Die Presse

Nein, Herr Haselstein­er, das stimmt einfach nicht

- E-Mails an: debatte@diepresse.com Botschafte­r der Ukraine, 1180 Wien

niens ist daher unmöglich.“Diese Position verkennt die Katalonien­Frage als juristisch­es Problem, dabei handelt es sich um ein politische­s. Mit demselben Argument hätte man auch die Auflösung der Habsburger­monarchie, der Sowjetunio­n oder Jugoslawie­ns für unmöglich erklären können.

Ausschlagg­ebend kann nicht Spaniens Verfassung, sondern nur der demokratis­che Wille des katalanisc­hen Volks sein. Dass die spanische Regierung die Abhaltung einer Volksabsti­mmung mit allen Mitteln verhindern möchte, bezeugt weniger ihr rechtsstaa­tliches Engagement als ihre antidemokr­atische Gesinnung.

Dass sie dabei grundlegen­de bürgerlich­e Freiheiten wie Meinungsfr­eiheit, Pressefrei­heit und Versammlun­gsfreiheit mit Füßen tritt und katalanisc­he Regierungs­beamte verhaften lässt, sollte im Europa des 21. Jahrhunder­ts nicht ohne Widerspruc­h hingenomme­n werden. „Ich glaube, Kern hat mehr Substanz“, Oliver Pink, 21. 9. Im Interview mit dem österreich­ischen Bauunterne­hmer Hans Peter Haselstein­er wurden Behauptung­en gemacht, zu denen ich als Botschafte­r Stellung nehmen muss. Die Behauptung, die Sanktionen gegen Russland wären wirkungslo­s, „trafen die Falschen“und entsprache­n nur den amerikanis­chen Interessen, ist zumindest fraglich.

Nach der illegalen Annexion der Krim, dem Erscheinen der Putin’schen „grünen Männchen“im Donbas und dem daraus folgenden Krieg, nach zehntausen­d Toten, nach dem de facto zerstörten Sicherheit­ssystem in Europa könnte man von einem Europäer mehr Sensibilit­ät und Verständni­s erwarten, was das Ziel und die Ursache der Sanktionen angeht.

Russland kam in die Ukraine, zerstörte das Leben von Tausenden, trieb über zwei Millionen in die Flucht. Ich frage mich, ob Herr Haselstein­er so verständni­svoll zu jemandem wäre, der sein Leben zerstört hat. Wie oft, scheint hier das Putin-Verständni­s ein Synonym für Gleichgült­igkeit gegenüber dem Leiden anderer zu sein.

Nein, Herr Haselstein­er, die Sanktionen sind nicht wirkungslo­s. Sie sind einer der zwei Großfaktor­en, die zwischen dem Großmachtw­ahn Putins und dem Frieden im europäisch­en Alltag steht. Der andere Faktor ist die Bereitscha­ft Tausender Ukrainer, ihr Leben zu geben, damit die Freiheit der Ukraine nicht zerquetsch­t wird. Gäbe es diese Menschen nicht und gäbe es die Sanktionen nicht, stünden Putins Panzer bereits viel näher an Europa.

Die Sanktionen sind die einzige Linie, die zwischen Gut und Böse gezogen wurde, nachdem Putin alle denkbaren Verpflicht­ungen Russlands gebrochen und diesen teilweise offenen, teilweise verdeckten Krieg gegen die Ukraine entfacht hat. Und nein, Herr Haselstein­er, sie treffen nicht „die Falschen“, sondern diejenigen, die die undenkbare­n Entscheidu­ngen Putins mittrugen und in Erfüllung brachten. Zumindest diese Namen stehen auf den Einreiseve­rbotsliste­n der EU.

Sie wollen Russland in Europa sehen? Das wollten wir in der Ukraine auch. Bis der Kreml uns klarmachte, wie wenig er von Europa und seinen Werten hält. Wir sehen Russland aus der Nähe, viel klarer als Sie – und das, was wir sehen, ist erschrecke­nd.

Nein, Russland will nicht in die EU. Die heutige russische Elite hat es niemals gewollt. Die Idee, dass der KGB-Oberst Putin Russland in die EU bringen wollte, ist naiv, um es milde auszudrück­en. Sie sagen „ein vereintes Europa unter Einfluss Russlands wäre ein GAU für Amerika“. Wäre so ein Europa nicht ein GAU für Europa selbst? Wäre so ein Europa etwa im Sinne Herrn Haselstein­ers?

Und natürlich hat weder die EU noch die Nato jemals „eine Einladung an die Ukraine ausgesproc­hen“. Das stimmt einfach nicht. Daher steht die ganze Prämisse von Herrn Haselstein­er auf tönernen Füssen. Vor allem: Die innerhalb von wenigen Wochen durchgefüh­rte Annexion der Krim durch Russland war nichts anderes als ein nicht provoziert­er eklatanter Landraub in den schlimmste­n Traditione­n der Mitte des 20. Jahrhunder­ts. Gerade in Österreich müsste das besonders offensicht­lich sein.

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