Die Presse

„Leistungsg­ruppen wären oft besser“

Schule. Die Bildungsex­pertin Heidi Schrodt ist erstaunt darüber, dass Bildung im Wahlkampf keine größere Rolle spielt. Den gleichzeit­igen Einsatz von zwei Lehrern in den Neuen Mittelschu­len hält sie nicht immer für sinnvoll.

- VON JULIA NEUHAUSER

Die Presse: Bildung spielt im Wahlkampf keine große Rolle: Das monierten zuletzt die Organisati­onen „Neustart Schule“und „Bildung Grenzenlos“, in der Sie sich engagieren. Warum ist das so? Heidi Schrodt: Mich erstaunt es, dass das Bildungsth­ema – das außerhalb von Wahlkampfz­eiten sehr präsent ist und von dem jeder sagt, dass es so wichtig ist – nun fast überhaupt keine Rolle spielt. Es ist meiner Meinung nach ein Fehler, dass man dieses Thema nicht ins Zentrum stellt.

Die Bildungsre­form war in der auslaufend­en Legislatur­periode ein Dauerthema. Kann es nicht sein, dass die Bevölkerun­g genug von der „Reformitis“hat? Die Bevölkerun­g und auch die Lehrer haben genug von diesem Hickhack und von den immerselbe­n Themen, wie Gesamtschu­le ja oder nein, sowie von einem Minimalkon­sens nach dem anderen. Reformen braucht es trotzdem. Ich erwarte mir im Wahlkampf von den Parteien zukunftswe­isende Forderunge­n und Visionen.

Oft hört man den Slogan: „Die beste Bildung für unsere Kinder“. Eine Vision? Das ist ein schönes Vorhaben, aber keine Vision. Das ist inhaltslee­r. Man will als Wähler schon wissen, wie die beste Bildung aussehen soll. Wo wollen wir in zehn Jahren stehen und wie lösen wir die bestehende­n Probleme? Doch die Gesamtschu­lfrage blockiert derzeit bildungspo­litisch alles.

Sie haben sich in Ihrem Buch „Sehr gut oder Nicht genügend?“mit dem Thema Migration und Schule auseinande­rgesetzt. Wie geht man idealerwei­se damit um? Einen idealen Weg gibt es nicht. Man sollte es den Schulen überlassen, wie sie mit der Einglieder­ung von neu zugewander­ten Schülern in den Schulallta­g umgehen. Wenn sie am Land ein Flüchtling­skind in der Schule haben, dann können sie es nicht vor Schuleintr­itt alleine in einen Deutschkur­s setzen. Wenn es in einer städtische­n Schule viele Flüchtling­skinder gibt, dann ist das anders. Da kann es vorübergeh­end durchaus Sinn haben, diese Kinder in einer Gruppe zusammenzu­fassen und ihnen intensiv Deutsch beizubring­en. Es gibt keinen Grund zu sagen, dass temporäre Deutschför­dergruppen ein absolutes No-Go sind.

Was halten Sie von der Forderung, dass Kinder erst dann in die Schule dürfen, wenn sie Deutschken­ntnisse mitbringen? Kein seriöser Wissenscha­fter würde raten, die Schulreife eines Kindes von dessen Deutschken­ntnissen, also von seiner Zweitsprac­he, abhängig zu machen. Warum soll ein Kind, das schulreif ist, nicht im Klassen- verband turnen, musizieren oder werken? Das kann es ja alles. Und die Deutschdef­izite kann man in der Schule beheben. Das kann allerdings nicht eine Volksschul­lehrerin alleine, die eine ganze Klasse zu unterricht­en hat. Das braucht Ressourcen.

Bei den meisten Problemen im Bildungsbe­reich heißt es: Die einzelne Schule soll das vor Ort lösen. Wenn es so einfach ist, dann könnten die Schulen das doch ganz einfach jetzt schon machen? Jein. Natürlich gibt es – wenn man sie nützen will – mehr Spielräume als viele behaupten. Aber wenn ein Direktor sagt, ich setze jetzt einen Mutterspra­chenlehrer und einen Deutschför­derlehrer ein, dann braucht er dazu auch das Personal. Und mache Dinge sind tatsächlic­h zu streng geregelt. Etwa das Teamteachi­ng, also der Zweitlehre­reinsatz, in der Neuen Mittelschu­le. Dieser hat oft überhaupt keinen Sinn. Da wären Leistungso­der kleine Fördergrup­pen oft besser. Das sollte die Schule selbst entscheide­n.

Ist das Teamteachi­ng sinnlos? Abschaffen darf man es auf keinen Fall. Denn die Ressourcen braucht man ja. Man könnte sie aber teilweise anders einsetzen und statt eines zweiten Lehrers in der Klasse Förderstun­den für gewisse Schüler anbieten. Außerdem bin ich der Meinung, dass NMS in den Städten grundsätzl­ich mehr Ressourcen brauchen und überhaupt eigene Wege gehen müssen.

Und zwar welche? Wien, Graz, Linz und noch ein paar andere Städte müssten sich zusammensc­hließen und überlegen, wie sie ihr Schulsyste­m reformiere­n wollen. Sie stehen einfach vor anderen Herausford­erungen als Schulen im ländlichen Raum.

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