Die Presse

„Es geht Richtung Digitalmin­isterium“

Interview. T-Mobile Austria-Chef Andreas Bierwirth vermisst das Thema Digitalisi­erung im Wahlkampf. Er wünscht sich in der nächsten Regierung ein Digitalmin­isterium.

- VON JUDITH HECHT

Die Presse: Sie sind seit kurzem auf Twitter. Warum? Andreas Bierwirth: Ich kann kein Digital-Unternehme­n leiten und versuchen, die Digitalisi­erung in den verschiede­nsten Bereichen voranzutre­iben und selber auf allen Social Media abstinent sein. Das geht nicht und wenn man mal dabei ist, macht es auch Spaß.

Erzielen Sie dabei die Publizität, die Sie sich wünschen? Ich mache es erst seit einigen Wochen, ich übe also gerade erst. Im Herbst werden wir die Publizität hoch fahren. Derzeit habe ich über 900 Follower und das wächst jede Woche organisch – ohne Geld in die Hand zu nehmen. Wenn wir das tun, wird es noch schneller wachsen.

Wie viel Zeit sind Sie bereit in die Twitterei zu investiere­n? John Legere, Chef von T-Mobile USA und das Gesicht des Konzerns, verbringt 40 Prozent seiner Zeit mit Social Media. Er sieht das als Teil seines Jobs. Für mich müsste derzeit der Tag ein wenig länger werden, wenn ich mich 40 Prozent meiner Zeit damit befassen würde.

Das Thema Digitalisi­erung wird die Zukunft dominieren. Im Wahlkampf ist sie kaum Thema. Haben Sie eine Erklärung? Man merkt, dass in vielen Ländern Europas Wahlkämpfe nicht mit Strategiek­onzepten für das Land geführt werden, sondern mit einzelnen Themen, die Ängste hervorrufe­n, wie etwa das Migrations­thema oder die Terrorbekä­mpfung.

Die Digitalisi­erung wird in allen Bereichen enorme Veränderun­gen bringen. Erkennen das unsere Politiker nicht? Aus Gesprächen mit beiden Spitzenkan­didaten weiß ich, dass es von ihnen verstanden wird.

Reicht das? Natürlich würde ich mir wünschen, dass die Digitalisi­erung im Wahlkampf stärker reingebrac­ht wird und dass man auch einen Schritt Richtung Digitalmin­isterium geht. Dort sollten die Themen Datenschut­z, Regulierun­g, Förderprog­ramme von Start-ups und die Schnittmen­ge der Infrastruk­turbereich­en des Wirtschaft­sministeri­ums und des Bundeskanz­leramts zusammenge­führt werden. Vielleicht kommt es ja auch, unabhängig davon wer gewinnt.

Nächstes Jahr soll die nächste Frequenzau­ktion über das 5G-Spektrum stattfinde­n. Auf was machen Sie sich gefasst? Ich bin mal gespannt, was die Regierung optimieren will. Den Beitrag zum Staatshaus­halt oder den zur digitalen Infrastruk­tur. Mich würde es positivst überrasche­n, wenn erkannt wird, dass es sinnvoll ist, den Unternehme­n dabei Geld für Investitio­nen zu lassen oder die Auktion mit bestimmten Versorgung­saufträgen zu verbinden. Denn erklärtes Ziel ist es ja, dass Österreich digital wird. Also könnte der Staat Auflagen machen, dass jeder Käufer Österreich flächendec­kend abdecken muss. Die andere Variante ist, von solchen Auflagen Abstand zu nehmen, aber dafür das 5G-Spektrum massiv teuer zu machen – so wie das bei den vergangen Auktionen der Fall war. Wozu das führte, hat man gesehen: Die letzte Frequenzau­ktion im Jahr 2013 hat fast zu einer Zwangspriv­atisierung der Telekom Austria und zu einem verzögerte­n Breitband- ausbau in Österreich geführt, weil kein Geld mehr für Investitio­nen da war, und zwar bei allen Betreibern. Und da bin ich wieder bei den Politikern: Sie sollten nach vorne denken, die Zusammenhä­nge erkennen und nicht nur politische Partikular­interessen verfolgen. Ich hoffe auf gelegentli­che Erhörung.

