Plumpe Action im Maßanzug
Film. Auch die Fortsetzung des erfolgreichen Agentenkrachers „Kingsman“bedient sich ausgiebig bei James Bonds Ikonografie – und verkommt dabei endgültig zum Cartoon.
James Bond ist alt geworden. Natürlich lassen seine Eskapaden weiterhin die Kassen klingeln, doch angesichts der Neuerfindung seiner legendären Filmreihe als schwermütige Action-Seifenoper werden sich manche Produzenten fragen, ob da nicht langsam in Fußstapfen zu treten ist. Ist ein jugendliches Publikum wirklich scharf darauf, dem ruppigen Schmollmeister Daniel Craig dabei zuzusehen, wie er sich durch düstere Blockbuster-Psychodramen a` la „Spectre“prügelt? Genau hier dockt „Kingsman“an. Eine Kinoserie, die sich ausgiebig bei Bonds Ikonografie bedient und ihr einen frischen Anstrich verpasst. Alles daran wirkt jünger, hipper, bunter, alberner und poppiger. Aber nicht zwangsläufig besser.
Der erfolgreiche erste Teil „Kingsman: The Secret Service“machte den impliziten Eskapismus des Bond-Universums zur unverblümten Wunscherfüllungsfantasie: Eggsy (Taron Egerton) wird vom Gentleman-Spion Harry Hart (Colin Firth) aus dem Londoner Sozialbau für den unabhängigen Geheimdienst „Kingsman“rekrutiert und darf nach rigorosem Training die Welt retten. Entscheidend schien dabei weniger die Libertinage des Agententums als der Stolz auf gesellschaftlichen Aufstieg. In der Fortsetzung „Kingsman: The Golden Circle“wirkt Eggsy wie die „New Labour“-Variante eines Superhelden. Gegenüber seinen alten Proll-Freunden gibt er sich betont salopp. Doch sein wahres Ich trägt Maßanzug und ist mit einer schwedischen Prinzessin liiert. Glaubt man dem Film, besteht darin kein Widerspruch.
Goldene Zeiten! Bis ein Attentat fast alle aktiven Kingsmen aus dem Verkehr zieht. Dahinter steckt Poppy Adams: Eine irre Drogenbaronesse, deren Hauptquartier aussieht wie ein US-Diner aus den Fünfzigern – und die missliebige Handlanger zu Fleischlaberl verarbeitet. Julianne Moores lustvolle Performance bildet das Gustostück des Films. Der tendiert auch anderswo zum Cartoon.
Gutes altes Macho-Macher-Gehabe
Auf der Suche nach Unterstützung stoßen die Briten auf eine Parallelorganisation aus Übersee. Die amerikanischen „Statesmen“führt Jeff Bridges wie ein weiser alter „Dallas“-Patriarch, Channing Tatum mimt mit Cowboyhut und Südstaaten-Akzent den Topagenten. Aber nur kurz: Der handlungstragende Part gehört einem lassoschwingenden Pedro Pascal („Narcos“).
Gemeinsam versuchen die Superspione, Poppy das Handwerk zu legen. Diese hat ihre Ware vergiftet und nimmt die Welt mit der Aussicht auf ein Gegenmittel in Geiselhaft. Hier schielt „Kingsman“ins Satirische: Der US-Präsident (Bruce Greenwood als verbrauchte George-W.-Bush-Karikatur) will die ganzen „Junkies“einfach sterben lassen. Doch das Eitzerl Subversion kann den konservativen Kern des Films nicht verdecken. Am Ende schreit er einem seine plumpe Anti-Drogen-Botschaft förmlich ins Gesicht. Ansonsten herrscht gutes altes Macho-Macher-Gehabe, edelmännisch verbrämt und mit einem Schuss juvenilem Sexismus: Eggsy muss ein Ortungsgerät zwischen den Beinen einer Eroberung versenken, die Kamera fährt mit.
Vielleicht hätte man das irgendwann einmal „transgressiv“genannt; heute wirkt es nur noch daneben. Von der gar nicht mal so unfeinen Ironie alter Bonds fehlt hier jede Spur – ebenso wie ihre analogen Action-Reize. „Kingsman“ergeht sich stattdessen in effekthascherischen Kameraturnübungen und Digitalexzessen. Er geriert sich als edler Tropfen und serviert doch nur billigen Fusel.