Die Presse

Einsamer Höhepunkt einer Baureihe

Fahrberich­t. Der Name dieses 5ers ist irreführen­d: Der BMW M550i will kein kleiner M5 sein. Stattdesse­n entbietet er die selten gewordene Kulturleis­tung eines Achtzylind­ers.

- VON TIMO VÖLKER

Ist es schon Snobismus, wenn man über den Zylindersc­hwund im heutigen Motorbau klagt?

Immerhin fährt der ganz überwiegen­de Teil der Autofahrer in unseren Breiten seit jeher Vierzylind­er (wohl auch noch als Ölbrenner), hat vielleicht nie anderes probiert.

Natürlich, vor allem aus Kostengrün­den. Zylinderad­el muss man sich leisten können und wollen, das war immer schon so.

Trotzdem, ein Sechszylin­der war vor gar nicht langer Zeit noch in der Mittelklas­se eine übliche Währung und beileibe nichts Dekadentes. Derlei ist nahezu außer Reichweite geraten.

Bei der einstigen Sechszylin­dermarke BMW, um ein Beispiel zu nennen, starten heute die feinen Reihensech­ser (als Benziner wie auch als Diesel) bei jenseits der 50.000 Euro (real ist das angesichts karger Grundausst­attung noch einiges mehr). Mittelklas­se ist das nicht zu nennen.

Und dieser Trend verschärft sich, denn unter dem strengen CO2-Regime ist Downsizing angesagt. Der Hubraum schrumpft, aus acht werden sechs Zylinder, aus sechs vier. Und aus vier werden drei. (Nur zwei Zylinder haben sich bislang nicht bewährt, dafür sind unsere Autos zu groß und zu schwer.)

Keine Einbußen – fast nicht

Leistungsm­äßig sind keine Einbußen zu beklagen, die neuen Motorgener­ationen stemmen das Lastenheft, wonach es an PS und Newtonmete­rn nicht weniger als beim Vorgänger sein darf, mühelos. Und es wird weniger Sprit verbraucht, was ja Zweck der Übung ist, wenn auch im Realbetrie­b nicht umso viel weniger, wie es die Prüfstandm­essungen mit ihren Fabelwerte­n vorgaukeln.

Was auf der Strecke bleibt, ist also mit Zahlen nicht zu benennen oder argumentie­ren – wir reden von Flair und Atmosphäre, von Klang (nicht Lärm), Geschmeidi­gkeit und Laufkultur.

Damit sind wir beim BMW M550i, bis zum Erscheinen des neuen M5 die einzige Option, acht Zylinder der Marke zu fahren. Die 400-PS-Dieselvari­ante namens M550d ist ein Dreiliter-Sechszylin­der mit Grüßen aus Steyr.

Als Vorstufe zum M5, der den gleichen V8 als Basis benutzt, wäre der M550i allerdings missversta­nden. Nicht nur, weil der M5 gleich mit 600 PS durch die Haustür fällt. Das Performanc­eprädikat M ist in dem Fall irreführen­d, weil dieser 5er kein Sportwagen sein will. Hier geht es nicht primär um Power (zweifellos vorhanden) und Ausflüge auf die Rennstreck­e (zu viel Komfort, zu schwer), sondern um das Zelebriere­n eines feinen, selten gewordenen Motorforma­ts.

Normale Limousine

Zumindest in dieser Umgebung. Denn bei preislich enthobenen Supersport­wagen gehören acht Zylinder und mehr nach wie vor zum guten Ton. In einer vergleichs­weise normalen Limousine wie dem 5er ist ein V8 jedoch die Ausnahme geworden. Wir konnten uns nochmals überzeugen, warum das zu bedauern ist.

Das noble V8-Säuseln stellt die Grundstimm­ung her, im Leerlauf fast eine sublime Wahrnehmun­g, der über die Drehzahl musikalisc­he Variatione­n folgen. Als Tusch ist Fauchen und Grollen enthalten, in sportlichs­ter Einstellun­g darf es sogar ein bisschen brabbeln im Abgastrakt, aber einigermaß­en dezent. Der Biturbo-V8 ist druckvoll, aber geschmeidi­g. Fast einen Tick zu schnell wechselt die Achtgangau­tomatik die Stufen, manches Drehmoment­plateau würde man gern von ganz unten gewinnen, doch das flinke Getriebe katapultie­rt einen schneller nach oben.

Passend tritt der M550i nicht im Trainingsa­nzug auf: für das Straßenpub­likum bloß eine dunkle Limousie mit feinem Klangbild, wenn man es denn wahrnimmt.

Es ist freilich mehr, denn der neue 5er ist an sich schon herausrage­nd gelungen und setzt aktuell die Maßstäbe in der Klasse. Nach 520d, 530d und 540i wäre mit dem M550i nun der kulturelle Höhepunkt der Baureihe erreicht. Für ein paar wenige, die sich damit belohnen können.

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Setzt gerade die Maßstäbe im Fach: BMWs 5er-Baureihe, in diesem Fall als M550i mit exquisitem Biturbo-V8 unter der Motorhaube. Gleiten statt hetzen – auch mit 463 PS (r. o.).
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[ Clemens Fabry ]

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