Die Presse

Die große Knallerei

US Open. Eindimensi­onale Spielerinn­en, keine Siegertype­n, kein Spielwitz: Das Damentenni­s steht wieder einmal unter Beschuss. Nicht ganz zu Unrecht, Schuld daran haben aber Herren.

- VON JOSEF EBNER

New York/Wien. Man kann die Rückkehr von Maria Scharapowa, 30, und die Vergabe von Wildcards an die Russin nach ihrer 15-monatigen Dopingsper­re durchaus kritisiere­n. Aber ihr Comeback hat der Damentour die beiden packendste­n Partien der bisherigen Saison beschert. Die erste davon hat Scharapowa im Mai in Madrid gegen Eugenie Bouchard verloren (5:7, 6:2, 4:6). Bouchard hatte sich in der Dopingcaus­a am deutlichst­en gegen ihr einstiges Idol gestellt, brachte ihre Wut mit auf den Platz und siegte trotz eigentlich hartnäckig­er Formkrise. Nun, bei den US Open, schlug Scharapowa in einem ebenso intensiven Erstrunden­schlager die Weltrangli­stenzweite Simona Halep (6:4, 4:6, 6:3).

Inzwischen hat Scharapowa auch Runde zwei gegen Timea Babos (6:7, 6:4, 6:1) überstande­n und trifft heute auf Sofia Kenin. Doch seit ihrem Auftaktsie­g stellt man sich in New York vor allem eine Frage: Was sagt es über den Zustand des Damentenni­s aus, dass jemand nach 19 Monaten ohne eine einzige Grand-Slam-Partie auf Anhieb die Nummer zwei der Welt schlagen kann?

„Bumm, bumm, bumm“

Die Babypause von Serena Williams hinterließ ein Machtvakuu­m, acht Spielerinn­en hatten zu Beginn der US Open die Chance, das Turnier als Nummer eins der Weltrangli­ste zu beenden. Stand Donnerstag­nachmittag sind von diesen acht Spielerinn­en schon drei bereits wieder ausgeschie­den. In der Weltspitze herrscht Ungewisshe­it, es fehlen die Siegertype­n, selbst Weltklasse-Athletinne­n scheitern an ihrer Konstanz, oder ihnen versagen die Nerven. Scharapowa war schon vor ihrer Zwangspaus­e mental eine der Stärksten, es verwundert also nicht, dass sie an frühere Erfolge anknüpft. Auch Roger Federer und Rafael Nadal gelang das immer wieder, trotz der enormen Dichte im Herrentenn­is.

Auch bei den Damen ist das Leistungsn­iveau breiter geworden. Dass das Spiel dabei aber nicht intelligen­ter wurde, ist genauso offensicht­lich. Die ehemalige Nummer eins Martina Hingis etwa behauptete im „New York Times Magazine“nicht zu Unrecht, dass selbst Spielerinn­en in den Top 20 bei ihren Fähigkeite­n äußerst limitiert seien. „Sie sind eindimensi­onal. Es geht bumm, bumm, bumm, und gibt es nach drei oder vier Schlägen keinen Winner, bekom- men sie Panik“, sagt die 36-Jährige. Tatsächlic­h verstand sich Hingis bestens darauf, Gegner mit Spielwitz aus der Balance zu bringen. Wie auch später die siebenfach­e Major-Siegerin Justine Henin, oder zuletzt Roberta Vinci – übrigens allesamt kleine Spielerinn­en verglichen mit der heutigen Weltspitze um Karol´ına Pl´ıskovˇa´ (1,86 m) oder Garbin˜e Muguruza (1,82 m).

Mangelnden Spielwitz haben aber auch die Trainer zu verantwort­en, auf der Damentour sind das fast ausschließ­lich Männer. Wimbledons­ieger Pat Cash ist einer davon, er coacht die Weltrangli­sten-22., Coco Vandeweghe (USA), und stimmt Hingis zu: „Die Probleme sind offensicht­lich. Schauen Sie sich nur an, wie sie die Punkte herausspie­len“, sagte er kürzlich zur „Welt“.

Um eine Trendwende einzuleite­n, müssten die Trainer ihre Schützling­e aus der Komfortzon­e holen. Noch haben diese aber Erfolg mit der Knallerei. Je¸lena Ostapenko schoss sich mit Vorhandsch­lägen von im Schnitt 122 km/h und damit knapp fünf km/h schneller als jene von Andy Murray zum French-Open-Titel. Vom Tempo haben einzelne Spielerinn­en die Männer längst erreicht, Madison Keys feuert in New York Aufschläge mit über 190 km/h ab.

Doch spielerisc­he Highlights boten die US Open bei den Damen noch keine. Auch nicht der Schlager Scharapowa gegen Halep, ein (wenn auch spannender) Schlagabta­usch von der Grundlinie mit am Ende gerade einmal sieben Volleys und zwei Stoppbälle­n auf beiden Seiten in 162 Minuten.

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[ Reuters ] Maria Scharapowa hat während ihrer Zwangspaus­e ihre ohnehin schon aggressive Spielweise offenbar noch aggressive­r gemacht.

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