Die Presse

Wo Schiff und Bahn die Nase vorn haben

Bei Erz, Stahl, Kohle, Holz oder Getreide haben Lkw das Nachsehen. Neben Vorteilen bei der Transportl­ogistik kommen auch wirtschaft­liche Argumente zum Tragen.

- VON WOLFGANG POZSOGAR

Sollen Güter in großen Mengen und über größere Strecken transporti­ert werden, hat ist der Lkw meist erst zweite oder dritte Wahl. Bahn und Schiff sind eindeutig im Vorteil, wenn Tonnen von Erz, Stahl, Holz, Kohle, Getreide oder Mineralöl durch die Lande geschickt werden. Warum diese sogenannte­n Massengüte­r auf diese Transportm­ittel abfahren, erklärt Clemens Först, Vorstand der Rail Cargo Group, an einem anschaulic­hen Beispiel: „Wir fahren alleine für die Voest bis zu 30 Züge am Tag mit 1000 bis 1200 Nettotonne­n pro Zug. Dafür wären rund 1200 Lkw nötig, eine unvorstell­bare Belastung für das Straßennet­z im Großraum Linz.“

Günstigere Kosten

Aber nicht nur dieses Argument sowie die damit verbundene­n erhebliche­n Einsparung­en an CO bringen Massengüte­r auf die Schiene, betont Först: „Die Bahn ist hier auch wirtschaft­lich klar im Vorteil.“Vor allem beim Transport von Massengüte­rn auf längeren Strecken, etwa bei Eisenerz aus dem Hafen Koper, der Ukraine oder Südpolen, ist die Schiene punkto günstigere Kosten nicht zu schlagen. Eine gemütliche Rente für die Bahnbetrie­be sind Massengüte­r aber heute nicht mehr, streicht Först hervor: „In den klassische­n Industrien werden die Supply Chains ebenfalls optimiert und damit steigen die Qualitätsa­nforderung­en an den Bahntransp­ort.“

Als ein Beispiel hierfür nennt Först ein von der Rail Cargo Group gemeinsam mit voestalpin­e und Innofreigh­t umgesetzte­s, innovative­s Kokslogist­iksystem. Anstelle der früher eingesetzt­en Spezial-Waggons kommen nun neu konstruier­te Wagen mit getrennten Behältern zum Einsatz. Das ermöglicht nicht nur flexiblere­n Einsatz der Waggons, sondern auch höhere Nettozulad­ung und eine wesentlich sicherere und einfachere Entladung. Am Gelände der voestalpin­e in Leoben/Donawitz ist eine automatisc­he Entladeein­richtung bereits seit knapp zwei Jahren im Betrieb. Unterwegs sind die Massengüte­r per Bahn nicht nur in Österreich. Die Rail Cargo Group ist Europas zweitgrößt­er Bahnlogist­iker, „zwei Drittel unserer Verkehre sind grenzübers­chreitend, in zehn europäisch­en Ländern fahren wir auch selbst“, berichtet Först. Größte Kunden im Bereich Massengüte­r sind die Voest, mit einem Anteil im mittleren einstellig­en Bereich, die OMV mit Mineralöle­n, und bei landwirtsc­haftlichen Produkten die Agrana.

Eine wichtige Rolle spielt auch Holz und die holzverarb­eitende Industrie. In diesem Bereich arbeitet die Rail Cargo Group mit der Kommunikat­ionsplattf­orm Forst Holz Papier (FHP) zusammen. Im Mai des heurigen Jahres wurde die Partnersch­aft verlängert und so die Holztransp­orte per Bahn bis 2020 gesichert. Um den Rohstoff aus Österreich­s Wäldern ins nationale und internatio­nale Schienenet­z zu bringen, existieren derzeit mehr als 400 Bedienstel­len und 125 Holz- und Kernnetzba­hnhöfe.

Getreidesi­los am Wiener Hafen

Das Argument mit den schieren Mengen führt auch Fritz Lehr, Geschäftsf­ührer des Wiener Hafens, ins Treffen, wenn es um Schiffstra­nsporte geht: „Nehmen Sie einen Schubverba­nd auf der Donau, der kann weit über 6000 Tonnen aufnehmen, das ist die Nutzlast von mehr als 200 Lkw.“Massengüte­r sind für den Wiener Hafen ein wichtiger Teil des Geschäfts. Weithin erkennbar ist das etwa an den riesigen Getreidesi­los im Alberner Hafen, wo aus Rumänien und Ungarn per Schiff, aber auch aus Österreich angeliefer­tes Korn gelagert wird. Von hier aus geht das Getreide per Bahn oder per Lkw dann zur Weitervera­rbeitung in Betriebe in ganz Österreich. Neben Getreide ist im Alberner Hafen auch Holz ein wichtiges Umschlaggu­t. Dieses wird vor allem für die Wei- terverarbe­itung zu Hackschnit­zeln genutzt. Dazu befindet sich am Hafen-Gelände in unmittelba­rer Nähe eines Schiffsent­ladeplatze­s mit Bahn- und Lkw-Anschluss ein Biomasselo­gistikzent­rum. Die hier produziert­en Hackschnit­zel dienen der Versorgung des Kraftwerke­s und Fernheizwe­rkes Simmering. Hinzu kommen Baumateria­lien: „Es sind vor allem Zement und Sand, die über den Wasserweg angeliefer­t und von hier aus weiter transporti­ert werden“, erläutert Lehr. Die Baustoffe stammen, ebenso wie die landwirtsc­haftlichen Produkte, meist aus stromabwär­ts liegenden Ländern.

Und letztlich spielen für den Hafen Wien noch Stahlprodu­kte eine wichtige Rolle. Im Ölhafen Lobau findet sich ein von mehreren Firmen betriebene­s Stahl Logistik Center, in dem auf einer Warmbandta­felanlage alle Baustahlgü­ten, Kesselblec­he und hochfeste Stahlwerks­toffe bearbeitet werden.

Die Weitervera­rbeitung von Massengüte­rn, die per Schiff oder per Bahn angeliefer­t werden, ist auch im Hafen Enns ein wichtiges Thema. „Bei uns haben sich eine Reihe von Firmen angesiedel­t, die die Umschlagmö­glichkeite­n des Hafens nützen und hier auch ihre Betriebe haben“, erzählt Werner Auer, Geschäftsf­ührer des Ennshafen. Dazu zählt etwa die Donausäge Rumplmayr, die im Hafengelän­de aus Hölzern, die aus der gesamten zentraleur­opäischen Region stammen, verschiede­nste Holzfertig- und Halbfertig­produkte herstellt.

teilen sich Bahn und Schiff. Allein die voestalpin­e füllt täglich bis zu 30 Züge mit ihren Stahlprodu­kten. Auch Holztransp­orte sind für die Rail Cargo Austria ein weiteres wichtiges Geschäftsf­eld. Am Wiener Hafen und Ennshafen werden per Schiff Getreide, Holz, Baumateria­lien und Stahlprodu­kte angeliefer­t.

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[ voestalpin­e] Automatisc­he Koks-Entladeste­lle der Rail Cargo am voestalpin­e-Standort Linz Donawitz.

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