Kurz im Kreis der Mächtigen
UNO. Der Außenminister schwebt in New York vier Tage über Niederungen des Wahlkampfs. Auch das kann hilfreich sein.
Alles läuft gut für ihn. Die FPÖ zeigt zwar eine leicht beunruhigende Tendenz nach oben, doch in Umfragen liegt er immer noch deutlich voran. Sebastian Kurz will jetzt keine unnötigen Wellen im Wahlkampf schlagen, ein paar Tage über den Niederungen schweben und sich bei der Generalversammlung der UNO ganz auf seine Rolle als Staatsmann konzentrieren; das kann ja auch Stimmen bringen. In New York seien von ihm keine innenpolitischen Äußerungen zu erwarten, sagt der Außenminister schon vor dem Abflug. Er habe sogar extra seine für Mittwoch angesetzte Rede durchforstet, um ja keine Passagen drinnen zu lassen, die als Wahlkampfbeitrag missverstanden werden könnten.
Aber natürlich geht auch in New York der Wahlkampf weiter – nur auf einer anderen Ebene, einer höheren. An seiner Seite bleibt etwa sein Kabinettsmitarbeiter Bernhard Bonelli, ein junger smarter Philosoph und ehemaliger Unternehmensberater bei der Boston Consulting Group, der an der Wirtschaftsstrategie mitfeilt und Reden für Kurz schreibt.
Goldes wert sind vor allem die Bilder im Kreis der Mächtigen der Welt. Diesmal ist nicht nur, wie üblich, der Hausfotograf des Außenministeriums in der Delegation dabei, sondern auf Kosten der ÖVP auch ein Mitarbeiter, der Sebastian Kurz bei jeder Begegnung filmt und die Videos über soziale Medien verbreitet. Der erste Würdenträger, den sie vor die Linse bekommen, ist Hassan Rohani. Kurz trifft das iranische Staatsoberhaupt gleich nach seiner Ankunft in New York gemeinsam mit dem Bundespräsidenten Alexander van der Bellen. Beide versichern ihrem Gesprächspartner, wie sehr sie hinter dem Wiener Atomabkommen mit dem Iran stehen, das US-Präsident Donald Trump erklärtermaßen wieder aufschnüren möchte. Und Van der Bellen erneuert die Einladung an Rohani, nach Österreich zu kommen. Unter Vorgänger Heinz Fischer hatten die Iraner den Besuch buchstäblich in letzter Minute aus Angst vor Demonstrationen abgeblasen.
Migrationsschlager im Big Apple
Nach Rohani reicht Kurz einem alten Bekannten die Hand, den er mehrmals im Jahr sieht: Peter´ Szijjart´o.´ Der ungarische Außenminister hatte um das Gespräch gebeten. Seine Regierung läuft Sturm gegen ein neues Sprachengesetz der Ukraine, das Sonderrechte der dortigen ungarischen Minderheit beschneidet. Kurz kann den Ärger der Ungarn nachvollziehen, nicht aber deren Methoden. Um europäischen Rückhalt zu organisieren, blockiert Ungarn eine umfassende Erklärung der EU im UN-Menschenrechtsrat.
Noch in der Nacht auf Dienstag führen darüber Europas Außenminister in den Räumlichkeiten der EU-Delegation auf der Third Avenue 666 hitzige Diskussionen. Vor allem aber debattieren sie über einen ausführlichen Bericht, den der UN-Sondergesandte für Libyen, Ghassan Salame,´ ihnen erstattet. Libyen – das ist ein Thema, das Kurz auf seiner New Yorker Agenda hoch angesiedelt hat. Ganz ohne seinen Migrationsschlager muss er auch im Big Apple nicht auskommen. Kurz zeigt sich zufrieden angesichts der deutlich rückläufigen Zahlen illegaler Einreisen auf der Mittelmeerroute. Er fühlt sich bestätigt: Die Verstärkung der libyschen Küstenwache und die – umstrittenen – neuen restriktiven Maßnahmen für NGO-Hilfsschiffe zeigen Wirkung. „Keiner ertrinkt mehr“, erklärt Kurz unmittelbar nach seinem Treffen mit Mohamed Siala, dem Außenminister der libyschen Rumpfregierung.
Meet & Greet mit Henry Kissinger
Ein anderes großes Thema, die UN-Reform: Kurz begrüßt die geplante Entbürokratisierung und die Bekenntnisse zu neuer Sparsamkeit. Eine Veränderung der UNO sei notwendig, erklärt er, aber sie müsse die UNO stärken und nicht schwächen. Über Trumps Absichten ist man sich offensichtlich nicht so sicher. Und bei Kurz schwingt auch die Sorge um den UN-Standort Wien mit, den er möglichst sichern und sogar noch ausbauen will.
Zur Atomkrise in Nordkorea liefert Österreich seinen eigenen langfristigen idealistischen Beitrag. Auf Wiens beharrliche Anregung hin werden immerhin 47 Staaten eine gemeinsame Erklärung unterzeichnen, deren Ziel ein internationales Verbot von Atomwaffen ist. Konkret setzt Kurz neben Sanktionen auf eine politische Lösung mit Nordkorea.
Einen ähnlichen Ansatz verfolgt er als OSZE-Vorsitzender in der Ukraine-Krise. Der russische Vorschlag, UN-Blauhelme in den umkämpften Donbass zu schicken, hat neue Bewegung gebracht. Noch aber hakt es. Die Schlüsselfrage, wo die UN-Soldaten genau stationiert werden sollen, ist ungeklärt. Russland will sie ausschließlich an der Waffenstillstandslinie sehen – und so den Konflikt einfrieren. Dagegen sträubt sich die Regierung in Kiew, die Blauhelme vor allem an der Grenze zu Russland positionieren möchte.
Den großen Bogen über die Brandherde der Welt schlug Sebastian Kurz am Dienstag übrigens in einem Vieraugengespräch mit Henry Kissinger, dem großen alten Mann der US-Außenpolitik. Auch das sollte – außer analytischen Erkenntnissen natürlich – ein gutes Bild bringen. Kurz liebt den alljährlichen Reigen der Staats- und Regierungschefs in New York, das Meet & Greet der Weltdiplomatie. Er würde auch als Bundeskanzler hinfliegen, sagt er.