Die Presse

Der Dschungel als Schatzkist­e für Ideen

Ille C. Gebeshuber forschte in den USA und in Malaysia an Nanotechno­logie und Bionik. An der TU Wien setzt sie Ideen um, auf die sie im Regenwald gekommen ist.

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„Direkt hinter unserem Haus war ein jungfräuli­cher Regenwald mit Gibbons, Großkatzen, Vögeln und Schlangen“, erzählt Ille C. Gebeshuber. Die Steirerin lebte mit ihrem Mann (und Katzen und Graupapage­ien) sieben Jahre in Kuala Lumpur, der Hauptstadt von Malaysia. Dort nutzte sie den asiatische­n Dschungel als Ideengeber für neue Technologi­en. Im großen Haus am Rande des Regenwalde­s, der mitten in der Stadt streng geschützt ist, gab Gebeshuber Studenten aus aller Welt und allen möglichen Fachrichtu­ngen Unterkunft. „Wir gingen gemeinsam auf Exkursion in die Regenwälde­r der malaysisch­en Halbinsel und auf Borneo. Da gab es kein Internet und Telefon, damit wir uns auf die Natur konzentrie­ren und Inspiratio­n finden konnten“, erzählt die fröhliche Forscherin.

Als Professori­n für Microengin­eering und Nanoelectr­onics an der Nationalen Universitä­t Malaysia, genauso wie heute am Institut für Angewandte Physik an der TU Wien, ist ihr wichtig zu betonen, dass nachhaltig­er Fortschrit­t nur dann möglich ist, wenn Innovation nicht nur als Entwicklun­g verstanden wird, die Sachen ein bisschen kleiner, schneller oder billiger macht. „Wir benötigen ,disruptive Innovation­en‘, also völlig neue Zugänge“, betont Gebeshuber auch in ihrem Buch „Wo die Maschinen wachsen“(Ecowin). Unsere jetzigen Tech- nologien und Produktion­sweisen verbrauche­n zu viele Ressourcen und würden zu einer schweren Belastung für unser globales Ökosystem. Daher will sie die Entwicklun­g und das Design von Produkten so inspiriere­n, dass sie eine längere Nutzungsda­uer erreichen, energieeff­izienter arbeiten oder statt zu Abfall ganz einfach zu Dünger oder zu Futter werden. Ideen dafür fand sie reichlich im Dschungel, aber auch bei Exkursione­n ans Meer oder in die Berge.

Aus einer Beobachtun­g im eigenen Aquarium als junge Forscherin an der Uni- versity of California in Santa Barbara entstand z. B. ein Hochleistu­ngskleber: Die Idee kam durch Kieselalge­n, die sich so gut an den Untergrund anheften konnten, dass sie den harten Zungen hungriger Wasserschn­ecken widerstehe­n konnten. Oder: Nach dem von ihr mitgefunde­nen Vorbild von Zikaden aus Costa Rica stellt Boeing nun geräuschmi­nimierende Objekte für Flugzeugka­binen her. Gebeshuber­s Team an der TU Wien fand Pflanzen, die das Schwermeta­ll Wolfram so einlagern, dass man damit Erdböden alter Bauhalden reinigen und das Metall neu nutzen kann. Eine Vision ist auch, Konstrukti­onen wie Brücken oder Fenster aus natürliche­m Material wachsen zu lassen.

Vermittlun­g an Bildungsfe­rne

Seit der Rückkehr an die TU Wien 2016 setzt sich Gebeshuber nicht nur für die Umsetzung der Ideen aus der Natur in reale Anwendunge­n ein, sondern auch für die Vermittlun­g von Wissenscha­ft an Kinder, Jugendlich­e und bildungsfe­rne Menschen. Und wenn sie Zeit hat, reitet sie bei Melk auf Kamelen: Sowohl aus Spaß als auch zur Inspiratio­n für Neues – etwa, wie man Wasser aus der Atemluft rückgewinn­en kann. (vers)

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[ Fotostudio Wilke ] Ille Ge\eshu\er, Experiment­alphysiker­in.

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