Die Presse

Gefahren der Aquakultur

Biologie/Medizin. Regionale Zucht vermännlic­ht vermutlich Krokodile – und weltweite Zucht bringt allerorten antibiotik­aresistent­e Bakterien.

- VON JÜRGEN LANGENBACH

Im Palo-Verde-Nationalpa­rk in Costa Rica tut sich höchst Eigenartig­es bei den Krokodilen: Es gibt viermal so viele Männchen wie Weibchen, Chris Murray hat es mühsam erhoben und sich umso mehr darüber gewundert, als es in der Region in den letzten 20 Jahren um 2,5 Grad wärmer geworden ist: Bei Krokodilen entscheide­t über das Geschlecht die Umgebungst­emperatur, und wenn sie steigt, steigt für gewöhnlich die Zahl der Weibchen.

Was steht dann hinter dem Männchenüb­erschuss? Murray fand in den Krokodilen ein synthetisc­hes männliches Sexualhorm­on – 17a-Methyltest­osteron, MT –, das wird in der Medizin verwendet, das wird von Bodybuilde­rn verwendet, das wird in der Aquakultur verwendet: Um Palo Verde herum werden Tilapias großgezoge­n, denen mischt man MT ins Futter, dann werden sie zu Männchen, und diese wachsen rascher. Gelangt dieses MT irgendwie zu den Krokodilen und hat dort den gleichen Effekt?

Man weiß es nicht, Krokodile dringen selten in die Fischfarme­n ein, möglicherw­eise kommt das MT von viel weiter her, mit den Abwässern der Hauptstadt San Jose,´ in der Bodybuilde­r viel schlucken sollen. Frank Chapman, ein Ökologe der University of Flo- rida, der sich mit Tilapia in Südamerika auskennt, hält aber die Aquakultur-Quelle für möglich und ihre Betreiber für willig, etwas zum Schutz der Krokodile zu unternehme­n: „Eine Sache wie diese verpasst der Aquakultur ein blaues Auge.“(Sciencenow, 31. 8.)

Noch viel bedrohlich­er und verwirrend­er ist ein Fund, den Jing Wang (Danian) in Meeresböde­n bei Aquakultur­en gemacht hat: Dort gibt es massenhaft Bakterien, die gegen Antibiotik­a resistent geworden sind. Das wundert zunächst nicht, viele Aquakultur­en setzen Antibiotik­a ein. Aber: Die resistente­n Bakterien sind auch in Aquakultur­en, die nie mit Antibiotik­a gearbeitet haben.

Gefahrenqu­elle Futter: Fischmehl!

Wie kommen diese und die Resistenze­n dann hin? Mit Futter, Fischmehl, Millionen Tonnen: „In jeder Fischmehlp­robe haben wir zwischen sechs und elf verschiede­ne Antibiotik­a gemessen“, berichtet Wang (Environmen­tal Science & Technology, 30. 8.). Und wie kommen diese in das Fischmehl? Die Fische dafür werden irgendwo gefischt, nicht bei Aquakultur­en, die Frage bleibt offen. Eine andere wird dringliche­r: Mit Fischmehl werden nicht nur Fische gefüttert, sondern auch viele Tiere in der Landwirtsc­haft. Wang empfiehlt dringend, dort nachzusehe­n.

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