„E-Paper ist nicht mehr der Knaller“
Medientage. Die Branche zeigt sich optimistisch: Angriffe von außen lassen die „Kraft wachsen“, Paid Content ist der Hoffnungsschimmer. Zwei „Horizont“-Chefs im Interview.
Eines war bei den diesjährigen Medientagen auffällig: Der Pessimismus, der in den vergangenen Jahren die Diskussion vor allem über Printmedien prägte, ist einem spürbaren Optimismus gewichen. Und das, obwohl Auflagen- und Erlössituation schwierig bleiben und der Journalismus heute mehr denn je auf dem Prüfstand steht. Umfassend wurde auf der Branchenkonferenz etwa über Fake News diskutiert – über bewusst lancierte Unwahrheiten, die vor allem über soziale Medien leicht verbreitet werden können und die, weil sie oft angeklickt und geteilt werden, in den von Algorithmen zusammengestellten Meldungsleisten oft ganz oben landen.
„Das führt zu einer Diskussion über die Zuverlässigkeit von Informationen – eine Chance für starke Medienmarken, die ihren Lesern und Zuschauern deutlich machen: Hier gehst Du kein Risiko ein“, sagt Uwe Vorkötter, Chefredakteur des deutschen „Horizont“, in einer Doppel-Conference´ mit der österreichischen „Horizont“-Chefredakteurin, Marlene Auer, am Rande der Medientage. Auch der wohl bekannteste Medienkritiker, Donald Trump, hilft den Qualitätsmarken mit seinen Angriffen eher als sie zu schädigen, ist Auer überzeugt: „Mit jedem Versuch von Trump, kritische Bericht- erstattung abzudrehen, wächst die Kraft der Medien. In den USA hat die Fake-News-Debatte einen Zulauf zurück zu klassischen Medien gebracht: Die Auflage der ,Washington Post‘ oder der ,New York Times‘ sind während des US-Wahlkampfs gestiegen.“Wer ein Medium, eine Marke kenne, werde im Zweifelsfall darauf zurückgreifen, ist Auer sicher: „Es ist eine Frage des Vertrauens.“
Vor allem der Tageszeitungsmarkt sei „ein schwieriges Feld“, sagt Vorkötter. „Wir haben unverändert einen schleichenden Niedergang – uns aber daran gewöhnt.“Einer der Hoffnungsträger, das E-Paper, wurde auf der Konferenz nicht diskutiert. „Das E-Paper ist nicht mehr der Knaller für die Zukunft“, glaubt der Branchenkenner – obwohl die elektronische Zeitung bei großen nationalen Titeln wie der „FAZ“oder der „Süddeutschen Zeitung“mehr als zehn Prozent der Auflage ausmachen.
„Netflix ist Vorreiter bei Paid Content“
Wo liegen die Hoffnungen? „Bei den Zeitungen spielt die Musik im Bereich Paid Content“, so Vorkötter: „Man versucht, die Leute bei der Onlinenutzung dazu zu bewegen, dass sie für das Angebot bezahlen.“Zwar sei eine Generation herangewachsen, „die gelernt hat, dass Information im Internet gratis ist“, sagt Auer – andererseits seien gerade junge Zielgruppen bereit, für Streaming-An- gebote zu zahlen: „So gesehen sind Netflix, Spotify, Amazon Vorreiter bei Paid Content.“
Neben der zunehmenden Fragmentierung des Marktes beobachtet Vorkötter einen Trend zur Konsolidierung: „Kleinere Zeitungen docken an größere Gruppen an. Wir werden in Deutschland in drei Jahren noch vier bis fünf große Regionalzeitungsgruppen haben – die ,Hannoversche Allgemeine Zeitung‘, die Südwestdeutsche Medien Holding in Stuttgart, die Funke-Gruppe in Essen. Diese saugen die Kleineren auf.“Das werde „natürlich“dazu führen, dass überregionale Inhalte für verschiedene Zeitungen gemeinsam produziert werden. Journalistisch ist das nicht ideal. „Aber es ist betriebswirtschaftlich unausweichlich und sichert das Überleben einzelner Titel.“
Generell funktioniere der Zeitschriftenmarkt besser als der Zeitungsmarkt, sagt Vorkötter – und nennt als Beispiel Gruner+ Jahr: „Sie haben sehr viele Produkte auf den Markt gebracht – und die Experimentierfreude hat sich ausgezahlt.“So sei etwa aus der Onlineplattform chefkoch.de ein Printheft entstanden. Umgekehrt, so Auer, habe die Zeitschrift „Miss“der Styria (zu der auch „Die Presse“gehört) zum Printprodukt eine Online-Community aufgebaut, sich stark auf soziale Medien konzentriert und so „neue Zielgruppen gewonnen, die wiederum potenzielle Printabonnenten sind“.