Die große Knallerei
US Open. Eindimensionale Spielerinnen, keine Siegertypen, kein Spielwitz: Das Damentennis steht wieder einmal unter Beschuss. Nicht ganz zu Unrecht, Schuld daran haben aber Herren.
New York/Wien. Man kann die Rückkehr von Maria Scharapowa, 30, und die Vergabe von Wildcards an die Russin nach ihrer 15-monatigen Dopingsperre durchaus kritisieren. Aber ihr Comeback hat der Damentour die beiden packendsten Partien der bisherigen Saison beschert. Die erste davon hat Scharapowa im Mai in Madrid gegen Eugenie Bouchard verloren (5:7, 6:2, 4:6). Bouchard hatte sich in der Dopingcausa am deutlichsten gegen ihr einstiges Idol gestellt, brachte ihre Wut mit auf den Platz und siegte trotz eigentlich hartnäckiger Formkrise. Nun, bei den US Open, schlug Scharapowa in einem ebenso intensiven Erstrundenschlager die Weltranglistenzweite Simona Halep (6:4, 4:6, 6:3).
Inzwischen hat Scharapowa auch Runde zwei gegen Timea Babos (6:7, 6:4, 6:1) überstanden und trifft heute auf Sofia Kenin. Doch seit ihrem Auftaktsieg stellt man sich in New York vor allem eine Frage: Was sagt es über den Zustand des Damentennis aus, dass jemand nach 19 Monaten ohne eine einzige Grand-Slam-Partie auf Anhieb die Nummer zwei der Welt schlagen kann?
„Bumm, bumm, bumm“
Die Babypause von Serena Williams hinterließ ein Machtvakuum, acht Spielerinnen hatten zu Beginn der US Open die Chance, das Turnier als Nummer eins der Weltrangliste zu beenden. Stand Donnerstagnachmittag sind von diesen acht Spielerinnen schon drei bereits wieder ausgeschieden. In der Weltspitze herrscht Ungewissheit, es fehlen die Siegertypen, selbst Weltklasse-Athletinnen scheitern an ihrer Konstanz, oder ihnen versagen die Nerven. Scharapowa war schon vor ihrer Zwangspause mental eine der Stärksten, es verwundert also nicht, dass sie an frühere Erfolge anknüpft. Auch Roger Federer und Rafael Nadal gelang das immer wieder, trotz der enormen Dichte im Herrentennis.
Auch bei den Damen ist das Leistungsniveau breiter geworden. Dass das Spiel dabei aber nicht intelligenter wurde, ist genauso offensichtlich. Die ehemalige Nummer eins Martina Hingis etwa behauptete im „New York Times Magazine“nicht zu Unrecht, dass selbst Spielerinnen in den Top 20 bei ihren Fähigkeiten äußerst limitiert seien. „Sie sind eindimensional. Es geht bumm, bumm, bumm, und gibt es nach drei oder vier Schlägen keinen Winner, bekom- men sie Panik“, sagt die 36-Jährige. Tatsächlich verstand sich Hingis bestens darauf, Gegner mit Spielwitz aus der Balance zu bringen. Wie auch später die siebenfache Major-Siegerin Justine Henin, oder zuletzt Roberta Vinci – übrigens allesamt kleine Spielerinnen verglichen mit der heutigen Weltspitze um Karol´ına Pl´ıskovˇa´ (1,86 m) oder Garbin˜e Muguruza (1,82 m).
Mangelnden Spielwitz haben aber auch die Trainer zu verantworten, auf der Damentour sind das fast ausschließlich Männer. Wimbledonsieger Pat Cash ist einer davon, er coacht die Weltranglisten-22., Coco Vandeweghe (USA), und stimmt Hingis zu: „Die Probleme sind offensichtlich. Schauen Sie sich nur an, wie sie die Punkte herausspielen“, sagte er kürzlich zur „Welt“.
Um eine Trendwende einzuleiten, müssten die Trainer ihre Schützlinge aus der Komfortzone holen. Noch haben diese aber Erfolg mit der Knallerei. Je¸lena Ostapenko schoss sich mit Vorhandschlägen von im Schnitt 122 km/h und damit knapp fünf km/h schneller als jene von Andy Murray zum French-Open-Titel. Vom Tempo haben einzelne Spielerinnen die Männer längst erreicht, Madison Keys feuert in New York Aufschläge mit über 190 km/h ab.
Doch spielerische Highlights boten die US Open bei den Damen noch keine. Auch nicht der Schlager Scharapowa gegen Halep, ein (wenn auch spannender) Schlagabtausch von der Grundlinie mit am Ende gerade einmal sieben Volleys und zwei Stoppbällen auf beiden Seiten in 162 Minuten.