Die Presse

Junges Feuer in Sankt Marx

Vienna Contempora­ry. Im sechsten Jahr hat sich die Kunstmesse in Wien etabliert, sie gibt sich erfreulich jugendlich und experiment­ell. Die Veranstalt­er wollen noch mehr.

- VON SABINE B. VOGEL

Ohne konkrete Ziele fährt Julian Mullan an den Stadtrand. Er sucht banale Orte, an denen er beiläufige Bildmotive findet. In seinen Fotografie­n verwandeln sich dann Reflexione­n auf Bäumen oder Hauswänden, sparsame Farbspiele durch starke Ausschnitt­e und zu „99,9 Prozent“ohne digitale Nachbearbe­itung in spannungsv­olle Bilder. Zu sehen sind Mullans Fotografie­n in der Galerie Nathalie Halgand auf der Vienna Contempora­ry. Es ist die sechste Ausgabe der Kunstmesse, die nach fünf teils turbulente­n Jahren heuer endlich angekommen ist. Nichts kann mehr an dem Erfolg der Wiener Messe rütteln. Weder das Feuer Anfang des Monats beeinträch­tigte den Start noch die politische­n Wirren um einen möglichen Verkauf des ehemaligen Zentralvie­hmarkts. Zwar wurde noch kein Vertrag unterschri­eben, aber das Messeteam ist zuversicht­lich, den Standort in den nächsten Jahren halten zu können.

So finden sich in den hohen Räumen der beiden Marxhallen 110 Galerien aus 27 Ländern zusammen, darunter 32 aus Osteuropa. Gastland ist Ungarn, für das drei Galerien konzeptuel­le Werke aus den 60er- und 70erJahren in einer museumsrei­fen Präsentati­on zeigen. Aber dieser Rückblick ist die Ausnahme auf der Messe, die sich vor allem als Schatztruh­e für Entdeckung­en erweist, und das erfreulich oft zu Einsteiger­preisen. So kosten Mullans Fotografie­n noch 1.200 Euro.

Auch die märchenhaf­ten Fotografie­n am Stand der finnischen Galerie Taik Persons beginnen ab 1.500 Euro. Die Fotografin­nen suchen Motive in Wäldern und am Meer, begnügen sich aber nicht mit der Bildwahl, sondern greifen ein: Während Sandra Kantanen ihre Motive auf dem Negativ so bearbeitet, dass es kaum von Malerei zu unterschei­den ist, heben Anna Reivilä und Riitta Päiväläine­n die Grenze zwischen Fotografie und Land Art auf. Nach langen Wanderunge­n flicht Reivilä mit Seilen merkwürdig­e Fesselunge­n um Steine, Bäume und Eisscholle­n. Päiväläine­n webt Tücher wie riesige Spinnweben zwischen Bäumen und über Bäche.

Zerfetztes Tuch thematisie­rt Flucht

Am Stand der Moskauer Galerie Iragui kommen dagegen die Konflikte unserer Zeit in den Blick. Zerfetzte Hemden hängen wie eine Leinwand auf Bügeln, kombiniert mit Lampen in weißen Müllsäcken. Catherine

findet die Kunstmesse Vienna Contempora­ry statt, zum dritten Mal in der Marx Halle. Bis inklusive Sonntag präsentier­en sich 110 Galerien aus 27 Ländern, insgesamt sind Arbeiten von mehr als 500 Künstlern zu sehen. Gastland ist Ungarn, für das drei Galerien konzeptuel­le Werke aus den 60er- und 70er-Jahren zeigen. Im Rahmen der Vienna Contempora­ry erhielt die Estin Anu Vathra das Artproof Produktion­sstipendiu­m für Fotografie, der irakisch-deutsche Installati­onskünstle­r Hiwa K den Viennacont­emporary Cinema Preis, der auch eine Präsentati­on im mumok umfasst (Karl-FarkasGass­e 19, 1030 Wien). Charreyre thematisie­rt so die Situation von Migranten, Überlebens­versuche und Neuerfindu­ngen der Identität (ab 550 Euro).

Überhaupt gibt sich die heurige Vienna Contempora­ry erfreulich jung und experiment­ell. Dazu tragen wesentlich die beiden kuratierte­n Sektionen Solo mit dem Schwerpunk­t Skulptur und Zone 1 mit Einzelpräs­entationen junger Künstler bei. Da hängen fünf Boxsäcke in der Koje der Wiener Galerie Zeller van Almsick. Kai Walkowiak ist bekannt für seine Skulpturen. Hier hat er minimale Farbstreif­en auf die Säcke aufgetrage­n, der Galerist nennt es „Malerei, die Walkowiak konfrontat­iv angeht“(5500 Euro).

Auch einige der Wiener Platzhirsc­he entschiede­n sich für Experiment­e. Am Stand von Miryam Charim sind Dorit Margreiter­s monochrome Belichtung­en (ab 6000 Euro) inmitten von Julian Göthes wandgroßen Seilverspa­nnungen platziert (15.000). Unkonventi­onell ist auch der Stand von Meyer Kainer (Wien) mit dem großen, marmoriert­en Kamin mitten auf der Wand. Lucky McKenzie erlernte in Prag die illusionis­tische Trompe-l’oeil-Maltechnik und lud Laurent Dupont ein, umgefärbte Alltagsobj­ekte auf dem Sims zu platzieren, was eine irritieren­de Wohnzimmer­atmosphäre vermittelt.

Kunst sei in der „DNA von Wien“, sagte Messeeigen­tümer Dimitry Aksenov auf der Pressekonf­erenz und betonte, alles daran zu setzen, „die Kunstmesse weiter zu entwickeln“und zu einer der „Top 5 Messen in den nächsten fünf Jahren entwickeln“. Und Geschäftsf­ührer Rengar van den Heuvel stellt klar: „Wir sind hier um zu bleiben.“

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