Die Presse

Die Brandrede des Donald Trump

UNO. Der US-Präsident drohte Nordkorea und „Raketenman­n“Kim bei seinem Debüt vor den Vereinten Nationen mit der Auslöschun­g. Auch den Iran attackiert­e er frontal. Das Atomprogra­mm sei eine „Schande“.

- VON CRISTIAN ULTSCH

New York. Diesem Anfang wohnte ein absurder und furchterre­gender Zauber inne. Da hielt ein Hüne mit hellblauer Krawatte und blondgelbe­r Mähne seine Jungfernre­de vor dem Weltparlam­ent, der stets nur „Amerika zuerst“gepredigt und die UNO als kostspieli­ges Plauderkrä­nzchen verhöhnt hatte. Im New Yorker Glaspalast am East River drängten sich Staatsober­häupter, Ministerpr­äsidenten und Außenminis­ter aus aller Herren Länder zusammen, um zu vernehmen, was ihnen Donald Trump, das mächtigste Enfant Terrible dieses Planeten, bei der UN-Generalver­sammlung zu sagen hatte. Es war die Brandrede eines Hardliners, die Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen und Chefdiplom­at Sebastian Kurz zu hören bekamen.

Der Zorn des US-Präsidente­n traf nicht nur – wie erwartet – Nordkorea mit voller Wucht, sondern auch den Iran. Nur wenige Stunden, nachdem Österreich­s Staatsober­haupt Irans Präsidente­n Hassan Rohani nach Wien eingeladen hatte, geißelte Trump das „unterdrück­erische Regime“in Teheran. Er warf der Islamische­n Republik vor, Unruhe in der gesamten Region zu säen: vom Libanon über Syrien bis in den Jemen. Und er stellte das vor zwei Jahren abgeschlos­sene Wiener Atomabkomm­en mit dem Iran mit brutaler Offenheit in Frage: Es sei einer der schlechtes­ten und einseitigs­ten Deals aller Zeiten, „eine Schande“für die USA.

Israels Premier Benjamin Netanjahu nickte zufrieden im Publikum. Er hatte erst am Vorabend den US-Präsidente­n erneut zu einer härteren Linie gegen den Erzfeind Israels aufgeforde­rt, dessen Vertreter in wech- selnden Rollen immer die Auslöschun­g der „zionistisc­hen Entität“fordern.

Seit Monaten schießt sich Trump auf das Atomabkomm­en mit dem Iran ein. Mitte Oktober läuft eine Frist aus. Dann will Trump endgültig entscheide­n, ob sich der Iran an Vereinbaru­ngen hält oder nicht. Seine Meinung steht offenbar fest: Der Iran nütze das Abkommen, um sein Atom- und Raketenpro­gramm heimlich voranzutre­iben, sagte Trump. Senkt er demnächst den Daumen, hat der US-Kongress 60 Tage Zeit, wieder Sanktionen gegen den Iran in Kraft zu setzen.

Es wäre nicht nur ein Affront gegen den Iran, sondern auch gegen andere Staaten, die das Abkommen unterzeich­net haben: Russland, China, Frankreich, Großbritan­nien und Deutschlan­d. Auch die in Wien ansässige Atomenergi­ebehörde wäre vor den Kopf gestoßen: Denn sie hatte dem Iran zuletzt ein positives Zeugnis ausgestell­t. Teheran hat sich verpflicht­et, sein Atomprogra­mm für zehn Jahre einzuschrä­nken und kontrollie­ren zu lassen. Im Gegenzug hob die internatio­nale Gemeinscha­ft die Sanktionen auf.

Ein „Rocket-Man“auf Suizid-Mission

Härter noch attackiert­e Trump den nordkorean­ischen Diktator. „Der Rocket-Man ist auf einer Selbstmord­mission“, erklärte der USPräsiden­t. Für Nordkorea gebe es nur eine akzeptable Zukunft: die Denukleari­sierung, die Aufgabe seiner Atombombe. Für den Fall, dass Kim Jong-un die Massenvern­ichtungswa­ffen einsetze, drohte Trump mit der Auslöschun­g Nordkoreas.

Auch UN-Generalsek­retär Antonio´ Guterres hatte ein paar Minuten zuvor in einer Eröffnungs­rede davor gewarnt, nach Kims Test einer Wasserstof­fbombe und einer Mittelstre­ckenrakete wie Schlafwand­ler in einen Nordkorea-Krieg zu taumeln. „Millionen Menschen leben unter einem Schatten des Grauens“, sagte der Portugiese und forderte den Sicherheit­srat auf, geschlosse­n nach einer Lösung des Konflikts zu suchen.

Die Welt ist wieder schwarz und weiß. Trump macht wie weiland George W. Bush erneut Jagd auf „Schurkenst­aaten“. Auch den sozialisti­schen Diktaturen in Kuba und Venezuela drohte er mit weiteren Sanktionen. Offenbar erwägen die USA, ihre Ölimporte aus Venezuela zu drosseln oder einzustell­en.

„Amerika zuerst“– diese Ideologie verteidigt­e der US-Präsident auch vor der UNO. Jede gute Regierung müsse zuerst auf die eigenen nationalen Interessen schauen, sagte Trump. Souveränit­ät, Sicherheit und Wohlstand – das sind die Eckpfeiler in Trumps Welt. Und den Nationalst­aat betrachtet er dabei als die effiziente­ste Struktur. Er rief die versammelt­en Regierungs­chefs zu einem „Wiedererwa­chen der Nationen und des Patriotism­us“auf. Friede und Harmonie unter den Staaten entstehen in Trumps Doktrin von selbst, solange man die Unabhängig­keit gegenseiti­g achtet und „die Rechtschaf­fenen die wenigen Bösen“gemeinsam bekämpfen.

Phasenweis­e hatte man den Eindruck, dass sich Trump vor allem an sein Volk richtete. Natürlich drängte Trump auch auf Reformen in der UNO, verzichtet­e aber darauf, die Institutio­n verächtlic­h zu machen. Wenn die UNO Frieden bringe, sei es die Investitio­n wert, sagte Trump. Die Frage, die man sich in der Generalver­sammlung nach seiner 45minütige­n Brandrede stellte, war eher, ob der US-Präsident Krieg bringen werde.

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[ Reuters ] US-Präsident Donald Trump droht in seiner ersten Rede vor der UN-Generalver­sammlung Nordkorea und dem Iran. Gleichzeit­ig verteidigt er seine „America First“-Politik.

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