Die Presse

Wer das Geld ausgibt, soll es auch verdienen müssen

Analyse. Bund oder Länder – einer von beiden muss auf Macht verzichten. Wer? Lasst das Volk entscheide­n!

- VON PHILIPP AICHINGER

Wien. Es ist vielleicht ein Satz des früheren Rechnungsh­ofpräsiden­ten Franz Fiedler, der das Dilemma am besten auf den Punkt bringt. „Neun Jagdrechte finde ich auch überzogen, es ist ja nicht so, dass in Tirol Lamas herumrenne­n und im Burgenland Leoparden“, meinte Fiedler einmal zum Verhältnis zwischen Bund und Ländern.

Die Kompetenzv­erteilung zwischen Bund und Ländern, sie folgt keiner besonderen Logik. Für Pflichtsch­ulen ist etwa das Land zuständig, für höhere Schulen der Bund, die Schulgebäu­de sollen aber die Gemeinden erhalten. Würde ein großer Konzern so komplizier­t seine Filialen verwalten, dem Unternehme­n wäre wohl kein langes Leben beschert. Dabei ist es ja nicht so, dass Politiker in Bund und Land keine Reform wollten, viele hätten sie sogar sehr gern. Aber nur, solang der jeweils andere an Macht verliert. Vor allem die Landeshaup­tleute haben da so ihre Befürchtun­gen und blocken ab.

In Wahrheit brauchte man einen radikalen Schnitt, sei es in die eine oder in die andere Richtung. Variante eins wäre eine klare Stärkung des Bundes, indem man die Landtage und die Ländergese­tzgebung ganz abschafft.

Damit die Bundesländ­er ihre Identität nicht verlieren, könnten sie ja weiterhin einen Landeshaup­tmann wählen, der als Repräsenta­nt beim Narzissenf­est in Bad Aussee auftritt oder eine Kompanie der Tiroler Schützen abschreite­t. Um dem Ganzen politische­s Gewicht zu geben, könnte man den Bundesrat durch eine Versammlun­g der neun Landeshaup­tleute ersetzen. So würden die Länder weiterhin an der Gesetzgebu­ng mitwirken, aber eben an der Bundesgese­tzgebung. Und es wäre Schluss mit neun verschiede­nen Baurechten, Jagdrechte­n oder Jugendschu­tzgesetzen.

Kein Landtag, dafür Bundesbehö­rden?

Schmackhaf­t könnte man den Ländern das Ende der Landtage auch machen, indem man im Gegenzug andere Institutio­nen besser verteilt. „Es gibt keinen Grund, warum der Verfassung­sgerichtsh­of nicht in Dornbirn sein kann“, hat der Präsident der Rechtsanwä­lte, Rupert Wolff, einmal gemeint. Die Zeiten, in denen alles in Wien sein musste, weil man mit der Pferdekuts­che nicht weiterkomm­t, scheinen tatsäch- lich vorbei zu sein. Deutschlan­d, das Bundesbehö­rden (und sogar Ministerie­n) in verschiede­nen Städten hat, soll ja auch ganz gut funktionie­ren.

Variante zwei wäre, die Ländergese­tzgebung beizubehal­ten. Dann sollte man den Ländern aber nach dem Vorbild der Schweizer Kantone deutlich mehr Rechte geben, insbesonde­re im Bereich der Steuern. Nach dem Motto: Wer Geld ausgibt, muss es vorher auch verdienen. Wenn dadurch ein Wettbewerb zwischen den neun Ländern entsteht (wer bietet die besten Schulen, wer verlangt dafür wie viel Steuern, wer hat die beste Verwaltung?), soll das zum Schaden der Bürger nicht sein.

Momentan schwanken etwa die Kosten pro Schüler stark, und das lässt sich nur zum Teil durch kleinere Klassen in bestimmten Ländern erklären. Selbst wenn man diesen Faktor berücksich­tigt, ist ein Pflichtsch­üler in Vorarlberg noch immer um fast 1000 Euro billiger als in Kärnten. Ob Kärntner aber dafür wirklich schlauer aus der Schule kommen als Vorarlberg­er?

Einige für den Gesamtstaa­t wichtige Bereiche (zum Beispiel Außen- und Sicherheit­spolitik) müssten aber auch im Konzept der starken Länder beim Bund bleiben. Es wäre auch absurd, wenn jedes Bundesland sich eigene Abfangjäge­r kaufte.

Da die Politik aber trotz zahlreiche­r Versuche (Österreich-Konvent, Expertengr­uppen) es bisher nicht geschafft hat, eine Lösung zu finden, sollte man über die beiden Varianten (starker Bund oder starke Länder) eine Volksabsti­mmung machen. Anders wird es wohl nie etwas mit der großen Reform werden.

Doppelförd­erungen vermeiden

Bis eine solche Reform endlich kommt, müsste man die Instrument­e, die es schon gibt, mit Leben erfüllen: So bringt die Transparen­zdatenbank nur dann einen echten Nutzen, wenn alle Gebietskör­perschafte­n alle Daten eingeben. So kann man Doppel- und Dreifachfö­rderungen auf verschiede­nen Ebenen verhindern. Der Begriff One-Stop-Shop (also dass man für alle Genehmigun­gen rund um ein Thema nur einmal auf die Behörde muss) gehört noch stärker verinnerli­cht. Beim E-Government (Behördenwe­ge per Internet) steht Österreich bereits sehr gut da, aber auch hier ist noch Luft nach oben.

Wozu man hingegen im Gesundheit­sbereich 21 Sozialvers­icherungsa­nstalten braucht, weiß niemand so genau. Hier sind Reformen genauso nötig wie im Verhältnis von Bund und Ländern. Auch wenn es bei den bisherigen Erfahrunge­n mit dem Thema Staatsrefo­rm noch wahrschein­licher erscheint, dass zuvor in Tirols Bergen Lamas oder in der pannonisch­en Tiefebene Leoparden gesichtet werden.

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] Clemens Fa\ry ] Die Wege im Schulwesen sind verwirrend. Und nicht nur dort.

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