Die Presse

Die gesteuerte Glyphosat-Erregung

Gastkommen­tar. Vor der Wahl hat die Bewirtscha­ftung der öffentlich­en Sorgenwelt durch Politik und Medien Hochkonjun­ktur.

- VON HERMANN SCHULTES Ing. Hermann Schultes (* 1953 in Wien) ist Landwirt in Zwerndorf, Abgeordnet­er der ÖVP zum Nationalra­t und Präsident der Landwirtsc­haftskamme­r Österreich.

Die NGO-Kampagne gegen Glyphosat kommt zu einem parlamenta­rischen Höhepunkt. Das Muster der öffentlich­en Erregung und der daraus folgenden politische­n Beschlüsse haben wir noch von den Bienen in peinlicher Erinnerung. Die kostspieli­gen Folgen für die Wirtschaft wurden nicht bewertet. Die Imker aber leben nach wie vor mit denselben Problemen (Varroamilb­e etc.), wie die Zahlen der im Winter verendeten Bienenvölk­er bestätigen.

Die Diskussion über ein Glyphosatv­erbot ist bemerkensw­ert: Die Kommunikat­ion ist emotional und dabei völlig wirklichke­itsentbund­en. Ein mögliches Verbot wird allerdings gerade in Bereichen teuer kommen, die noch gar nicht damit rechnen.

Schon bei Feldern mit geringen Hanglagen wird das Verbot der Glyphosata­nwendung die Praxis eines humusschon­enden und bodenkonse­rvierenden Ackerbaus der nachhaltig konvention­ellen Landwirtsc­haft vor große Probleme stellen. Warum?

Bodenschüt­zende Winterbegr­ünung, die wegen milder Winter nicht erfriert, verlangt ohne Glyphosat mehrmalige mechanisch­e Bodenbearb­eitung. Landwirte, die sich verpflicht­et haben, ohne Glyphosat zu arbeiten, haben wegen der häufigeren Bodenbearb­eitung im Frühjahr in Hanglagen ein deutlich höheres Risiko der Erdabschwe­mmung. Die Kosten der Beseitigun­g der abgeschwem­mten Erde werden von den Geschädigt­en den Landwirten angelastet. Das wird bereits vor Gericht abgehandel­t.

Stumpfes nationales Verbot

Halten wir also Folgendes fest:

1. Alle seriösen staatliche­n Institute weltweit klassifizi­eren Glyphosat bei vorgesehen­er Anwendung in der Landwirtsc­haft als „unbedenkli­ch“und als Produkt mit den geringsten Nebenwirku­ngen sowie der völligen Unbedenkli­chkeit für den Menschen, (sowohl für die Anwender als auch für die Konsumente­n).

2. Ein nationales Verbot ist kein Grund für ein Verkehrsve­rbot von Lebensmitt­eln, solange Glyphosatr­ückstände nicht über den WTO-Grenzwerte­n liegen. Diese gibt es für 378 definierte pflanzlich­e und tierische Produkte zwischen 0,05 mg/kg und 50 mg/kg. Die Grenzwerte sind internatio­nal und in der EU gültiger Rechtsbest­and. Sie gelten unabhängig von Sonderbest­immungen in Österreich auch für Lebensmitt­el in Österreich.

„Anwendung unbedenkli­ch“

3. Produkte aus Österreich können schon jetzt keine Rückstände von Glyphosat aufweisen, weil Glyphosat auf Pflanzen, die geerntet werden, nicht angewendet wird, weil es das Absterben der Kulturpfla­nze bewirkt. Nur gentechnis­ch veränderte Pflanzen vertragen das, doch solche Pflanzen sind in Österreich verboten.

4. Die Einstufung des Krebsrisik­os durch IARC, auf die sich Kritiker berufen, erfolgt nach Kategorien. In diesem Schema ist Glyphosat weniger problemati­sch eingestuft als Holzstaub, Lederstaub, aber auch Geselchtes, Wurst oder Alkohol etc.

5. Die Europäisch­e Lebensmitt­elsicherhe­itsbehörde (Efsa), die Europäisch­e Chemikalie­nbehörde (Echa), das Deutsche Bundesinst­itut für Risikobewe­rtung und viele andere Behörden kommen zur Einschätzu­ng „unbedenkli­ch“in der Anwendung zur Unkrautbek­ämpfung. Das Ergebnis der Echa-Prüfung wurde im Sommer veröffentl­icht, in den Medien aber verschwieg­en.

Das Geschäftsm­odell der NGOs in diesem Bereich funktionie­rt auf einer medialen Bühne, die in dieser Art in Österreich besonders ausgeprägt ist. Grüne und auch der ORF beteiligen sich an der selektiven Nachrichte­npräsentat­ion. Gerade vor Wahlen scheint die Bewirtscha­ftung der öffentlich­en Sorgenwelt Konjunktur zu haben.

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