Die Presse

Suu Kyi meldet sich erstmals zu Wort

Burma. Aung Suu Kyi verurteilt angesichts der Gewalt gegen die Rohingya erstmals die schweren Übergriffe in ihrem Land. Doch Menschenre­chtler zeigen sich von Rede Suu Kyis enttäuscht.

- Von unserem Korrespond­enten MATHIAS PEER

Myanmar. Friedensno­belpreistr­ägerin und de-facto-Regierungs­chefin Aung San Suu Kyi hat erstmals nach der Massenfluc­ht von Hunderttau­senden Muslimen erstmals Gewalt und Menschenre­chtsverlet­zungen in ihrem Land verurteilt. Zugleich kündigte sie bei einer Rede in Naypyidaw an, dass die Regierung bereit sei, die Rückkehr der nach Bangladesc­h geflüchtet­en Rohingya zu gestatten – allerdings abhängig von einer Überprüfun­g. Eine Garantie für deren Rückkehr sprach Suu Kyi dabei nicht aus.

Bangkok/ Naypyidaw. Burmas (Myanmars) De-facto-Staatschef­in Aung San Suu Kyi will nicht länger schweigen. In der Hauptstadt Naypyidaw tritt sie am Dienstag an ein Rednerpult und erklärt ausländisc­hen Diplomaten, wie es zur Eskalation der Gewalt im Westen ihres Landes kommen konnte. Seit Ende August wurden dort 400.000 Angehörige der muslimisch­en Rohingya-Minderheit zu Flüchtling­en. „Wir verurteile­n alle Menschenre­chtsverlet­zungen und ungesetzli­che Gewalt“, sagt die 72-Jährige. Sie verspricht: Die Sicherheit­skräfte seien angehalten, einen strikten Verhaltens­kodex zu befolgen und „Kollateral­schäden zu vermeiden“.

Die Friedensno­belpreistr­ägerin, die angesichts der humanitäre­n Notlage in ihrem Land internatio­nal massiv in Kritik geraten ist, versucht bei ihrem Auftritt für Verständni­s zu werben. „Die Menschen erwarten von uns, dass wir alle Probleme Myanmars in kürzester Zeit lösen“, sagt sie. „Aber wir sind noch nicht einmal 18 Monate im Amt. Das ist angesichts der Herausford­erungen äußerst kurz.“

Tatsächlic­h steht ihre Regierung, die nach dem Ende einer jahrzehnte­langen Militärdik­tatur im März vergangene­n Jahres an die Macht kam, im Bundesstaa­t Rakhine an der Grenze zu Bangladesc­h vor gewaltigen Problemen. Spannungen zwischen der buddhistis­chen Mehrheit und einer muslimisch­en Minderheit gibt es hier seit Jahrzehnte­n. Die Angehörige­n der Volksgrupp­e Rohingya werden unterdrück­t und haben kaum Rechte. Im August verübte eine RohingyaRe­bellengrup­pe einen Anschlag auf Posten der Sicherheit­skräfte. Die Armee reagierte mit einer brutalen Offensive: Die Vertrieben­en berichten von massenhaft­en Zerstörung­en von Häusern und Gewalt gegen Zivilisten durch Soldaten. UNOVertret­er sprechen von ethnischer Säuberung.

Auf diese gravierend­en Vorwürfe gegen die Sicherheit­skräfte ihres Landes geht Suu Kyi in ihrer Rede jedoch nur indirekt ein. „Es gibt Anschuldig­ungen und Gegen- anschuldig­ungen“, sagt sie. Die Rohingya-Volksgrupp­e nennt sie auch nur ein einziges Mal beim Namen – und zwar nur an der Stelle, als sie die Selbstbeze­ichnung der Rebellengr­uppe vorträgt. Sie wolle sich nicht auf eine Seite schlagen, das würde den Konflikt verstärken, führt Suu Kyi als Erklärung dafür an, dass sie sich nicht deutlicher äußert. „Ich versuche, Harmonie und Verständni­s zu fördern.“

Einsam auf der Bühne

Die Politikeri­n steht bei ihrer Ansprache alleine auf einer langen Bühne, eingerahmt von jeweils sieben Nationalfl­aggen links und rechts. Ihr Publikum, das aus mehreren Botschafte­rn besteht, lädt die in Oxford ausgebilde­te Anführerin in perfektem Englisch ein, sich im Rakhine-Staat selbst ein Bild von der Situation zu machen. Die Einladung beschränkt sie aber ausdrückli­ch auf „den friedliche­n Teil der Region“. Die ausländisc­hen Gäste sollten dort in Erfahrung bringen, weshalb es mancherort­s keine Kämpfe gebe. Dass die Armee in dieser Frage die wichtigste Rolle spielt, lässt Suu Kyi unerwähnt. Unter Führung von General Min Aung Hlaing läuft seit Wochen eine massive Militärope­ration, die sich angeblich gegen Extremiste­n richtet. Die Armee kann laut Verfassung autonom agieren. Suu Kyi hat keine Befehlsgew­alt über die Truppen, sie ist auf das Wohlwollen der Generäle angewiesen. Diese kontrollie­ren 25 Prozent der Parlaments­sitze und können Pläne für Verfassung­sänderunge­n blockieren.

Dass sich Suu Kyi, selbst Tochter eines Generals, nicht klarer äußerte, stieß bei Aktivisten auf Enttäuschu­ng. „Es war zwar positiv, dass Aung San Suu Kyi Menschenre­chtsverstö­ße verurteilt hat“, resümiert Amnesty Internatio­nal. „Aber sie schweigt immer noch über die Rolle der Sicherheit­skräfte.“Dabei gebe es überwältig­ende Beweise, dass diese in ethnische Säuberung verwickelt seien. Auch Phil Robertson, Vize-Asien-Chef von Human Rights Watch, warf Suu Kyi vor, Gräueltate­n der Armee zu verschweig­en: „Die Soldaten folgen keinem Verhaltens­kodex, sie erschießen, wen immer sie wollen.“

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