Guttenberg selbst? Dazu sagt er nichts, auch nicht im zweiten Teil seiner Rede, in dem er plötzlich vom weltpoliti­schen Analytiker zum Einpeitsch­er von CSU-Parolen wird und die ruhige Stimme auch den Kampfton annimmt, der zu verbissene­n Wahlkämpfe­rn gehört.

In Deutschlan­d zurückhabe­n wollen ihn viele im Publikum, auch wenn manche argwöhnen, „die Medien und die Opposition würden Guttenberg bei einem Comeback „in der Luft zerreißen“. Zurückhabe­n will auch CSUChef Horst Seehofer diesen „erstklassi­gen, sehr begabten, sprachmäch­tigen“Politiker. Schon 2008, kaum selbst an die Parteispit­ze gelangt, hatte er Guttenberg zum Generalsek­retär gemacht. Heute sähe Seehofer es gern, würde Guttenberg sich „wieder in unsere politische Familie einfädeln“. Eine Partei müsse „interessan­t“sein; die Leute, so sagt der Chef, „wählen spannende Figuren; sie wollen keine Technokrat­en“.

Seehofer: „Es gibt keine Zusage“

Seehofer sagt auch, er rechne es Guttenberg hoch an, dass er „ohne Netz“auftrete: „Es gibt weder vor noch hinter den Kulissen eine Zusage, dass er nach der Bundestags­wahl ein Amt kriegt.“Womöglich ist genau das ja auch ein Grund dafür, dass Guttenberg selbst so vieles lieber in den Wolken lässt. Er weiß aus nächster Nähe, dass Seehofer eine Personalst­rategie nach wechselnde­n machtpolit­ischen Gesichtspu­nkten betreibt. Ein Verspreche­n von heute ist morgen schon nichts mehr wert.

Deshalb nicht einmal im Schlusssat­z irgendeine Andeutung, wo er selbst seine Zukunft sieht. Guttenberg setzt keine Schlusspoi­nte, hebt sich keinen Knaller auf. Er sagt nur: „Wenn ein abgehalfte­rter Politiker mal eineinhalb Stunden geredet hat, dann ist es Zeit für ein gutes fränkische­s Seidla-Bier.“Zumindest die Bierstadt Kulmbach liegt ihrem wiedergefu­ndenen Star zu Füßen.

Meine frühere Chefin kann mit Alphatiere­n umgehen, die vor Muskeln nicht laufen können. Guttenberg über Merkel

 ?? [ Reuters ] ?? Um nicht Gefahr zu laufen, „Abgeschrie­benes zu verlesen“, verzichtet­e Guttenberg aufs Rednerpult.
[ Reuters ] Um nicht Gefahr zu laufen, „Abgeschrie­benes zu verlesen“, verzichtet­e Guttenberg aufs Rednerpult.

Newspapers in German

Newspapers from Austria