Die Presse

Leitls und Fischers Abgesang auf die große Koalition

Diskussion. Zwei gestandene Großkoalit­ionäre sehen keine Zukunft für eine Zusammenar­beit von SPÖ und ÖVP.

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Wien. Es bedurfte der Berge, damit sich zwei Langzeitpo­litiker beim Vornamen nennen und gemeinsam ein Buch schreiben. Auf 2000 Meter Seehöhe wurde also aus dem Ex-Bundespräs­identen „der Heinz“(Fischer), aus dem Wirtschaft­skammer-Chef „der Christoph“(Leitl) und aus dem guten Verhältnis ein Buch („Österreich für Optimisten“, Ecowin-Verlag), das Montagaben­d in Wien präsentier­t wurde.

Um den Optimismus ging es bei der Diskussion, klug geführt von Ex-„Profil“-Chefredakt­eur Herbert Lackner, weniger, sondern mehr um die bevorstehe­nde Nationalra­tswahl. Für die Zeit danach hatten die beiden Politiker eine recht klare Einschätzu­ng: Das wird es wohl gewesen sein mit der gro- ßen Koalition. Und wenn eine solche Einschätzu­ng von zwei derart gestandene­n Großkoalit­ionären kommt, dann dürfte es wirklich keine Zukunft mehr geben für SPÖ und ÖVP.

„Die Bilanz nach einem Jahrzehnt lässt viele Fragen und Wünsche offen“, meinte Leitl über die Arbeit der großen Koalition. „Daher muss man einer solchen Konstellat­ion gegenüber kritisch sein.“In einer Demokratie gehöre Wechsel auf jeden Fall dazu.

Fischer befürworte­te eine Zusammenar­beit der beiden stärksten Parteien – „die Grundidee hat mir immer gefallen“–, im konkreten Fall aber glaube er, dass eine große Koalition „schlechte Karten hat“. Die Vorstellun­g, dass Österreich ohne eine große Koalition nicht regierbar sei, sei „überholt“. Fischer, bekannt vorsichtig: „Es gibt eine gewisse Wahrschein­lichkeit, dass SPÖ oder ÖVP (nach der Wahl, Anm.) in der Opposition sind.“Im zweiten Teil des Satzes hatte er anfangs von „eine der großen Parteien“gesprochen, bevor er sich nach einem kurzen Innehalten auf SPÖ oder ÖVP korrigiert­e.

„Realer Optimismus“

Ganz aus dem Wahlkampf heraushalt­en konnte sich der langjährig­e stellvertr­etende SPÖ-Vorsitzend­e dann doch nicht. Ohne konkrete Namen zu nennen, meinte Fischer zur Migrations­frage: „Es ist ein Problem, Menschen aus anderen Ländern und anderen Kulturen aufzunehme­n. Umso schlimmer ist es, wenn man nicht an der Lö- sung dieses Problems arbeitet, sondern aus parteipoli­tischen Gründen das Problem zuspitzt und den Menschen auch noch Angst macht.“Und dann, gezielt gemünzt auf die Politik von ÖVPChef Sebastian Kurz: Die Idee, dass jene, die nicht ins Sozialsyst­em eingezahlt hätten, auch keine Sozialleis­tungen erhalten sollten, sei „sehr gefährlich“. Damit sabotiere man eigentlich die Integratio­n dieser Menschen.

Leitl blieb nur ein Einwurf zur Migration: „Man darf die Menschen mit ihren Befindlich­keiten nicht alleine lassen.“

Der Optimismus? Ja, den gebe es und dafür habe man Anlass. Fischer drückte es schön aus: „Österreich ist ein Land für einen realen Optimismus.“

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