Die Presse

Toys ’R’ Us ist pleite

Handel. Der weltgrößte Spielzeugh­ändler muss Insolvenz anmelden. Die Ursachen sind hohe Schulden und die übermächti­ge Onlinekonk­urrenz. Führt der schleichen­de Niedergang des US-Einzelhand­els zu einer neuen Immobilien­krise?

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USA. Der US-Spielzeugk­ette Toys ’R’ Us ist kurz vor dem Weihnachts­geschäft das Geld ausgegange­n. Am Montag beantragte das Unternehme­n im US-Staat Virginia Gläubigers­chutz. Die Aktivitäte­n außerhalb der USA und Kanada sind aber nicht Teil des Insolvenza­ntrags – die 15 Filialen in Österreich sind damit nicht betroffen, heißt es. In Deutschlan­d hat Toys ’R’ Us 66 Filialen.

Es handelt sich um eine der größten Insolvenze­n eines Fachhändle­rs in den USA. Immer weniger Kunden kamen zuletzt in die weltweit mehr als 1600 Toys ’R’ UsGeschäft­e. Stattdesse­n kauften sie das Spielzeug bei Amazon oder bei Billiganbi­etern. Im Rahmen der Chapter 11-Insolvenz hat Toys ’R’ Us einen Neukredit von über drei Mrd. Dollar erhalten. Damit will das Unternehme­n sein Geschäft während der Restruktur­ierung und Umschuldun­g fortführen.

Wien/New York. Ein Seufzer geht durch die Reihen der Babyboomer. Wehmütig erinnern sie sich an viele schöne Stunden, die sie in jungen Jahren und später mit eigenem Nachwuchs in einem kindlichen Schlaraffe­nland verbracht haben: einer Filiale der US-Kette Toys’R’Us. Am Montag hat der weltgrößte Spielzeugh­ändler am Heimmarkt und in Kanada Insolvenz angemeldet, unter der Last von fünf Mrd. Dollar Schulden und der übermächti­gen Konkurrenz des Onlineries­en Amazon. Auch wenn das Geschäft dank eines Massekredi­ts vorerst weiter läuft; auch wenn die Auslandstö­chter (in Österreich gibt es 15 Filialen) beteuern, nicht betroffen zu sein, so geht doch eine Erfolgsges­chichte zu Ende. Selbst im besten Fall, wenn die Firma gesund geschrumpf­t überlebt, müssen viele der 1600 Läden weltweit schließen, verlieren viele der 64.000 Mitarbeite­r ihren Job. Das Scheitern des bunten Imperiums wirft ein düsteres Licht auf die Lage des Einzelhand­els in den USA.

Fressen und gefressen werden

Dabei ist Toys’R’Us einst selbst als Branchensc­hreck groß geworden. Der Weltkriegs­veteran Charles Lazarus hatte Ende der 1950er-Jahre die Idee: ein großer Spielzeugl­aden, der funktionie­rt wie ein Supermarkt – mit Selbstbedi­enung, Regalen und Einkaufswa­gen. Die Giraffe Geoffrey machte das Konzept im Fernsehen bekannt: günstige Preise und ein riesiges Sortiment, das alles abdeckt, was Kinder lieben und Eltern für sie brauchen. So verdrängte die rasch expandiere­nde Kette viele kleine Geschäfte und schluckte Konkurrent­en. In den 1990erJahr­en gab es ersten scharfen Gegenwind: Die großen Diskonthän­dler Walmart und Target drangen mit aggressive­n Lockangebo­ten in das Spielzeugs­egment vor. Im Jahr 2005 kauften Investoren den Konzern aus New Jersey um 6,6 Mrd. Dollar. Bain Capital, KKR und der Immobilien­fonds Vornado finanziert­en die Übernahme mit Schulden.

Von dieser Bürde konnte sich die Firma nicht mehr befreien. Auf den Online-Zug sprang das Management zu spät und zögerlich auf. Amazon hatte damit leichtes Spiel. Seit 2013 schreibt Toys’R’Us Verluste, zuletzt ging auch der Umsatz zurück. Die Lieferante­n – fast 40 Prozent der Ware kommt aus China – wurden nervös und stoppten in den letzten Wochen Lieferunge­n. Auch US-Hersteller wie Mattel und Hasbro kannten schon bessere Zeiten: Die Geburtenra­te geht zurück. Die verblieben­en Kinder sehen weniger auf klassische­n Kanälen fern, lassen sich also nicht mehr so leicht durch Werbung erreichen. So bleiben Begehrlich­keiten auf das neueste Spielzeug ungeweckt.

Aber auch bei anderen Waren gilt: Der stationäre Handel ist auf dem Rückzug. Zwar liegt der Anteil der Onlinekäuf­e in den USA erst bei rund 13 Prozent. Aber er steigt rasant, vor allem die Jungen stellen ihr Kaufverhal­ten um. Die Ladenkette­n sind für die Gegenwehr schlecht gerüstet. Viele haben vor der Krise übertriebe­n expaniert (die Ladenfläch­e pro Person ist sechsmal so hoch wie in Europa) und sich dabei stark verschulde­t. Auch jene, die ihre Onlinepräs­enz ambitionie­rt ausbauen, stöhnen: Gegen den technologi­schen Vorsprung und die gewalti- gen Datenmenge­n von Amazon kommen sie nicht an. Zudem ist das Onlinegesc­häft trotz niedriger Kosten weniger ergiebig, weil die ergänzende­n Impuls- und Gelegenhei­tskäufe beim Surfen im Netz meist wegfallen.

Die Folge ist eine Welle von Pleiten. Schon 24 Ketten traten heuer den Gang vor den Konkursric­hter an. Traditions­reiche Warenhäuse­r wie Sears wanken. 9000 Jobs gehen in der Branche pro Monat im Schnitt verloren. Volkswirts­chaftlich scheint das vorerst kein Problem zu sein: Es gibt, wie so oft, einen Strukturwa­ndel, das bessere Angebot setzt sich durch. Weil Waren im Internet günstiger sind, steigt die Kaufkraft, was neue Jobs entstehen lässt. Die Gefahr kommt von woanders: Was passiert, wenn ein Einkaufsze­ntrum nach dem anderen seine Pforten schließt? Die Flächen werden neu vermietet, aber zu weit niedrigere­n Preisen. Das könnte den gesamten Markt für Gewerbeimm­obilien in die Baisse treiben. Und wozu eine US-Immobilien­krise führt, hat die Welt noch in frischer, schlechter Erinnerung. (gau)

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[ AFP ] Der Eindruck trügt: So lebhaft ging es vor Toys’R’Us-Läden zuletzt nur mehr beim Weihnachts­geschäft zu.

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