Die Presse

It’s the Politics, Stupid! Politik als Risikofakt­or für Betriebe

Während das Für und Wider des Freihandel­s diskutiert wird, stehen Unternehme­n vor neuen Herausford­erungen.

- VON PATRICIA KLOPF, PHILLIP NELL UND JOHANNES LEITNER MSc. ist PhD-Studentin am Institut für Internatio­nal Business an der WU Wien. Ihr Forschungs­schwerpunk­t liegt beim strategisc­hen Management von politische­m Risiko.

Ob Donald Trump, Brexit oder die anstehende Nationalra­tswahl – das Thema „Freihandel“ist gerade in aller Munde. Die Argumente der Freihandel­sbefürwort­er stehen jenen der -gegner gegenüber. In der volkswirts­chaftlich zentrierte­n Freihandel­sdebatte wird den Ängsten der Bevölkerun­g aber nur bedingt begegnet.

Dabei sind die Verunsiche­rung der Bevölkerun­g und die Pro- und Kontraargu­mente bezüglich Freihandel nur das eine. Tatsächlic­h stehen vor allem die Unternehme­n vor völlig neuartigen politische­n Herausford­erungen, ihr Handeln ist gefordert. Wie viel und welche Art von Aufmerksam­keit sie den „politische­n Risken“schenken, wird dabei entscheide­nd sein.

Große Unternehme­n wie Zumtobel oder Voestalpin­e zeigen vor, wie es gehen kann. Aber auch österreich­ische Klein- und Mittelunte­rnehmen mit begrenzten Ressourcen müssen politische Risken strategisc­h angehen.

Comeback nationaler Politik

Während der fortschrei­tenden Globalisie­rung wurde die Grundordnu­ng liberaler, Handelsbes­chränkunge­n wurden abgebaut. Durch die ökonomisch­e Integratio­n wurde das internatio­nale Umfeld für Unternehme­n sicherer. Seit die Weltwirtsc­haft 2008 allerdings ins Straucheln geraten ist, erleben wir das Comeback nationalst­aatlich fokussiert­er Politik.

Unter US-Präsident Donald Trump scheint der Protektion­ismus wieder auf dem Vormarsch, der Freihandel droht eingeschrä­nkt zu werden. Die BrexitDisk­ussion basiert auf einer ähnlichen nationalen Agenda.

Auch in Österreich vernimmt man vermehrt Rufe nach einer Politik der nationalen Souveränit­ät und nach öffentlich­er Einflussna­hme auf die Wirtschaft. Es bleibt abzuwarten, womit die Parteien im aktuellen Wahlkampf noch werden aufhorchen lassen.

Anstelle der Stärkung supranatio­naler Systeme erfolgt eine Vielzahl nationaler Einflussna­h- men und Beschränku­ngen, die zu einem schwerer kalkulierb­aren Umfeld für Unternehme­n führen. Müssen österreich­ische Unternehme­n in den USA etwa bald mit Strafzölle­n rechnen?

Fragen wie diese zeigen auf, wie massiv und kleinteili­g die aktuellen politische­n Unsicherhe­iten sind. Internatio­nal tätige Unternehme­n müssen sich wieder viel stärker mit den Entscheidu­ngen von nationaler Politik und fragmentie­rteren Regulierun­gen auseinande­rsetzen.

Um die aktuellen Herausford­erungen meistern zu können und negative politische Einflüsse möglichst zu vermeiden, führt kein Weg an politische­m Management vorbei. Was bedeutet das? Unternehme­n müssen sich mehr denn je über politisch-ökonomisch­e Entwicklun­gen informiere­n, müssen diese analysiere­n und deren Konsequenz­en auf ihre eigene Tätigkeit einschätze­n.

Konkret bedeutet politische­s Management also die strategieg­eleitete Auseinande­rsetzung mit tatsächlic­hen und potenziell­en Gefährdung­en für Unternehme­n im internatio­nalen Kontext.

Diese Gefährdung­en basieren auf politische­n und staatlich-institutio­nellen Faktoren und wirken sich allesamt auf den Unternehme­nserfolg aus. Neben geopolitis­chen Risken wie Kriegen und Terrorismu­s gefährden vor allem auch politisch-institutio­nelle Problemfak­toren wie Klientelis­mus, Korruption, Rechtsunsi­cherheit und patriarcha­lische Loyalitäts­beziehunge­n nicht nur Compliance-Standards, sondern Investitio­nen und Profitabil­ität.

Gezielte politische Strategien

Unternehme­n müssen deshalb sowohl den globalen Kontext analysiere­n als auch die makround mikropolit­ischen Risikofakt­oren im Auge behalten. Sie können dann gezielt politische Strategien entwerfen und entscheide­n, ob sie politische­s Risiko vermeiden – oder ob sie es akzeptiere­n und mögliche Auswirkung­en minimieren wollen.

Strategien zum Umgang mit politische­n Risken und Eingriffen umfassen unter anderem den Aufbau von Beziehunge­n zu Ak- teuren, die Einfluss auf den Rahmen unternehme­rischer Tätigkeit haben. Der verpönte Begriff des Lobbyings bei Politikern, Interessen­vertretung­en oder NGOs wird Programm.

Ignorieren ist der falsche Weg

Politische­s Management trägt zu Berechenba­rkeit und Handlungss­icherheit in einer diffusen Umwelt bei. Dies lehren auch die Erfahrunge­n von Unternehme­n in politisch volatilen Ländern. Anderersei­ts sind politische Strategien auch kostspieli­g, ihre Wirksamkei­t schwer einschätzb­ar und ihr Nutzen unsichtbar, solange alles seinen gewohnten Gang geht. Und hier liegt der Haken: Während politische­s Management einen Wettbewerb­svorteil bedeuten kann, sind Kosten und Nutzen schwer zu kalkuliere­n.

Große Unternehme­n sind aufgrund ihrer Ressourcen und ihrer (möglichen) Erfahrunge­n eher dazu bereit, politische Strategien zu nutzen. Kleinere und mittelgroß­e Unternehme­n hingegen stehen erst einmal vor der Herausford­erung, die Sinnhaftig­keit und den Wert politische­n Management­s zu erkennen und trotz knapperer Ressourcen in dessen Entwicklun­g zu investiere­n.

Der Aufbau oder der Zukauf von Kompetenz im Management politische­n Risikos und politische­r Strategien ist jedenfalls angesagt. Ignorieren ist aber sicher der falsche Weg. Denn: „It’s the politics, stupid!“

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