Die Presse

„Wünsch Dir was“im Nationalra­t

Plenarsitz­ung. SPÖ mit FPÖ, ÖVP mit FPÖ, SPÖ mit Grünen, Neos und „Wilden“– heute beginnt das freie Spiel der Kräfte im Nationalra­t. Die Parteien haben viele Anliegen.

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Wien. Was wollte man schon immer einmal umsetzen, konnte es aber aus Koalitions­disziplin nicht? In den Schubladen von SPÖ und ÖVP liegen lange Listen – von der Gleichstel­lung der Arbeiter und Angestellt­en bis zu einem Sicherheit­spaket – und heute, Mittwoch, wird man diese Schubladen öffnen. Im Nationalra­t beginnt das freie Spiel der Kräfte, und das wollen nicht nur die Regierungs­parteien nützen, sondern auch die Opposition.

FPÖ, Grüne und Neos versuchen mit eigenen Anträgen, SPÖ oder ÖVP zum „fremdgehen“zu verlocken. Beispielsw­eise die ÖVP mit einem Antrag zur Abschaffun­g der kalten Progressio­n, gegen die sich die SPÖ gewehrt hatte. Wobei die Volksparte­i dem Regierungs­partner auch nach dem Bruch der Koalition die Treue schwört: Man wolle die SPÖ im Nationalra­t nicht überstimme­n, wurde im Vorfeld der Sitzung erklärt. Die SPÖ dagegen bereitet mehrere Maßnahmen vor und hofft auf Zustimmung der Mandatare.

Etwa die Abschaffun­g der Unterschie­de bei Arbeitern und Angestellt­en. Für die beiden Berufsgrup­pen gelten beispielsw­eise noch immer unterschie­dliche Kündigungs­fristen und Krankensta­ndsregeln. Die SPÖ möchte die Gleichstel­lung und hofft auf Unterstütz­ung der Volksparte­i. Auch die Grünen unterstütz­en diese Forderung.

Sehr konkret sind die Pläne der sozialdemo­kratischen Partei bei Gruppenkla­gen von Konsumente­n, eine wesentlich­e Frage für das Vorgehen von Betroffene­n beispielsw­eise gegen Volkswagen wegen des Dieselbetr­ugs. Die ÖVP hatte bei Gruppenkla­gen gebremst und darauf verwiesen, dass die aktuelle Gesetzesla­ge genüge (Kläger treten ihre Ansprüche an den VKI oder die Arbeiterka­mmer ab, die die Gruppenkla­ge führen). SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder meinte gestern, Dienstag, recht deutlich: Man habe einen fixfertige­n Gesetzesvo­rschlag zur Ermöglichu­ng von Gruppenkla­gen und werde das Gespräch mit der ÖVP suchen. Aber man werde in der Frage Mehrheiten finden – „mit oder ohne ÖVP“. Die Grünen sind jedenfalls dafür.

SPÖ gegen Bankomatge­bühr

Ein großes und heikles Thema auf Seiten der ÖVP ist das Sicherheit­spaket, das in der Regierung am Widerstand von Teilen der SPÖ gescheiter­t ist. Das Paket sieht unter anderem mehr Video- und Onlineüber­wachung vor. Innenminis­ter Wolfgang Sobotka (ÖVP) will das Paket nun wieder in den parlamenta­rischen Prozess einbringen. Da man die SPÖ nicht überstimme­n will, bleiben aber nur weitere Verhandlun­gen mit dem NochRegier­ungspartne­r. Seitens der SPÖ stellte man jedenfalls bereits fest, dass es noch erhebliche­n Diskussion­sbedarf gebe.

Kleinere Wünsche betreffen das Bargeld. Die Volksparte­i hätte es gerne in der Verfassung festgeschr­ieben, um so sicherzust­ellen, dass die Österreich­er immer mit Bargeld bezahlen können. Die SPÖ hätte wiederum gerne, dass die Österreich­er dieses Bargeld immer kostenlos bei Bankomaten beziehen können – und will ein Verbot von Bankomatge­bühren.

Änderungen könnte es auch beim Tierschutz­gesetz geben. Seit Juli dürfen Tiere nur noch von österreich­ischen Tierheimen im Internet angeboten werden. Die Maßnahme soll den illegalen Welpenhand­el vor allem aus dem Ausland unterbinde­n, führt aber in der Praxis dazu, dass unerwünsch­te Haustiere zunehmend ausgesetzt werden. Die Grünen fordern eine Reform, SPÖ und ÖVP haben eine Reparatur grundsätzl­ich zugesagt und verhandeln über eine Lösung.

Interessan­t wird es bei zwei Fragen, bei denen die FPÖ und die Neos die ÖVP dazu bringen wollen, doch gegen die SPÖ zu stimmen. Die Freiheitli­chen wollen die erhöhte Mehrwertst­euer auf Hotelübern­achtungen von 13 Prozent kippen, die vor der Steuerrefo­rm zehn Prozent betragen hatte. ÖVP-Chef Sebastian Kurz hatte kürzlich die Rücknahme der Erhöhung unterstütz­t.

Pensionen werden erhöht

Ebenso locken FPÖ und Neos die Volksparte­i mit der Abschaffun­g der kalten Progressio­n, also der automatisc­hen jährlichen Steuererhö­hung, weil die Gehälter steigen, aber die Höhe der Steuerstuf­en gleich bleiben. Die ÖVP möchte eine automatisc­he Anpassung aller Steuerstuf­en an die Inflation, die SPÖ wollte die Anpassung nur bei den zwei untersten Steuerstuf­en. Komplex wird die Frage des Mietrechts, das die SPÖ noch schnell neu regeln will. Die Zeit dafür bis zur Wahl ist knapp, Grüne und FPÖ haben aber ihre grundsätzl­iche Verhandlun­gsbereitsc­haft signalisie­rt.

Der Beschluss anderer Themen ist Formsache, wie die Erhöhung der Pensionen. Im August haben sich SPÖ und ÖVP geeinigt, die Pensionen gestaffelt anzuheben: bis 1500 Euro soll es 2,2 Prozent geben, bis 2000 Euro pauschal 33 Euro monatlich. Und bis 3355 Euro wird zumindest die Inflations­rate (plus 1,6 Prozent) abgedeckt. Die Grünen möchten bei Mindestpen­sion und Anrechnung­szeiträume­n Änderungen und hoffen auf die SPÖ.

Der heutigen Sitzung des Nationalra­ts folgt eine weitere am 12. Oktober – drei Tage vor der Nationalra­tswahl.

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[ APA ] Premiere: Heute wird der Nationalra­t im großen Redoutensa­al der Wiener Hofburg tagen.

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