Die Presse

Kurz im Kreis der Mächtigen

UNO. Der Außenminis­ter schwebt in New York vier Tage über Niederunge­n des Wahlkampfs. Auch das kann hilfreich sein.

- VON CHRISTIAN ULTSCH (NEW YORK)

Alles läuft gut für ihn. Die FPÖ zeigt zwar eine leicht beunruhige­nde Tendenz nach oben, doch in Umfragen liegt er immer noch deutlich voran. Sebastian Kurz will jetzt keine unnötigen Wellen im Wahlkampf schlagen, ein paar Tage über den Niederunge­n schweben und sich bei der Generalver­sammlung der UNO ganz auf seine Rolle als Staatsmann konzentrie­ren; das kann ja auch Stimmen bringen. In New York seien von ihm keine innenpolit­ischen Äußerungen zu erwarten, sagt der Außenminis­ter schon vor dem Abflug. Er habe sogar extra seine für Mittwoch angesetzte Rede durchforst­et, um ja keine Passagen drinnen zu lassen, die als Wahlkampfb­eitrag missversta­nden werden könnten.

Aber natürlich geht auch in New York der Wahlkampf weiter – nur auf einer anderen Ebene, einer höheren. An seiner Seite bleibt etwa sein Kabinettsm­itarbeiter Bernhard Bonelli, ein junger smarter Philosoph und ehemaliger Unternehme­nsberater bei der Boston Consulting Group, der an der Wirtschaft­sstrategie mitfeilt und Reden für Kurz schreibt.

Goldes wert sind vor allem die Bilder im Kreis der Mächtigen der Welt. Diesmal ist nicht nur, wie üblich, der Hausfotogr­af des Außenminis­teriums in der Delegation dabei, sondern auf Kosten der ÖVP auch ein Mitarbeite­r, der Sebastian Kurz bei jeder Begegnung filmt und die Videos über soziale Medien verbreitet. Der erste Würdenträg­er, den sie vor die Linse bekommen, ist Hassan Rohani. Kurz trifft das iranische Staatsober­haupt gleich nach seiner Ankunft in New York gemeinsam mit dem Bundespräs­identen Alexander van der Bellen. Beide versichern ihrem Gesprächsp­artner, wie sehr sie hinter dem Wiener Atomabkomm­en mit dem Iran stehen, das US-Präsident Donald Trump erklärterm­aßen wieder aufschnüre­n möchte. Und Van der Bellen erneuert die Einladung an Rohani, nach Österreich zu kommen. Unter Vorgänger Heinz Fischer hatten die Iraner den Besuch buchstäbli­ch in letzter Minute aus Angst vor Demonstrat­ionen abgeblasen.

Migrations­schlager im Big Apple

Nach Rohani reicht Kurz einem alten Bekannten die Hand, den er mehrmals im Jahr sieht: Peter´ Szijjart´o.´ Der ungarische Außenminis­ter hatte um das Gespräch gebeten. Seine Regierung läuft Sturm gegen ein neues Sprachenge­setz der Ukraine, das Sonderrech­te der dortigen ungarische­n Minderheit beschneide­t. Kurz kann den Ärger der Ungarn nachvollzi­ehen, nicht aber deren Methoden. Um europäisch­en Rückhalt zu organisier­en, blockiert Ungarn eine umfassende Erklärung der EU im UN-Menschenre­chtsrat.

Noch in der Nacht auf Dienstag führen darüber Europas Außenminis­ter in den Räumlichke­iten der EU-Delegation auf der Third Avenue 666 hitzige Diskussion­en. Vor allem aber debattiere­n sie über einen ausführlic­hen Bericht, den der UN-Sondergesa­ndte für Libyen, Ghassan Salame,´ ihnen erstattet. Libyen – das ist ein Thema, das Kurz auf seiner New Yorker Agenda hoch angesiedel­t hat. Ganz ohne seinen Migrations­schlager muss er auch im Big Apple nicht auskommen. Kurz zeigt sich zufrieden angesichts der deutlich rückläufig­en Zahlen illegaler Einreisen auf der Mittelmeer­route. Er fühlt sich bestätigt: Die Verstärkun­g der libyschen Küstenwach­e und die – umstritten­en – neuen restriktiv­en Maßnahmen für NGO-Hilfsschif­fe zeigen Wirkung. „Keiner ertrinkt mehr“, erklärt Kurz unmittelba­r nach seinem Treffen mit Mohamed Siala, dem Außenminis­ter der libyschen Rumpfregie­rung.

Meet & Greet mit Henry Kissinger

Ein anderes großes Thema, die UN-Reform: Kurz begrüßt die geplante Entbürokra­tisierung und die Bekenntnis­se zu neuer Sparsamkei­t. Eine Veränderun­g der UNO sei notwendig, erklärt er, aber sie müsse die UNO stärken und nicht schwächen. Über Trumps Absichten ist man sich offensicht­lich nicht so sicher. Und bei Kurz schwingt auch die Sorge um den UN-Standort Wien mit, den er möglichst sichern und sogar noch ausbauen will.

Zur Atomkrise in Nordkorea liefert Österreich seinen eigenen langfristi­gen idealistis­chen Beitrag. Auf Wiens beharrlich­e Anregung hin werden immerhin 47 Staaten eine gemeinsame Erklärung unterzeich­nen, deren Ziel ein internatio­nales Verbot von Atomwaffen ist. Konkret setzt Kurz neben Sanktionen auf eine politische Lösung mit Nordkorea.

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt er als OSZE-Vorsitzend­er in der Ukraine-Krise. Der russische Vorschlag, UN-Blauhelme in den umkämpften Donbass zu schicken, hat neue Bewegung gebracht. Noch aber hakt es. Die Schlüsself­rage, wo die UN-Soldaten genau stationier­t werden sollen, ist ungeklärt. Russland will sie ausschließ­lich an der Waffenstil­lstandslin­ie sehen – und so den Konflikt einfrieren. Dagegen sträubt sich die Regierung in Kiew, die Blauhelme vor allem an der Grenze zu Russland positionie­ren möchte.

Den großen Bogen über die Brandherde der Welt schlug Sebastian Kurz am Dienstag übrigens in einem Vieraugeng­espräch mit Henry Kissinger, dem großen alten Mann der US-Außenpolit­ik. Auch das sollte – außer analytisch­en Erkenntnis­sen natürlich – ein gutes Bild bringen. Kurz liebt den alljährlic­hen Reigen der Staats- und Regierungs­chefs in New York, das Meet & Greet der Weltdiplom­atie. Er würde auch als Bundeskanz­ler hinfliegen, sagt er.

 ?? [ APA ] ?? Meet & Greet mit den Großen der Weltpoliti­k: Am Rande der UNGeneralv­ersammlung am East River in New York ergibt sich für Alexander Van der Bellen und Sebastian Kurz auch die Gelegenhei­t zum Small Talk mit Emmanuel Macron.
[ APA ] Meet & Greet mit den Großen der Weltpoliti­k: Am Rande der UNGeneralv­ersammlung am East River in New York ergibt sich für Alexander Van der Bellen und Sebastian Kurz auch die Gelegenhei­t zum Small Talk mit Emmanuel Macron.

Newspapers in German

Newspapers from Austria