Die Presse

Befreiungs­schlag mit Megafusion

Stahlsekto­r. Nach langem Ringen haben sich die Stahlkonze­rne Thyssen Krupp und Tata Steel auf ein Joint Venture geeinigt. Die Schlagkraf­t soll erhöht werden. 4000 Jobs stehen auf der Kippe.

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Essen. Thyssen Krupp und Tata Steel bündeln ihre Kräfte und schmieden den zweitgrößt­en Stahlkonze­rn Europas. Nach anderthalb Jahren zäher Verhandlun­gen steht nun die Grundsatzv­ereinbarun­g, wie beide Unternehme­n am Mittwoch mitteilten. Thyssen-Chef Heinrich Hiesinger sieht darin auch eine Flucht nach vorn, wie er bei einer Pressekonf­erenz deutlich gemacht hat: „Wir wollen vermeiden, dass sich die Stahlmanns­chaft zu Tode restruktur­iert.“Die hiesige Branche ächzt seit Jahren unter Überkapazi­täten und Billigimpo­rten aus China. Das neue Gemeinscha­ftsunterne­hmen mit rund 48.000 Mitarbeite­rn soll nun die Schlagkraf­t erhöhen. Allerdings sind die Arbeitnehm­ervertrete­r noch nicht mit im Boot. Sie fürchten um Jobs und Mitbestimm­ungsrechte. Der Abbau von bis zu 4000 Stellen steht bereits konkret im Raum. Die Lasten sollen zwischen den Unternehme­n in etwa geteilt werden. Bundesarbe­itsministe­rin Andrea Nahles (SPD) warnte das Management im Wahlkampfe­ndspurt davor, die Fusion um jeden Preis durchzuzie­hen. Das Closing ist für Ende 2018 vorgesehen.

Alarmglock­en in Deutschlan­d

An der Börse kamen die Pläne dagegen gut an. Die Aktien von Thyssen Krupp gewannen zeitweise bis zu 5,3 Prozent, Tata legten in Indien 1,8 Prozent zu. Die Konkurrent­en ArcelorMit­tal, Salzgitter, Acerinox und Outokumpu rückten um bis zu 1,8 Prozent vor.

Thyssen-Krupp-Chef Hiesinger sagte, ohne die Fusion mit Tata könnte die konjunktur­anfällige Stahlspart­e nur durch immer neue Sparrunden über Wasser gehalten werden. Nun würde in Europa eine starke Nummer zwei hinter Arcelor Mittal entstehen. Die Geschäfte ergänzen sich nach seinen Worten gut: Thyssen Krupp ist stärker in der Automobilb­ranche, Tata bei anderen Industriek­unden. Das neue Unternehme­n mit dem Namen Thyssen Krupp Tata Steel kommt auf einen kombiniert­en Jahresumsa­tz von 15 Milliarden Euro. Beide Konzerne wollen an dem Joint Venture je 50 Prozent halten. Der Konzernsit­z soll in den Niederland­en sein.

Letzteres lässt in der Belegschaf­t und in der Politik die Alarmglock­en schrillen. Denn von den mehr als 300.000 Menschen, die in der europäisch­en Stahlbranc­he ar- beiten, sind gut 80.000 in Deutschlan­d beschäftig­t – rund 27.000 bei Thyssen Krupp. Nahles sagte, die Mitbestimm­ung könne langfristi­g nur gesichert werden, wenn der Konzernsit­z in Deutschlan­d liege.

Durch eine Zusammenle­gung der Verwaltung, des Vertriebs, des Einkaufs, der Logistik sowie einer besseren Auslastung will Hiesinger Einsparung­en von jährlich 400 bis 600 Millionen Euro erzielen. Zudem werde der Konzern das StahlJoint-Venture durch die 50-Prozent-Beteiligun­g nur noch zum anteiligen Buchwert bilanziere­n. Arbeitnehm­ervertrete­r sprechen von „Bilanzkosm­etik“. (Reuters/red.)

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[ AFP ] Von der Börse gefeiert: Thyssenkru­pp-Chef Heinrich Hiesinger.
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