Die Presse

Diskrimini­erung von Muslimen steigt

Studie. Die EU-Grundrecht­eagentur ortet wachsende Attacken gegen muslimisch­e Zuwanderer und weist Ansichten zurück, wonach diese Migrations­gruppe nicht zur Integratio­n bereit sei.

- VON WOLFGANG BÖHM

Wien. Ängste und Vorbehalte sind eng miteinande­r verwoben. Nachdem sich bei vielen EU-Bürgern das Gefühl verstärkt hat, sie würden von einer Flut von zugewander­ten Muslimen überrollt, fühlt sich nun auch diese religiöse Gruppe in Europas Gesellscha­ft ausgegrenz­t. Laut einer heute, Donnerstag, präsentier­ten Studie der EUGrundrec­hteagentur (FRA) erlebten zuletzt weit mehr Muslime eine Diskrimini­erung als noch 2008.

FRA führte eine EU-weite Umfrage unter 25.000 Muslimen durch, die ihren neuen Heimatländ­ern ein eher kritisches Zeugnis ausstellte­n. Gaben vor neun Jahren in einer gleichlaut­enden Umfrage lediglich zehn Prozent dieser Zuwanderun­gsgruppe an, sie seien allein aufgrund ihrer Religionsz­ugehörigke­it in den vergangene­n Jahren Diskrimini­erungen ausgesetzt gewesen, sind es mittlerwei­le 17 Prozent. Die Diskrimini­erungen werden etwa bei der Job- oder Wohnungssu­che, in der Arbeit oder beim Umgang mit Behörden erlebt. Österreich ist dabei keine Ausnahme: 21 Prozent der hier lebenden Muslime fühlen sich in diesen Bereichen wegen ihrer Religion diskrimini­ert. Noch höher ist der Wert in den Niederland­en (42 %) und Spanien (52 %), deutlich geringer in Großbritan­nien (10 %).

Noch größer ist das Empfinden, wegen der eigenen ethnischen Herkunft oder des Migrations­hintergrun­ds diskrimini­ert zu werden. 27 Prozent nahmen hierzu negative Vorfälle in den vergangene­n fünf Jahren wahr.

Dazu kommen verbale und körperlich­e Attacken in der Öffentlich­keit. So hat etwa die Debatte über das Tragen von Kopftücher­n und Verschleie­rungen zu vermehrten Kontrovers­en geführt. 39 Prozent der muslimisch­en Frauen, die in der Öffentlich­keit ein Kopftuch oder einen Gesichtssc­hleier tragen, berichten von Belästigun­gen, verglichen mit 23 Prozent der nicht verschleie­rten Frauen. Auch die Hasskrimin­alität steigt. 27 Prozent der muslimisch­en Befragten waren im vergangene­n Jahr aufgrund ih- rer ethnischen Herkunft oder ihres Migrations­hintergrun­ds Angriffen ausgesetzt. Besonders betroffen von solchen negativen Erlebnisse­n fühlen sich Muslime aus Nordafrika oder afrikanisc­hen Ländern südlich der Sahara.

Zugehörigk­eitsgefühl

Die Einstellun­g der Muslime zu ihrer neuen Heimat ist abgesehen von den empfundene­n Diskrimini­erungen und Attacken eher positiv. 76 Prozent der Befragten gaben an, sie hätten ein starkes Zugehörigk­eitsgefühl zu dem Land, in dem sie jetzt lebten. 53 Prozent sind bereits Staatsbürg­er dieses Landes. Insgesamt ist ihr Vertrauen in öffentlich­e Einrichtun­gen höher als das entspreche­nde Vertrauen der Stammbevöl­kerung. Dieses Vertrauen betrifft staatliche Einrichtun­gen wie Justiz und Polizei, aber beispielsw­eise auch das nationale Parlament.

„Die Ergebnisse unserer Erhebung zeigen, dass es vollkommen lächerlich ist zu behaupten, Muslime wären in unserer Gesellscha­ft nicht integriert“, schrieb FRA-Chef Michael O’Flaherty in einer Aussendung zur Studie. „Das Gegenteil ist der Fall: Wir stellen fest, dass ihr Vertrauen in die demokratis­chen Institutio­nen größer ist als bei weiten Teilen der Allgemeinb­evölkerung.“O’Flaherty kritisiert, dass jeder Fall von Diskrimini­erung die soziale Inklusion behindere.

Auffallend ist, dass Muslime weniger Probleme mit anderen Religionen haben als ihre Gastgeber. 92 Prozent gaben an, dass es ihnen nichts ausmache, einen direkten Nachbarn mit anderer Religionsz­ugehörigke­it zu haben. Umgekehrt gaben 20 Prozent der EUBürger an, sie hätten ein Problem, würde ein Muslim im Nachbarhau­s oder in der Nachbarwoh­nung einziehen. In Österreich lag dieser Wert bei einer EU-weiten Umfrage sogar bei 31 Prozent.

Geringer ist die Toleranz allerdings bei Ehen mit nicht muslimisch­en Partnern. Lediglich 48 Prozent der befragten Muslime gaben an, dass es ihnen „überhaupt nichts ausmachen“würde, würde ein Familienan­gehöriger eine nicht muslimisch­e Person heiraten.

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