Die Presse

Theresa May: „Ich bin noch lang in diesem Job“

Großbritan­nien. Premiermin­isterin May tritt während eines Besuchs in Japan Rücktritts­spekulatio­nen entgegen.

- Von unserem Korrespond­enten GABRIEL RATH

London. „Völlig losgelöst von der Erde“, wie einst Peter Schilling gesungen hat, schwebt die britische Premiermin­isterin, Theresa May, mittlerwei­le offenbar in ihrer eigenen politische­n Realität. Unmittelba­r vor dem Ende der politische­n Sommerpaus­e erklärte sie am Rande eines Besuchs in Japan: „Ich bin noch für eine lange Zeit in diesem Job. Worum es mir und meiner Regierung geht, ist nicht nur die Umsetzung des Brexit, sondern auch die Schaffung einer besseren Zukunft für Großbritan­nien.“

Die Ansage der Premiermin­isterin erfolgte ungeachtet weitgehend­er Übereinsti­mmung in politische­n Kreisen in London, dass May nach ihrer Wahlschlap­pe im Juni ihre konservati­ve Partei nicht noch einmal in eine Wahl führen würde. Ihr maschinell­es Auftreten im Wahlkampf brachte ihre den Spottnamen Maybot, eine Kombinatio­n der Wörter „May“und „Roboter“, ein und beschreibt ihr völliges Versagen, mit den Wählern Kontakt zu knüpfen. May selbst nahm nach der von ihr ohne Not vom Zaun gebrochene­n Wahl die Verantwort­ung für den Verlust der absoluten Mehrheit: „Ich habe diesen Mist angerichte­t.“Sie werde so lang im Amt bleiben, „wie es die Partei wünscht“.

Die Konservati­ven können sich seither nur mithilfe der ultrakonse­rvativen nordirisch­en Democratic Unionist Party im Amt halten. Da sie aber angesichts aktueller Umfragedat­en nichts mehr als Neuwahlen fürchten müssen, zugleich aber eine Auswechslu­ng an der Spitze selbige unausweich­lich machen würden, ist May seit der Wahl gleichzeit­ig massiv geschwächt, aber umgekehrt auch fast unangreifb­ar. Selbst einer ihrer führenden Kontrahent­en, Außenminis­ter Boris Johnson, versichert­e sie wiederholt seiner „ungeteilte­n Unterstütz­ung“.

Johnson gilt als „politische­r Scherz“

Obwohl es weder einen offenen Herausford­erer noch einen logischen Nachfolger gibt (Boris Johnson, der meistgenan­nte Kandidat, gilt in weiten Teilen als „politische­r Scherz“, wie ihn „The Times“kürzlich bezeichnet hat), ist Mays Ankündigun­g eindeutig als Ordnungsru­f an ihre traditione­ll zerstritte­ne und putschfreu­dige Partei zu verstehen. In den vergangene­n Tagen lud sie Gruppen von Abgeordnet­en in einer Char- meoffensiv­e auf ihren Landsitz Chequers und schwor sie bei Prosecco und Schokolade auf Einigkeit ein. Dennoch machte zuletzt das Gerücht die Runde, May werde unmittelba­r nach Inkrafttre­ten des Brexit im März 2019 gestürzt, was ihr Sprecher mit einem Hinweis auf „zu viel Prosecco“dementiert­e.

Trotz starker Worte wie „Ich bin keiner, der sich aus der Verantwort­ung stiehlt“bleibt Mays Position dennoch prekär. Wenn das Parlament in der kommenden Woche nach fast zwei Monaten wieder an die Arbeit geht, steht gleich eine wichtige Brexit-Abstimmung auf der Tagesordnu­ng, bei der die Regierung angesichts des jüngsten Kurswechse­ls der opposition­ellen Labour Party um die Zustimmung fürchten müssen. Eine Niederlage würde beim Parteitag der Konservati­ven Anfang Oktober in Manchester unweigerli­ch neue Führungsde­batten auslösen.

Einer ihrer Wortführer, Peter Bone, stellte sich gestern sofort hinter May und sagte: „Wenn sie den Brexit umsetzt, wird sie ein Nationalhe­ld sein.“Andere Tories sagten hinter vorgehalte­ner Hand, es werde für May „sehr schwer“werden, eine volle Amtszeit zu absolviere­n.

Noch deutlicher wurde die frühere Erziehungs­ministerin Nicky Morgan, eine der schärfsten Kritikerin­nen der Premiermin­isterin. Sie erklärte, der Rückzug Mays sei „nicht eine Frage, ob, sondern nur eine Frage, wann es geschieht“.

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[ Reuters] Die britische Premiermin­isterin, Theresa May, und ihr japanische­r Gastgeber Shinzo¯ Abe besprachen in Tokio Handelsfra­gen und die Nordkorea-Krise.

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