Mit ein paar Psychotricks zur Gleichstellung
Verhaltensökonomie. In „What works“zeigt Harvard-Professorin Iris Bohnet, wie man Umgebungen statt Überzeugungen verändert, warum Diversitätstrainings sinnlos und Bewerbungsgespräche schlecht sind.
Was ein einfacher Wandschirm alles bewirken kann. 65 Jahre ist es her, dass das Boston Symphony Orchestra eine Pionierleistung vollbrachte: Es begann, Bewerberinnen und Bewerber so vorspielen zu lassen, dass die Jury sie nicht sehen konnte. Sicherheitshalber in Socken, um auch verräterische Schuhgeräusche zu vermeiden. In den 1970er- und 1980er-Jahren verbreitete sich die Praxis blinder Vorspiele, zumindest in der ersten Runde, und was geschah? Im Durchschnitt erhöhte sich die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau in die zweite Runde kam, um 50 Prozent.
Auf die Macht solcher kleiner Interventionen lenkt eine Disziplin den Blick, die sich im Englischen „design for behavioural change“nennt und im deutschsprachigen Raum unter dem unglücklichen Begriff Verhaltensdesign kursiert (man denkt an genetisches Design und Menschen manipulierende Psycho-Ingenieure). Design, das „es unseren voreingenommenen Gehirnen erleichtert, Dinge richtig zu machen“.
So formuliert es die in Harvard lehrende Verhaltensökonomin Iris Bohnet. Sie versucht, die Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Wirtschaft mithilfe von Erkenntnissen aus der Verhaltenspsychologie voranzutreiben – zu denen auch diese gehört: Einstellungen und Überzeugungen lassen sich nur schwer verändern. Verhaltensdesign setzt stattdessen darauf, Umgebungen zu verändern. Iris Bohnet argumentiert dabei mit dem ökonomischen Nutzen: Unsere verzerrten Urteile in Bezug auf Männer und Frauen seien kostspielig. Sie würden Firmen daran hindern, die besten Arbeitskräfte zu finden. Ihr Buch „What works“, das soeben im Beck-Verlag auf Deutsch erschienen ist, schildert, welche Strategien und Tricks aus Sicht der Verhaltenspsychologie nun wirklich funktionieren beziehungsweise warum.
Milliarden für nutzlose Programme
Und – ebenso wichtig – welche nicht. Amerikanische Unternehmen geben seit vielen Jahren Milliarden für Diversitätstraining aus, doch Studien zeigen, dass es nicht wirkt. Auf die Frage nach dem „Warum“hat die Forschung mehrere Antworten. Zum einen hilft das Bewusstmachen verzerrter Wahrnehmungen allein noch gar nichts. Es kann sogar schaden, indem es die Kategorien, die weniger wichtig werden sollen, erst recht bewusst macht. Außerdem wirkt ein Phänomen, das man „moralische Lizenzierung“nennt: Menschen, die etwas Gutes getan haben, fühlen sich danach freier, etwas weniger Gutes zu tun (sodass das Diversitätstraining wie ein moralischer Persilschein wirken kann).
Frauen haben bekanntermaßen mehr Scheu, zu verhandeln, sich durchzusetzen (etwa, wenn es um eine Gehaltserhöhung geht), haben das Gefühl, dabei Geschlechternormen zu verletzen – und es ist nicht nur ein Gefühl: Anders als Männer werden sie als unsympathischer wahrgenommen, wenn sie es doch tun. Allerdings gibt es Bedingungen, unter denen sich das ändert: nämlich, so Bohnet, wenn Frauen Signale bekommen, dass (und in welchem Rahmen) ihr Verhandeln legitim ist. Dann verhandelten Frauen in Studien plötzlich genauso gut wie Männer. Und auch, wenn sie für andere verhandeln. Legitimierung von außen hilft fähigen Frauen also, voranzukommen.
Männer über-, Frauen unterschätzen ihre eigene Leistung eher, Bohnets Tipp dazu: Arbeitgeber sollen Selbsteinschätzungen ganz abschaffen. Klare Informationen über die jeweilige Leistung im Vergleich zu anderen hingegen motiviert fähige, aber wettbewerbsscheue Frauen – und verhilft sich überschätzenden Männern zu einem realistischeren Selbstbild.
„Die Belege, dass unstrukturierte Interviews nicht funktionieren, sind überwältigend“, schreibt Bohnet über das klassische Bewerbungsgespräch. Es sei prädestiniert für verzerrte Urteile. Bohnet illustriert das u. a. anhand einer Medizin-Uni in Texas, die nach der Bewerberauswahl unerwartet noch viele weitere Studenten aufnehmen musste – und diese aus dem Pool der zuvor abgewiesenen nahm. Forscher nutzten diese Konstellation für einen Feldversuch, und siehe da: In der Leistung gab es keinen Unterschied zwischen den zunächst aufgenommenen und den zunächst abgewiesenen Studenten.
Wie man Algorithmen lieber gewinnt
Bewährt hätten sich statt unstrukturierter Gespräche, so Bohnet, von standardisierten Interviews begleitete Algorithmen. Letztere werden von vielen instinktiv abgelehnt, doch auch da hat die Verhaltenspsychologie einen Trick gefunden: Nur ein klein wenig Korrekturspielraum für den menschlichen Benutzer genügt, damit dieser den Vorhersagen eines Algorithmus vertraut. Und noch eine wirksame Strategie: Werden mehrere Bewerbun- gen miteinander verglichen, statt jede für sich geprüft, werden die Gruppenstereotype unwichtig, die besten Bewerber gewählt.
Asiatische Mädchen schnitten in Mathematik schlechter ab, wenn man sie vorher Bilder von Puppenhäusern ausmalen ließ; besonders gut, wenn man ihnen zuvor Bilder von mit Stäbchen essenden Menschen zeigte (und sie damit an ihre asiatische Herkunft erinnerte). Derlei Beispiele lassen sich zu Hunderten bringen, sie sind nicht gerade schmeichelhaft für die menschliche Psyche – aber so ist sie nun einmal. In Harvard hat Iris Bohnet zu den vielen Männerporträts ein paar Frauenbilder hinzugefügt. Abgedroschen? Mag sein. Aber erwiesenermaßen wirkungsvoll.