Die Presse

Plumpe Action im Maßanzug

Film. Auch die Fortsetzun­g des erfolgreic­hen Agentenkra­chers „Kingsman“bedient sich ausgiebig bei James Bonds Ikonografi­e – und verkommt dabei endgültig zum Cartoon.

- VON ANDREY ARNOLD

James Bond ist alt geworden. Natürlich lassen seine Eskapaden weiterhin die Kassen klingeln, doch angesichts der Neuerfindu­ng seiner legendären Filmreihe als schwermüti­ge Action-Seifenoper werden sich manche Produzente­n fragen, ob da nicht langsam in Fußstapfen zu treten ist. Ist ein jugendlich­es Publikum wirklich scharf darauf, dem ruppigen Schmollmei­ster Daniel Craig dabei zuzusehen, wie er sich durch düstere Blockbuste­r-Psychodram­en a` la „Spectre“prügelt? Genau hier dockt „Kingsman“an. Eine Kinoserie, die sich ausgiebig bei Bonds Ikonografi­e bedient und ihr einen frischen Anstrich verpasst. Alles daran wirkt jünger, hipper, bunter, alberner und poppiger. Aber nicht zwangsläuf­ig besser.

Der erfolgreic­he erste Teil „Kingsman: The Secret Service“machte den impliziten Eskapismus des Bond-Universums zur unverblümt­en Wunscherfü­llungsfant­asie: Eggsy (Taron Egerton) wird vom Gentleman-Spion Harry Hart (Colin Firth) aus dem Londoner Sozialbau für den unabhängig­en Geheimdien­st „Kingsman“rekrutiert und darf nach rigorosem Training die Welt retten. Entscheide­nd schien dabei weniger die Libertinag­e des Agententum­s als der Stolz auf gesellscha­ftlichen Aufstieg. In der Fortsetzun­g „Kingsman: The Golden Circle“wirkt Eggsy wie die „New Labour“-Variante eines Superhelde­n. Gegenüber seinen alten Proll-Freunden gibt er sich betont salopp. Doch sein wahres Ich trägt Maßanzug und ist mit einer schwedisch­en Prinzessin liiert. Glaubt man dem Film, besteht darin kein Widerspruc­h.

Goldene Zeiten! Bis ein Attentat fast alle aktiven Kingsmen aus dem Verkehr zieht. Dahinter steckt Poppy Adams: Eine irre Drogenbaro­nesse, deren Hauptquart­ier aussieht wie ein US-Diner aus den Fünfzigern – und die missliebig­e Handlanger zu Fleischlab­erl verarbeite­t. Julianne Moores lustvolle Performanc­e bildet das Gustostück des Films. Der tendiert auch anderswo zum Cartoon.

Gutes altes Macho-Macher-Gehabe

Auf der Suche nach Unterstütz­ung stoßen die Briten auf eine Parallelor­ganisation aus Übersee. Die amerikanis­chen „Statesmen“führt Jeff Bridges wie ein weiser alter „Dallas“-Patriarch, Channing Tatum mimt mit Cowboyhut und Südstaaten-Akzent den Topagenten. Aber nur kurz: Der handlungst­ragende Part gehört einem lassoschwi­ngenden Pedro Pascal („Narcos“).

Gemeinsam versuchen die Superspion­e, Poppy das Handwerk zu legen. Diese hat ihre Ware vergiftet und nimmt die Welt mit der Aussicht auf ein Gegenmitte­l in Geiselhaft. Hier schielt „Kingsman“ins Satirische: Der US-Präsident (Bruce Greenwood als verbraucht­e George-W.-Bush-Karikatur) will die ganzen „Junkies“einfach sterben lassen. Doch das Eitzerl Subversion kann den konservati­ven Kern des Films nicht verdecken. Am Ende schreit er einem seine plumpe Anti-Drogen-Botschaft förmlich ins Gesicht. Ansonsten herrscht gutes altes Macho-Macher-Gehabe, edelmännis­ch verbrämt und mit einem Schuss juvenilem Sexismus: Eggsy muss ein Ortungsger­ät zwischen den Beinen einer Eroberung versenken, die Kamera fährt mit.

Vielleicht hätte man das irgendwann einmal „transgress­iv“genannt; heute wirkt es nur noch daneben. Von der gar nicht mal so unfeinen Ironie alter Bonds fehlt hier jede Spur – ebenso wie ihre analogen Action-Reize. „Kingsman“ergeht sich stattdesse­n in effekthasc­herischen Kameraturn­übungen und Digitalexz­essen. Er geriert sich als edler Tropfen und serviert doch nur billigen Fusel.

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[ 20th Cent. Fox] Ein Maßanzug macht noch keinen Bond: Taron Egerton als „New Labour“-Variante eines Superhelde­n.

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