Theresa May: „Ich bin noch lang in diesem Job“
Großbritannien. Premierministerin May tritt während eines Besuchs in Japan Rücktrittsspekulationen entgegen.
London. „Völlig losgelöst von der Erde“, wie einst Peter Schilling gesungen hat, schwebt die britische Premierministerin, Theresa May, mittlerweile offenbar in ihrer eigenen politischen Realität. Unmittelbar vor dem Ende der politischen Sommerpause erklärte sie am Rande eines Besuchs in Japan: „Ich bin noch für eine lange Zeit in diesem Job. Worum es mir und meiner Regierung geht, ist nicht nur die Umsetzung des Brexit, sondern auch die Schaffung einer besseren Zukunft für Großbritannien.“
Die Ansage der Premierministerin erfolgte ungeachtet weitgehender Übereinstimmung in politischen Kreisen in London, dass May nach ihrer Wahlschlappe im Juni ihre konservative Partei nicht noch einmal in eine Wahl führen würde. Ihr maschinelles Auftreten im Wahlkampf brachte ihre den Spottnamen Maybot, eine Kombination der Wörter „May“und „Roboter“, ein und beschreibt ihr völliges Versagen, mit den Wählern Kontakt zu knüpfen. May selbst nahm nach der von ihr ohne Not vom Zaun gebrochenen Wahl die Verantwortung für den Verlust der absoluten Mehrheit: „Ich habe diesen Mist angerichtet.“Sie werde so lang im Amt bleiben, „wie es die Partei wünscht“.
Die Konservativen können sich seither nur mithilfe der ultrakonservativen nordirischen Democratic Unionist Party im Amt halten. Da sie aber angesichts aktueller Umfragedaten nichts mehr als Neuwahlen fürchten müssen, zugleich aber eine Auswechslung an der Spitze selbige unausweichlich machen würden, ist May seit der Wahl gleichzeitig massiv geschwächt, aber umgekehrt auch fast unangreifbar. Selbst einer ihrer führenden Kontrahenten, Außenminister Boris Johnson, versicherte sie wiederholt seiner „ungeteilten Unterstützung“.
Johnson gilt als „politischer Scherz“
Obwohl es weder einen offenen Herausforderer noch einen logischen Nachfolger gibt (Boris Johnson, der meistgenannte Kandidat, gilt in weiten Teilen als „politischer Scherz“, wie ihn „The Times“kürzlich bezeichnet hat), ist Mays Ankündigung eindeutig als Ordnungsruf an ihre traditionell zerstrittene und putschfreudige Partei zu verstehen. In den vergangenen Tagen lud sie Gruppen von Abgeordneten in einer Char- meoffensive auf ihren Landsitz Chequers und schwor sie bei Prosecco und Schokolade auf Einigkeit ein. Dennoch machte zuletzt das Gerücht die Runde, May werde unmittelbar nach Inkrafttreten des Brexit im März 2019 gestürzt, was ihr Sprecher mit einem Hinweis auf „zu viel Prosecco“dementierte.
Trotz starker Worte wie „Ich bin keiner, der sich aus der Verantwortung stiehlt“bleibt Mays Position dennoch prekär. Wenn das Parlament in der kommenden Woche nach fast zwei Monaten wieder an die Arbeit geht, steht gleich eine wichtige Brexit-Abstimmung auf der Tagesordnung, bei der die Regierung angesichts des jüngsten Kurswechsels der oppositionellen Labour Party um die Zustimmung fürchten müssen. Eine Niederlage würde beim Parteitag der Konservativen Anfang Oktober in Manchester unweigerlich neue Führungsdebatten auslösen.
Einer ihrer Wortführer, Peter Bone, stellte sich gestern sofort hinter May und sagte: „Wenn sie den Brexit umsetzt, wird sie ein Nationalheld sein.“Andere Tories sagten hinter vorgehaltener Hand, es werde für May „sehr schwer“werden, eine volle Amtszeit zu absolvieren.
Noch deutlicher wurde die frühere Erziehungsministerin Nicky Morgan, eine der schärfsten Kritikerinnen der Premierministerin. Sie erklärte, der Rückzug Mays sei „nicht eine Frage, ob, sondern nur eine Frage, wann es geschieht“.