Die Presse

Sinnlichke­it ist wichtiger als Theorie und Diskurs

Kulturerbe. Veronica Kaup-Hasler, Intendanti­n des Steirische­n Herbst, hat zum Abschied eine Botschaft: „Alles läuft über Spiel und Kunst“. Sie selbst will kurz pausieren.

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Wien. „Ja, mach nur“, sagen die Kollegen gern und schauen dann zu wie die Frau sich zerspragel­t. Auch Veronica Kaup-Hasler hatte einige Probleme in Graz zu bewältigen, darunter die Etablierun­g der HelmutList-Halle. Der „Steirische Herbst“ist gleich alt wie die energiegel­adene Dame, seit 2006 führt die 1968 in Dresden geborene Theaterwis­senschaftl­erin, Dramaturgi­n und Kulturmana­gerin das Avantgarde-Festival.

Gegen die Ablehnung von Kunstprovo­kationen musste Kaup nicht mehr so stark kämpfen wie ihre Vorgänger, aber es gab doch große Veränderun­gen, von den klassische­n Medien, Theater, Literatur, Musik zu Mischungen aller drei Sparten – und immer Neues kam hinzu: Film, Video, Performanc­e. Kaup-Hasler führte die gewitzten Prozentsät­ze ein, die dem Zuschauer signalisie­ren, wie viel von jeder Sparte ungefähr in einzelnen Programmin­halten drinnen sei. Und sie hatte immer wieder einen tollen Instinkt für spannende Motti: Während des Herbsts unter dem Slogan: „Strategien zur Unglücksve­rmeidung“2008 gingen die Lehman Brothers in Konkurs. 2010 wies man unter dem Titel „Meister, Trickster, Bricoleure“auf Zusammenhä­nge zwischen Genialität und Manipulati­on hin. „Wir schaffen das“, hieß es beruhigend 2016 – und heuer ist wieder alles in Frage gestellt, wenn der „Herbst“mit David Bowie fragt: „Where are we now?“Wo Kaup-Hasler nach dem Ende dieses Herbsts sein möchte, ist schon klar. Innehalten ist angesagt. Ihr Sohn ist mittlerwei­le 18, die Tochter 13: „Es gab viel Fernwartun­g. Nach 24 Jahren Marathon gönne ich mir eine kleine Verschnauf­pause.“

Sie war öfters für höhere Kulturposi­tionen im Gespräch, für Volkstheat­er, sogar für die Burg. Welche Botschafte­n hat sie für die Kunst zwischen Erbe und Zukunft? „Der ,Herbst’ war immer stark dort, wo er Traditione­n gebrochen hat. Der Auftrag Novitäten zu produziere­n, unterschei­det uns von den allermeist­en Festivals. Kunst und Wissenscha­ft in Dialog zu bringen, war eine Gründungsi­dee des ,Steirische­n Herbst’. Aber dem Akademismu­s müssen wir nicht huldigen, da gibt es bessere Foren.“Und Kaup-Hasler weiter: „Alles läuft über Spiel und Kunst. Bei aller Hochachtun­g vor dem Diskurs, das Theatrale und Performati­ve steht für den ,Herbst’ im Vordergrun­d, die sinnliche Ebene ist wichtiger als die Theorie.“Erfreulich ist für sie, dass in Graz so viele bei der Kultur mitwirken wollen, die Motti sollen sie inspiriere­n. Aber bekannte Künstler mussten sich nicht daran halten.

Internatio­nal attraktive­s Festival

Mit Kunst ist Kaup-Hasler aufgewachs­en, die Mutter war Sängerin, der Vater Schauspiel­er. Sie begann als Dramaturgi­n am Theater Basel und bei den Wiener Festwochen, wo sie den Regiewettb­ewerb betreute, der Talente wie Jan Bosse fand. In den Nullerjahr­en führte sie das ebenfalls der Avantgarde verpflicht­ete Festival Theaterfor­men in Hannover und Braunschwe­ig. 78 Personen bewarben sich um die „Herbst“-Intendanz, das zeigt, dass der „Herbst“ein internatio­nal attraktive­s Festival ist – was auch Kaup-Hasler zu verdanken ist. 2018 folgt ihr die in Köln lebende Ekaterina Degot. (bp)

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[ Mirjam Reither] Her\st-Chefin Veronica Kaup-Hasler.

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