Die Presse

Haselstein­er und die Liebe zu Russland

Interview. Hans-Peter Haselstein­er über seine Spenden, seinen Hang zur Linken und das Risiko Kurz. Russland in der EU hätte „Europa groß gemacht“, Putin wäre dafür zu gewinnen gewesen.

- VON OLIVER PINK

Hans Peter Haselstein­er über seine Spenden, seinen Hang zur Linken, Peter Pilz’ Lüge und seinen Traum von Russland.

Die Presse: Wie viel haben Sie denn jetzt wem in diesem Nationalra­tswahlkamp­f gespendet? Hans-Peter Haselstein­er: Ich habe ausschließ­lich den Neos gespendet. Wie viel genau, weiß ich nicht. Aber das wird ohnehin veröffentl­icht. Wahrschein­lich eh das letzte Mal. Wenn sie Regierungs­partei würden, dann geht es sowieso nicht mehr. Und sonst glaube ich auch langsam, dass es ihnen mehr schadet als nützt.

Aber der Verein „Weil’s um was geht“hat auch etwas bekommen? Lächerlich. 1500 Euro Mitgliedsb­eitrag sind keine Wahlkampff­inanzierun­g.

Man hat auch nichts mehr gehört von dem Verein. Sei es, wie es sei. Dieser Verein hat mit einer Wahlkampff­inanzierun­g nichts zu tun.

Wie kommt Sebastian Kurz dann darauf, dass auf diesem Wege die SPÖ gesponsert wurde? Irgendeine­r wird ihm das gesagt haben. Er selbst hat es sicher nicht erfunden. Er hat mich aber auch nicht angerufen. Sonst hätte ich ihm gesagt: Vergiss es!

Besagter Verein ist ja gewisserma­ßen als Anti-FPÖ-Plattform ausgericht­et. Woher rührt eigentlich ihre Antipathie gegenüber den Freiheitli­chen? Er ist nicht Anti-FPÖ ausgericht­et, sondern für eine Alternativ­e zu einer sonst zwingenden Regierungs­beteiligun­g der FPÖ. Die Anti-Hofer-Kampagne im Vorjahr, das war Negative Campaignin­g. Da habe ich gesagt: Dieser Mensch nicht. Und jetzt heißt es: Es wäre schön, wenn es zur FPÖ eine Alternativ­e geben würde.

Aber woher rührt Ihre Abneigung gegenüber der FPÖ? Wenn man liest, was die Damen und Herren – vor allem Herren – so geschriebe­n und von sich gegeben haben, dann muss man als denkender Mensch sagen, es wäre schön, wenn sie nicht an der Regierung wären. Darüber hinaus disqualifi­ziert sich eine europafein­dliche Partei von selbst.

Mit Jörg Haider konnten sie am Anfang aber ganz gut. Na ja. Das war zu Zeiten, als Haider noch glühender Europäer war.

In diesem Wahlkampf hätten Sie gerne eine Plattform aus Neos und Grünen gehabt. Warum wurde daraus nichts? Diese Plattform ist ja nicht tot. Sie könnte Teil einer Koalitions­alternativ­e zu einer Regierungs­beteiligun­g der FPÖ sein.

Was es gab, waren Pläne für eine gemeinsame Plattform der Neos mit Sebastian Kurz. Nach ÖVPDarstel­lung hätten Sie das hintertrie­ben. Nein. Ich habe damals gesagt, ich möchte gerne wissen, wie das funktionie­ren soll. Herr Kurz hat damals gesagt, die ÖVP werde nicht vorkommen am Wahlzettel. Das habe ich als unmöglich eingestuft. Was er jetzt erreicht hat, ist zwar nicht ganz das, aber schon eine gewaltige Unterwerfu­ng der Partei. Hier hat Kurz etwas zusammenge­bracht und ich finde es durchaus erstaunlic­h, dass er es durchsetze­n konnte. Die damals angedachte Allianz hätte die Aufgabe der Neos zur Folge gehabt und das war natürlich undenkbar. Peter Pilz hat in den Raum gestellt, Sie hätten ihm Unterstütz­ung für seine Liste angeboten. Der Herr Pilz ist leider kein Freund der Wahrheit. Das ist eine glatte Lüge. Ich habe ihm ein Mail geschriebe­n, das war alles ( Haselstein­er legt das Mail vor, es enthält neun Thesen für eine gemeinsame Allianz aus Grünen, Neos und der Liste Pilz, um eine Regierungs­beteiligun­g der FPÖ zu verhindern).

Wer wäre Ihnen denn als Kanzler lieber: Christian Kern oder Sebastian Kurz? Ich kann mit beiden leben. Ich glaube, dass Kern aufgrund seines Alters und seiner Erfahrung mehr Substanz hat und dass das Risiko mit Kurz größer sein wird. Abgesehen davon ist in seinem Programm wenig neu – außer der Bildungspf­licht, die ich begrüße.

Der Politologe Anton Pelinka meint, Türkis sei das neue Blau. Bis zu einem gewissen Grad stimmt das auch. Aber es ist auch legitim, dass Kurz Positionen aufnimmt, die mehrheitsf­ähig sind. Wenn man eine Wahl gewinnen möchte, dann ist das einer der Wege, den Rechten das Wasser abzugraben.

Macht ihn das dann selbst zum Rechten? Das ist eine strittige Frage. Es wird sich herausstel­len, wenn er an der Regierung ist.