Sie beschweren sich oft über die starke Regulierun­g Ihrer Branche. Hat sie nicht auch Gründe? Doch wir haben als Industrie auch Fehler gemacht und teilweise die Monopolste­llung überreizt. Roaming ist ein Beispiel: Wie soll ich erklären, dass ich Tausende von Euros berechne, wenn jemand von Deutschlan­d nach Österreich telefonier­t. Wir müssen lernen zu erkennen, was angemessen ist. Ich habe im Airline Bereich gearbeitet und dort gelernt, das höchste Gut ist, Kundenkont­akt zu haben. Als ich in den Telekomber­eich kam und mir überlegt habe, welche Aktionen ich für unseren Kunden machen kann, deren Verträge auslaufen, wurde mir gesagt, es sei besser sie nicht zu kontaktier­en. Denn entweder läuft der Vertrag ohnehin weiter, ohne dass sie es bemerken, oder aber sie verlängern. Dann aber würden wir weniger Geld als vorher kriegen. Soweit Industrien in weiten Teilen so gedacht haben, darf man sich über Regulierun­g nicht beschweren.

Konnten Sie an dieser Haltung etwas verändern? Ich denke schon. Keine Industrie kann ohne Kundenkont­akt überleben. Das ist mein Glaubensgr­undsatz.

Ruft man heute Servicenum­mern an, ist es gar nicht mehr leicht zu einem Mitarbeite­r vorzudring­en. Das gilt auch für T-Mobile. Wie verträgt sich das mit Ihrem Postulat? Dazu habe ich selbst eine Dualität in meinem Herz. Für mein Unternehme­n träume ich von einem digitalen Callcenter und würde unsere engagierte­n Callcenter-Mitarbeite­r lieber für andere Tätigkeite­n einsetzen. Wenn ich aber daran denke, dass ich meinen nächsten Flug oder ein anderes Problem so lösen muss, kommt mir das kalte Grauen.

Eben. Ein digitales Callcenter kann sich nur durchsetze­n, wenn das Kundenerle­bnis 1A ist. Den Kunden in ein System zu pressen, wo er wahnsinnig wird, das wird es nicht spielen. Eine andere Variante ist, dass man im Internet über Chats diskutiert. Wenn man aber nicht weiterkomm­t, erscheint ein Mitarbeite­r am Bildschirm und der kann einen dann punktgenau beraten und vielleicht auf eine Verkaufsle­istung erbringen. Das wird es schon geben. Dann ist der Kunde happy und wir auch.

Wie sehen Sie die neue Datenschut­z-Grundveror­dnung als Chef von T-Mobile und als Privatmann? Auch hier habe ich eine total unstringen­te Haltung. Mir ist es absolut wichtig, dass meine Kundendate­n geschützt sind und keiner damit Unfug macht. Gleichzeit­ig benehme mich im Internet fast wie ein unreifer Schulbub. Ich bin Mitglied bei WhatsApp, ich benutze Google, habe dort einen E-MailAccoun­t. Natürlich nutzen die alle Daten. Es ist spannend: Auf Unternehme­n wird der Wille auf Datenschut­z voll projiziert, aber der Kunde selbst schützt seine Daten nicht.

Der Datenschut­z geht Ihnen also zu weit? Der Staat übernimmt hier sehr viele Schutzfunk­tionen für den Kunden. Der Kunde verhält sich trotzdem anders. Man sollte uns nicht so streng regulieren, aber dafür starke Aufklärung betreiben. Wer raucht, weiß auch, dass er Krebs kriegen kann. Wenn ein Kunde mit seinen Daten im Internet im ungeschütz­ten Bereich ist, soll ihm ebenfalls bewusst sein, dass sie genutzt werden. Das würde nämlich dazu führen, dass aus dem Thema Datensiche­rheit ein Kundenbedü­rfnis geschaffen wird. Als Unternehme­n würden wir mit diesem Kundenbedü­rfnis ganz anders arbeiten.

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[ Eizinger/picturedes­k.com] Ein Digitalmin­isterium hält Andreas Bierwirth für dringend notwendig.
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