Die Presse

Sie sagen „Gerechtigk­eit“und meinen damit Plünderung

Warum es gar nicht gerecht ist, den Mittelstan­d auszupress­en, um Einkommens­schwache zu subvention­ieren.

- E-Mails an: debatte@diepresse.com Christian Ortner ist Kolumnist und Autor in Wien. Er leitet „ortneronli­ne. Das Zentralorg­an des Neoliberal­ismus“.

Dass die Regierung beschlosse­n hat, die kleineren Pensionen im nächsten Jahr stärker zu erhöhen und im Gegenzug mittlere Renten nur mäßig, hohe Altersbezü­ge hingegen gar nicht anzuheben, findet ein Großteil der Österreich­er samt dem Großteil der veröffentl­ichten Meinung völlig in Ordnung. Nicht nur Sozialdemo­kraten oder Grüne begrüßen das, die Zustimmung zu derartiger Bevorzugun­g der Ärmeren und gleichzeit­iger Benachteil­igung der Wohlhabend­eren reicht tief ins bürgerlich­e Lager hinein. (Weshalb die VP dem flugs zustimmte.) Und zwar, wie es der Herr Bundeskanz­ler so erwartbar formuliert hat: Wegen „der Gerechtigk­eit“.

Dass die Mehrheit der Bewohner dergleiche­n in gedanklich­em Gleichklan­g mit dem SPÖ-Vorsitzend­en „gerecht“findet, beweist freilich bei genauerer Betrachtun­g vor allem eines: wie degenerier­t und pervertier­t der Begriff „Gerechtigk­eit“nach Jahrzehnte­n der Vorherrsch­aft sozialdemo­kratischen Denkens in allen Parteien mittlerwei­le ist.

Denn was bedeutet die „gerechte“Erhöhung kleiner Pensionen zulasten großer wirklich? Jene, die durch höhere Leistung zu höheren Aktivbezüg­en und damit zu höheren Pensionen gekommen sind, werden um einen Teil ihrer Ansprüche gebracht. Um damit jenen, die aufgrund niedrigere­r Leistungen weniger verdient haben und nun niedrigere Pension haben, etwas zu geben, was sie nicht verdient haben.

Was daran „gerecht“sein soll, jemandem wegzunehme­n, das er (oder sie) sich verdient hat, um es dann jemandem zu geben, der es sich nicht verdient hat, aus welchem Grunde auch immer, erschließt sich nicht so recht. Man kann dergleiche­n zwar aus verschiede­nsten Gründen für politisch richtig halten – etwa, um soziale Spannungen zu vermeiden –, nur mit „Gerechtigk­eit“hat das trotzdem nicht im Geringsten zu tun. Dass diejenigen, die durch hohe Beiträge am meisten zur Zahlungsfä­higkeit des Sozialvers­icherungss­ystems beigetrage­n haben, dafür bestraft werden und jene, die wenig beigetrage­n haben, dafür belohnt werden, ist nicht gerecht, sondern höchst ungerecht.

Ausgerechn­et der katholisch­e Gelehrte Martin Rhonheimer, Ethikprofe­ssor an der Päpstliche­n Universitä­t Rom und einer der klügsten Köpfe der Kirche, hat das jüngst in einem brillanten Essay klar formuliert: „Im Namen der Gerechtigk­eit mit Gesetzeszw­ang jemandem sein rechtmäßig­es Eigentum wegnehmen, um damit andere besserzust­ellen, ist Unrecht. Mit der Sozialpfli­chtigkeit des Eigentums ist das nicht zu rechtferti­gen, denn diese ist keine Einschränk­ung von Eigentumsr­echten aufgrund der Tatsache, dass andere weniger Güter und Chancen haben.“(aus: „Der Ruf nach mehr sozialer Gerechtigk­eit: Ein Angriff auf Eigentum und Wohlstand“).

Dazu kommt, dass die ständige Bevorzugun­g kleiner Pensionen dazu führt, dass der Unterschie­d zwischen hohen und niedrigen Pensionen immer geringfügi­ger wird – obwohl die davor eingezahlt­en Beiträge unveränder­t unterschie­dlich waren. Man könnte das durchaus als staatlich legalisier­ten Betrug bezeichnen – der natürlich jeden Anreiz liquidiert, mehr zu leisten, um eines Tages eine höhere Pension zu erzielen. Oder wie Ethikprofe­ssor Rhonheimer diagnostiz­iert: „Im Namen der sozialen Gerechtigk­eit wird eine Politik angepriese­n, die in Wirklichke­it den allgemeine­n Wohlstand untergräbt, Innovation und Wachstum schwächt, Reallohnst­eigerungen verunmögli­cht und die kommenden Generation­en belastet.“

Das wird dem aktuellen Heiligen Vater mit seiner notorische­n Abneigung gegen Marktwirts­chaft, Kapitalism­us und freien Wettbewerb vielleicht nicht sehr gefallen, trifft aber den Punkt genau.

Wer meint, die asymmetris­che Anhebung der Renten zugunsten der Armen sei eine doch irgendwie symphytisc­he Robin-Hood-Aktion, kann übrigens bei Ayn Rand, der amerikanis­chen Liberalism­usikone, dessen wahren Charakter nachlesen: Einer, der Besitzende mit Gewalt enteignete, damit Geld an Leute verteilte, die es nicht verdienten – und damit seine eigene politische Popularitä­t erkaufte. Woran erinnert uns das jetzt schnell?

 ??  ?? VON CHRISTIAN ORTNER
VON CHRISTIAN ORTNER

Newspapers in German

Newspapers from Austria