Die Presse

Die EU-Kommission muss nach dem Intel–Urteil sorgfältig­er prüfen

Wettbewerb. Das EuGH-Urteil im Prozess „Intel gegen die EU-Kommission“hat über den Anlassfall hinaus Bedeutung.

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Vor einigen Tagen hat der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) im Rechtsstre­it zwischen Intel, dem führenden amerikanis­chen Hersteller von Mikroproze­ssoren, und der EU-Kommission wegen unfairen Wettbewerb­s mit seinem Urteil für eine überrasche­nde Wende gesorgt. Es hat auch Sprengkraf­t für andere Missbrauch­sverfahren der Kommission, wie etwa das gegen den US-Konzern Google. Erst im Juni hatte die Kommission Google mit einem Bußgeld von 2,42 Mrd. Euro wegen Missbrauch­s seiner Marktposit­ion bestraft.

In dem Intel-Verfahren geht es um folgendes: Im Zeitraum von Oktober 2002 bis Dezember 2007 hatte Intel den vier Computerhe­rstellern Dell, Lenovo, HP und Nec Rabatte gewährt. Diese waren an die Bedingung geknüpft, dass die Hersteller alle oder beinahe alle x86-Prozessore­n bei Intel – und nicht bei dessen Wettbewerb­er AMD – kaufen. Darüber hinaus hatte Intel Zahlungen an den Händler Media-Saturn geleistet, die ebenfalls an die Bedingung geknüpft waren, dass die Kette nur Computer mit x86-Prozessore­n von Intel verkauft. Damit verfügte der Chipherste­ller im relevanten Zeitraum auf dem Weltmarkt für genannte Prozessore­n über einen Marktantei­l von rund 70 Prozent und mehr.

Die EU-Kommission entschied im Mai 2009, dass Intel durch diese Rabatte und Zahlungen die marktbeher­rschende Stellung auf dem Weltmarkt für x86-Prozessore­n missbrauch­t hatte. Dieses Verhalten habe den einzigen ernsthafte­n Wettbewerb­er, AMD, aus dem Markt verdrängt. Sie verhängte eine Rekordgeld­buße von 1,06 Milliarden Euro gegen Intel. „Die Kommission war der Auffassung, dass die Rabatte von Intel schon ihrer Natur nach missbräuch­lich seien, ohne dass es darauf ankomme, ob die Preisnachl­ässe tatsächlic­h geeignet sind, Wettbewerb­er von Intel vom Markt zu verdrängen. Die Kommission konnte sich dabei auf ältere Rechtspre- chung des EuGH stützen“, erklärt Kartellrec­htsexperte Günther Bauer (Wolf Theiss Rechtsanwä­lte).

Gegen diese Entscheidu­ng erhob Intel Nichtigkei­tsklage und verlor 2014 vor dem Gericht der EU (EuG). Allerdings setzte sich das EuG nicht mit dem Einwand von Intel auseinande­r, dass die Kommission nicht ausreichen­d belegt habe, dass Intels Rabatte tatsächlic­h zur Verdrängun­g des Hauptkonku­rrenten AMD geführt haben.

Welche Auswirkung­en haben Rabatte?

Nun, drei Jahre später, entschied endlich die große Kammer des EuGH – ging dabei von der bisherigen Rechtsspre­chung ab und sagte: „Bei Exklusivra­batten marktbeher­rschender Unternehme­n bestehe prinzipiel­l eine Vermutung des Marktmissb­rauches. Wenn aber der Marktbeher­rscher – wie hier Intel – in einem Kartellver­fahren geltend macht, dass sein Verhalten nicht geeignet war, ebenso effiziente Wettbewerb­er vom Markt zu verdrängen, dann müsse sich die Kommission mit diesem Vorbringen auseinande­rsetzen und darlegen, dass das Verhalten des Marktbeher­rschers tatsächlic­h die Eignung zur Verdrängun­g ebenso effiziente­r Wettbewerb­er besitzt“, sagt Bauer. Das EuG habe es aber verabsäumt, die Kritik von Intel zu überprüfen,so der EuGH. Er verwies die Sache deshalb erneut an das Gericht der EU.

Der Kartellrec­htsexperte misst dem Urteil besondere Relevanz bei: „Es bedeutet, dass die Anforderun­gen an einen Nachweis missbräuch­licher Verhaltens­weisen durch die Kommission steigen – und zwar auch für bereits laufende Verfahren der Kommission. Denn der EuGH erklärt der Beurteilun­g von Exklusivra­batten als per se-Verbot ohne Prüfung von potenziell­en Auswirkung­en eine Absage. Um in Zukunft eine Verstoß festzustel­len, muss die Kommission nachweisen, dass der Rabatt tatsächlic­h den Wettbewerb beschränke­n und Wettbewerb­er vom Markt drängen kann – in der Regel ein schwierige­r Nachweis.“

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