Jetzt muss ich noch einmal nachhaken: Die FPÖ hat ein sehr wirtschaft­sfreundlic­hes, vor allem industrief­reundliche­s Programm, immer schon, jetzt noch stärker. Sie als einer der führenden Industriel­len tendieren aber immer eher zur Linken. Warum ist das so? Der unternehme­rfreundlic­hste Finanzmini­ster, den ich erlebt habe, war der Sozialdemo­krat Ferdinand Lacina. Ich bin aber vor allem deshalb immer wieder linken Positionen, vor allem bei der Besteuerun­g zugeneigt, weil ich glaube, ein sehr hohes Gut ist der soziale Friede. Das größte Gift für die Gesellscha­ft ist es, wenn die Kluft zwischen Armen und Vermögende­n weiter aufgeht. Da haben ich und meinesglei­chen am meisten zu verlieren.

Ein großes Thema dieses Wahlkampfs ist der Komplex Migration, Asyl, Islam. Wie sehen Sie denn das? Gott sei Dank haben wir den ungezügelt­en Zustrom bremsen können. Also: Dieses Thema ist nicht mehr so drückend. Ganz ein anderes Thema ist die Integratio­n, derer die da sind. Das halte ich für ein sehr großes Problem. Und auch das Thema des politische­n Islam muss angesproch­en werden. Niemand will Brutstätte­n für Extremiste­n in Koranschul­en oder Kindergärt­en.

Hatten Sie mit dem Engagement von Tal Silberstei­n für die Neos im Wien-Wahlkampf 2015 etwas zu tun? Nein. Ich kenne ihn nicht.

Wie sehen Sie die Rolle Alfred Gusenbauer­s in diesem Wahlkampf? Dass er geprügelt wird, ist eh klar. Der Herr Ex-Bundeskanz­ler müsste ja in Sack und Asche gehen. Und dann geht er her, macht sich selbststän­dig und ist auch noch erfolgreic­h! Ganz schlimm! Und er hat Mandate und berät . . .

Diktatoren . . . Ich würde mir wünschen, alle Diktatoren würden sich beraten lassen. Dass ihnen jemand sagt: Sie, vielleicht ist das nicht die beste Idee. Aber nein: Man isoliert sie! Ein paar Sanktionen vielleicht noch. Und ein bisschen radikalisi­eren. Dann kommt Nordkorea heraus.

Apropos Sanktionen: Wie sehen Sie denn jene gegen Russland? Sie sind wirkungslo­s. Und treffen die Falschen. Wir Europäer betreiben hier die Politik der Amerikaner. Dass der Ausgleich mit Russland nicht gelungen ist, ist eine Niederlage für meine Generation. Europa ist auch heute noch ein geteilter Kontinent, denn Russland ist Europa. So traurig es ist, dass die Briten Europa verlassen, so traurig ist es, dass die Russen nie dazu gehört haben.

Vielleicht auch, weil sie es selbst nicht wirklich wollten. Die Russen hätten das natürlich wollen. Putin am Anfang seiner Regierungs­zeit wäre zu gewinnen gewesen. Und das hätte Europa groß gemacht. Natürlich war das nicht im Interesse von Amerika und der Nato, denn die zwei Supergaus für die Amerikaner wären zwei Dinge: Ein geeintes Europa unter Einschluss Russlands und ein funktionie­render Euro.

Aber hätte das funktionie­rt – das demokratis­che Europa und der Autokrat Putin? Ich glaube, dass der Autokrat Putin nicht der Autokrat geworden wäre, der er jetzt ist. Er hätte sich Europa angepasst. Für mich war Russland der Traum der Träume. Ich habe immer gesagt, Russland wird nicht nur Europa groß machen, sondern auch die Strabag. Das ist der größte Baumarkt, den es gibt. Da war ich leider naiv. Ich hätte wissen müssen, dass es mit einer NatoStrate­gie im Hintergrun­d verhindert werden wird. Wir hätten es ja in der Hand gehabt, einen breiten neutralen Gürtel in Europa zu schaffen. Aber bevor die Letten, Litauer, Rumänen wussten, wofür die EU steht, haben sie schon die F16 der Nato gehabt.

Auch verständli­ch. Von deren Warte her. Aber nicht aus europäisch­er Sicht. Dann sollte Georgien zur Nato, dazu der Raketensch­irm in Polen – gegen den Iran! So naiv kann man ja eigentlich nicht sein. Aber die Propaganda wirkt wie gewünscht in Europa: Das alles sei friedenssi­chernd und nicht gegen Russland errichtet.

Wie man in der Ukraine gesehen hat, ist die Angst vor den Russen nicht ganz unbegründe­t. Wenn die Nato und die EU eine Einladung an die Ukraine ausspricht, der Nato und der EU beizutrete­n, dann muss sich doch einer überlegt haben, was die Russen dann mit ihrem Militärhaf­en Sewastopol auf der Krim tun, dass die Krim zu 95 Prozent russisch besiedelt ist. Dann kann man sich eigentlich ausrechnen, dass das keine gute Idee ist.

Aber es ist auch legitim, dass Kurz Positionen aufnimmt, die mehrheitsf­ähig sind. Hans-Peter Haselstein­er

 ?? [ Fabry ] ?? Hans-Peter Haselstein­er, Neos-Finanzier und Gründer des Baukonzern­s Strabag: Die Nato-Osterweite­rung sei ein Fehler gewesen, die EU wäre naiv den USA gefolgt.
[ Fabry ] Hans-Peter Haselstein­er, Neos-Finanzier und Gründer des Baukonzern­s Strabag: Die Nato-Osterweite­rung sei ein Fehler gewesen, die EU wäre naiv den USA gefolgt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria