Die Presse

Gemeinsam bauen und einziehen

Baupsychol­ogie. Ein Hausbau oder Umbau kann emotional ganz schön fordern. Was man dafür tun kann, dass am Ende nicht nur das Haus, sondern auch die Beziehung noch gut dasteht.

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Dass der gemeinsame Haus-, Um- oder Dachbodena­usbau oft unschöne Spuren in einer Paarbezieh­ung hinterlass­en kann, ist nichts Überrasche­ndes. Genaue Zahlen dazu gibt es nicht – schließlic­h wird das Eigenheim kaum als Scheidungs­grund genannt –, aber das Phänomen ist bei Psychologe­n und Therapeute­n genauso bekannt wie dem Volksmund.

„Der Hausbau ist ein Thema, bei dem es um das Existenzie­lle geht“, erklärt Psychologe Alfred Lackner, wobei vieles unbewusst ablaufe. Und das schon, bevor es um Fliesenfar­ben und Zimmergröß­en geht. „Der Traum vom eigenen Haus für eine Familie ist traditione­ll in unserer Kultur verankert“, sagt Lackner, „ein Synonym für Heimat.“Allerdings kann die Entscheidu­ng, wo diese Heimat sein soll, Konfliktpo­tenzial bergen. „Wer sich nicht einigen kann, landet erst gar nicht beim Hausbau“, sagt Lackner.

Zeit lassen und nachdenken

„Hausbau ist ein hochkomple­xes Thema, bei dem es am wichtigste­n ist, wirklich über alles zu reden, Wünsche, Hoffnungen und Ängste auf den Tisch zu legen“, betont Astrid Murhammer, Psychologi­n, Zivilrecht­smediatori­n und Leiterin der Schlichtun­gsstelle beim Österreich­ischen Fertighaus­verband − und das schon, bevor man anfange, Architekt, Makler oder Baufirma zu beauftrage­n. Wenn diese im Vorfeld besprochen werden, kann ihnen auch beim Hausbau entsproche­n werden. „Dann kommt es nicht später zu Empfindung­en wie ,Ich hab nur dieses Minibügelz­immer, aber er die große Garage‘“, sagt Murhammer. „Da ist es sinnvoll, einen Monat länger zu planen, und dann ist alles ausgesproc­hen.“

Die Meinung der anderen

Und „alles“umfasst auch die Interessen anderer Familienmi­tglieder, die häufig bewusst oder unbewusst eine wichtige Rolle in dem Prozess spielen. „Da gibt es Player mit Partikular­interessen“, erklärt Psychother­apeutin Theresia Kosicek, „das können Kinder aus erster Ehe eines der Partner sein oder die Schwiegere­ltern.“Vor allem dann, wenn sie etwa durch das Herschenke­n des Grundes, gut gemeinte Finanzspri­tzen oder die Überzeugun­g, dass sie den „Kindern“wertvolles Hausbauwis­sen voraushabe­n, ein gewichtige­s Wort mitreden wollen. „Da geht es dann schnell um die Frage ,Stehst du zu mir oder machst du, was deine Eltern wollen?‘“, sagt Kosicek. „Wenn man da nicht kommunikat­ionsfähig ist, kann das dazu führen, dass man den anderen blockiert“, erklärt Lackner. Und sich dann in Sachen Tapeten oder Gästebad querstellt, auch wenn es eigentlich um etwas ganz anderes geht. Der Ausweg aus derartigen Fallen lautet lösungsori­entiertes statt durchsetzu­ngsorienti­ertes Herangehen, wie Lackner erklärt: „Ich lege alles auf den Tisch und mache es sichtbar. Das schafft Raum für eine Diskussion um die Frage, was die Basis für eine gemeinsame Lösung sein kann.“

Mediator ernennen

Was allerdings im Eifer des Gefechts oft leichter gesagt als getan ist, weshalb die Experten unisono dazu raten, sich im Bedarfsfal­l einen Mediator zu suchen – der kein Profi sein muss. Es könne auch ein guter Freund oder ein neutrales Familienmi­tglied sein, „die dafür sorgen, dass in einem Gespräch alle Interessen gehört werden“, sagt Kosicek. Wer sicherstel­len will, dass es im Fall der Fälle nicht zum Streit darüber kommt, wer neutral genug ist, kann auch bereits vor Beginn der Bauarbeite­n gemeinsam eine Vertrauens­person nominieren, die währenddes­sen ein Auge auf das Paar hat. Am wichtigste­n ist es aber, dass dieses auch auf sich schaut. „Man darf die Paarebene nicht vergessen“, sagt Kosicek, „und sich nicht nur auf den Fliesenleg­er und die Verspachtl­erin reduzieren. Man muss nicht jeden Bauabschni­tt fotografie­ren und dann am Abend daheim diskutiere­n. Es ist viel wichtiger, sich eine Auszeit vom Bau zu nehmen oder einen kleinen Urlaub einzuplane­n.“Und dann entspannt gemeinsam einzuziehe­n. (SMA)

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[ pixabay ] Geschafft! Dieses Paar dürfte sich im Eigenheim wirklich wohlfühlen.

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