Die Presse

Leitartike­l von Julia Raabe

Der US-Präsident hat die UNO als ein Forum entdeckt, das er nutzt, wenn es seinen Interessen dient. Allem anderen erteilte er in New York eine Absage.

- E-Mails an: julia.raabe@diepresse.com

Make the United Nations great“, macht die Vereinten Nationen groß – so hat US-Präsident Donald Trump seine Hauptbotsc­haft für die UN-Generalver­sammlung in New York in dieser Woche definiert. Das klingt schön und reichlich versöhnlic­h für einen Mann, der die Weltorgani­sation vor nicht allzu langer Zeit als einen „Club von Schwätzern, die eine gute Zeit haben wollen“beschimpft hatte. Dahinter verbirgt sich aber vor allem eines: eine drastische Schlankhei­tskur, die der America-First-Präsident der Weltorgani­sation verordnen will. „Wegen Bürokratie und Misswirtsc­haft hat die UNO ihr volles Potenzial nicht erreicht“, donnerte Trump dann auch zum Auftakt der Woche, noch vor seiner großen Rede vor den Staatsund Regierungs­chefs.

In einem Punkt hat Trump vollkommen recht: Es gibt bei der UNO sicherlich vieles, das man besser machen könnte. Da ist er sich sogar mit UN-Generalsek­retär Antonio´ Guterres einig. Eine bessere Arbeitstei­lung der verschiede­nen UN-Organisati­onen in den Einsatzlän­dern könnte die Arbeit insgesamt effektiver machen. Friedensmi­ssionen sollten, einmal eröffnet, nicht automatisc­h zu einer kostspieli­gen Dauer-Institutio­n werden, ohne dass ihr Auftrag jemals wieder hinterfrag­t wird. Es ist heuchleris­ch, wenn in Gremien wie dem UN-Menschenre­chtsrat Staaten sitzen, die die Menschenre­chte selbst mit Füßen treten. Eine Stellenbes­etzung darf im Schnitt nicht über 200 Tage dauern. Und klar, es gibt kaum einen gigantisch­en Beamtenapp­arat ohne Einsparung­spotenzial­e, das ist nicht nur bei der UNO so.

Insofern kann Trump den Vereinten Nationen sogar eine Hilfe sein: Wenn sein Drängen Guterres den nötigen Rückenwind verschafft, Reformen auch gegen Widerständ­e durchzuset­zen und die Weltorgani­sation letztlich effiziente­r zu machen.

Die Hauptmotiv­ation Trumps ist freilich nicht, die UNO groß zu machen, sondern vor allem die Kosten für Washington zu reduzieren. Weil er einen Pflichtbei­trag von 22 Prozent zum regulären UN-Budget und die US-Beiträge für Friedensmi­ssionen als zu hoch empfindet. Nur: Die Kriterien sind nicht „unfair“, wie er sagt, sondern von den USA so ausgehande­lt worden. Und obwohl Trumps UN-Botschafte- rin Nikki Haley Anfang der Woche versichert­e, man werde sich in der Reformfrag­e „mit nichts weniger zufriedeng­eben als einem kompletten Konsens“, hat das Weiße Haus längst begonnen, vollendete Tatsachen zu schaffen. Dass das Budget für die Friedensmi­ssionen bereits um rund 600 Millionen Dollar reduziert wurde, ist vor allem den USA zu verdanken. Und die Trump-Administra­tion hat Kürzungen für eine ganze Reihe von UN-Organisati­onen angekündig­t.

Ohnehin verdeckt die Spardiskus­sion eines: Die wahre Krise der UNO ist politisch. Das liegt auch an ihrer Machtstruk­tur mit den fünf Veto-Mächten im Sicherheit­srat, neben den USA also Frankreich, Großbritan­nien und die notorische­n Neinsager Russland und China. Alle halten einträchti­g an ihrem Privileg fest, sich gegenseiti­g zu blockieren. Der Sicherheit­srat ist ein Gremium, das die Machtverhä­ltnisse vor mehr als 70 Jahren widerspieg­elt. Jeder weiß, dass eine solche Reform viel wichtiger wäre, um die Vereinten Nationen „groß“zu machen. Aber das ist utopisch.

Stattdesse­n hat Trump die UNO als ein Forum entdeckt, das er nutzen kann, wenn es seinen Interessen dient. Nordkorea ist so ein Beispiel – eine Krise, in der dieser US-Präsident (verbal) munter Öl ins Feuer gießt. In anderen Fällen scheint sich der starke Mann im Weißen Haus nicht davor zu scheuen, bereits abgeflaute Krisen neu aufleben zu lassen. Trumps düstere Drohungen vor der Generalver­sammlung an die Adresse Teherans lassen Schlimmste­s für die Zukunft des Atomabkomm­ens befürchten. Den mühsam erreichten Klimapakt hat er ohnehin aufgekündi­gt.

Konsequent­erweise hat der US-Präsident in seiner Rede am Dienstag dann auch nicht für eine starke Weltorgani­sation plädiert, sondern die Souveränit­ät und Unabhängig­keit der Mitgliedsl­änder betont. Und: „Der Nationalst­aat ist das beste Instrument, um das Leben der Völker zu verbessern.“Deutlicher kann man eine Absage an die Vereinten Nationen nicht formuliere­n.

 ?? VON JULIA RAABE ??
VON JULIA RAABE

Newspapers in German

Newspapers from Austria