„Ende der Trachtenpärchenlogik“
Postenschacher. Die Industriellenvereinigung ärgert sich über koalitionäre Postenvergaben vor der Wahl und plädiert für einen Gesetzesstopp nach Regierungsauflösung.
Wien. „Augenscheinlich und plump“: So nennt der Generalsekretär der Industriellenvereinigung, Christoph Neumayer, den koalitionären Postenschacher, der vor der Nationalratswahl ausgebrochen ist und mit dem sich die beiden Regierungsparteien noch schnell wichtige Posten sichern und/ oder verdiente Mitarbeiter versorgen wollen. Es gehe um dutzende Fälle, sagt Neumayer im Gespräch mit der „Presse“. Besonders ärgern die Industriellen aber die anstehende Ernennung der Chefs der Finanzmarktaufsicht (FMA) und die Vorgänge um die Ausschreibung der Geschäftsführung des Arbeitsmarktservice Niederösterreich. Solche Vorgänge müsse man vermeiden, wenn man seriöse Politik machen wolle, so Neumayer.
In der FMA sollen nach der großkoalitionären „Trachtenpärchenlogik“(Neumayer) die beiden Chefs Helmut Ettl (SPÖ) und Klaus Kumpfmüller (ÖVP) verlängert werden. Damit diese Logik nicht vom Wahlausgang vermasselt wird, soll die Bestellung der beiden noch schnell vor der Wahl heute, Mittwoch, durch den Ministerrat gepeitscht werden. Im Vorfeld war das allerdings nicht mehr ganz sicher: Es gab offenbar Unstimmigkeiten innerhalb der ÖVP und die Aussage des Bundespräsidenten, vor der Wahl keine Ernennungsurkunden mehr unterschreiben zu wollen, soll den Elan ebenfalls gebremst haben.
Für Neumayer zeigt der Versuch, die Bestellung ohne zwingende Notwendigkeit noch vor der Wahl zu fixieren, „dass eine gewisse Nervosität eingekehrt ist“. Die Eile sei unnötig. Das gelte auch für die Neuordnung der FMA selbst (siehe Artikel unten), die „sehr zaghaft“vorgenommen werde. Man habe sich von vier diskutierten Modellen dasjenige ausgewählt, das die geringsten Auswirkungen auf die FMA habe.
Unnötige Postenschacherei sieht die Industrie auch bei der Besetzung der Geschäftsführung des Arbeitsmarktservice Niederösterreich. Per 1. Juli kommenden Jahres werden die Geschäftsführungen aller AMSLandesstellen neu besetzt. Die Ausschreibungen laufen. Für Niederösterreich, wo die stellvertretende Geschäftsführerin zum Jahresende in den Ruhestand geht, hatten die AMS-Gremien vereinbart, die Stelle bis zur Neubesetzung vakant zu lassen. Daraufhin hat das Sozialministerium einen Sonderbeschluss fassen lassen, um die Stelle gesondert auszuschreiben. Was Neumayer nobel verschweigt, aber die Polit-Spatzen von den Dächern pfeifen: Die Ausschreibung soll gut auf einen Kandidaten von Sozialminister Alois Stöger passen.
Keine Gesetze in Vorwahlzeiten
Um solche Vorwahl-Aktionen abzustellen, vor allem aber um den Beschluss teurer Wahlgeschenke durch das Parlament zu verhindern, plädieren die Industriellen dafür, künftig Großbritannien und Australien zum Vorbild zu nehmen: Dort dürfen in der Zeit zwischen Neuwahlbeschluss und Neuwahlen keine Gesetze mehr beschlossen werden.
Neumayer fürchtet in diesem Zusammenhang besonders, dass vor der Wahl noch schnell – und unüberlegt – die von beiden Regierungsparteien angekündigte rechtliche Angleichung von Angestellten und Arbeitern umgesetzt wird. Grundsätzlich sei die Angleichung zwar argumentierbar, in der diskutierten Form würde das al- lein die Industrie einen dreistelligen Millionenbetrag kosten. Und: Die Entgeltfortzahlung für Kleinbetriebe solle in diesem Fall aus den Überschüssen des Insolvenzentgeltsicherungsfonds finanziert werden, was die versprochene Lohnnebenkostensenkung konterkariere. Vorgesehen wäre für diesen Fall eigentlich eine Beitragssenkung.