„Leistungsgruppen wären oft besser“
Schule. Die Bildungsexpertin Heidi Schrodt ist erstaunt darüber, dass Bildung im Wahlkampf keine größere Rolle spielt. Den gleichzeitigen Einsatz von zwei Lehrern in den Neuen Mittelschulen hält sie nicht immer für sinnvoll.
Die Presse: Bildung spielt im Wahlkampf keine große Rolle: Das monierten zuletzt die Organisationen „Neustart Schule“und „Bildung Grenzenlos“, in der Sie sich engagieren. Warum ist das so? Heidi Schrodt: Mich erstaunt es, dass das Bildungsthema – das außerhalb von Wahlkampfzeiten sehr präsent ist und von dem jeder sagt, dass es so wichtig ist – nun fast überhaupt keine Rolle spielt. Es ist meiner Meinung nach ein Fehler, dass man dieses Thema nicht ins Zentrum stellt.
Die Bildungsreform war in der auslaufenden Legislaturperiode ein Dauerthema. Kann es nicht sein, dass die Bevölkerung genug von der „Reformitis“hat? Die Bevölkerung und auch die Lehrer haben genug von diesem Hickhack und von den immerselben Themen, wie Gesamtschule ja oder nein, sowie von einem Minimalkonsens nach dem anderen. Reformen braucht es trotzdem. Ich erwarte mir im Wahlkampf von den Parteien zukunftsweisende Forderungen und Visionen.
Oft hört man den Slogan: „Die beste Bildung für unsere Kinder“. Eine Vision? Das ist ein schönes Vorhaben, aber keine Vision. Das ist inhaltsleer. Man will als Wähler schon wissen, wie die beste Bildung aussehen soll. Wo wollen wir in zehn Jahren stehen und wie lösen wir die bestehenden Probleme? Doch die Gesamtschulfrage blockiert derzeit bildungspolitisch alles.
Sie haben sich in Ihrem Buch „Sehr gut oder Nicht genügend?“mit dem Thema Migration und Schule auseinandergesetzt. Wie geht man idealerweise damit um? Einen idealen Weg gibt es nicht. Man sollte es den Schulen überlassen, wie sie mit der Eingliederung von neu zugewanderten Schülern in den Schulalltag umgehen. Wenn sie am Land ein Flüchtlingskind in der Schule haben, dann können sie es nicht vor Schuleintritt alleine in einen Deutschkurs setzen. Wenn es in einer städtischen Schule viele Flüchtlingskinder gibt, dann ist das anders. Da kann es vorübergehend durchaus Sinn haben, diese Kinder in einer Gruppe zusammenzufassen und ihnen intensiv Deutsch beizubringen. Es gibt keinen Grund zu sagen, dass temporäre Deutschfördergruppen ein absolutes No-Go sind.
Was halten Sie von der Forderung, dass Kinder erst dann in die Schule dürfen, wenn sie Deutschkenntnisse mitbringen? Kein seriöser Wissenschafter würde raten, die Schulreife eines Kindes von dessen Deutschkenntnissen, also von seiner Zweitsprache, abhängig zu machen. Warum soll ein Kind, das schulreif ist, nicht im Klassen- verband turnen, musizieren oder werken? Das kann es ja alles. Und die Deutschdefizite kann man in der Schule beheben. Das kann allerdings nicht eine Volksschullehrerin alleine, die eine ganze Klasse zu unterrichten hat. Das braucht Ressourcen.
Bei den meisten Problemen im Bildungsbereich heißt es: Die einzelne Schule soll das vor Ort lösen. Wenn es so einfach ist, dann könnten die Schulen das doch ganz einfach jetzt schon machen? Jein. Natürlich gibt es – wenn man sie nützen will – mehr Spielräume als viele behaupten. Aber wenn ein Direktor sagt, ich setze jetzt einen Muttersprachenlehrer und einen Deutschförderlehrer ein, dann braucht er dazu auch das Personal. Und mache Dinge sind tatsächlich zu streng geregelt. Etwa das Teamteaching, also der Zweitlehrereinsatz, in der Neuen Mittelschule. Dieser hat oft überhaupt keinen Sinn. Da wären Leistungsoder kleine Fördergruppen oft besser. Das sollte die Schule selbst entscheiden.
Ist das Teamteaching sinnlos? Abschaffen darf man es auf keinen Fall. Denn die Ressourcen braucht man ja. Man könnte sie aber teilweise anders einsetzen und statt eines zweiten Lehrers in der Klasse Förderstunden für gewisse Schüler anbieten. Außerdem bin ich der Meinung, dass NMS in den Städten grundsätzlich mehr Ressourcen brauchen und überhaupt eigene Wege gehen müssen.
Und zwar welche? Wien, Graz, Linz und noch ein paar andere Städte müssten sich zusammenschließen und überlegen, wie sie ihr Schulsystem reformieren wollen. Sie stehen einfach vor anderen Herausforderungen als Schulen im ländlichen Raum.