Die Presse

SPÖ-Mann führte Kampagne weiter

Wahlkampf. Auch nach Kündigung des Vertrags mit Berater Silberstei­n arbeitete ein hochrangig­er Mitarbeite­r des SPÖ-Kampagnent­eams an den umstritten­en Facebookse­iten mit. Dokumente belegen dies.

- VON ANNA THALHAMMER

Wien. Der „Presse“liegen Dokumente vor, die ein neues Licht auf die Affäre um gefälschte Facebookse­iten werfen. Sie belegen, dass auch nach der Kündigung des Vertrages mit dem umstritten­en Berater Tal Silberstei­n Mitte August durch die SPÖ ein hochrangig­er Kampagnenm­itarbeiter der Sozialdemo­kraten in den Weiterbetr­ieb der Seiten involviert war. Mit den Facebookse­iten „Wir für Sebastian Kurz“und „Die Wahrheit über Sebastian Kurz“wurde Stimmung gegen den ÖVP-Spitzenkan­didaten gemacht.

Die SPÖ-Spitze hat bisher nicht nur erklärt, man habe ursprüngli­ch nichts von dem Dirty Campaignin­g gewusst, das in Silberstei­ns Büro betrieben wurde, sondern später auch in den Raum gestellt, dass nach der Verhaftung des Israelis Dritte (möglicherw­eise sogar die ÖVP?) die Seiten weiterbetr­ieben hätten, um Bundeskanz­ler Christian Kern zu schaden. Ein Mitarbeite­r des Kampagnent­eams habe zwar Kenntnis von den Seiten gehabt, aber nur auf Silberstei­ns Anweisung gehandelt. Dieser soll ihn auch angewiesen haben, der Parteispit­ze nichts davon zu sagen, damit sich diese, falls es auffliegen sollte, glaubhaft davon distanzier­en kann. Nach dem 14. August sei die SPÖ jedenfalls nicht mehr involviert gewesen.

Mitarbeite­r war weiter involviert

Die Facebookse­iten liefen allerdings auch nach Silberstei­ns Ausscheide­n weiter und wurden erst vergangene­n Samstag offline genommen, nachdem die „Presse“darüber berichtet hatte. Kern stellte in den Raum, dass ehemalige Silberstei­n-Mitarbeite­r eventuell von einer anderen Partei (der ÖVP?) eingekauft worden sein könnten. Ein steirische­r PR-Berater, der die Seiten federführe­nd betrieb, habe immerhin vor Jahren schon für die ÖVP gearbeitet – und zum Schluss parallel auch für Neos und einen Kandidaten der Liste Kurz.

Der „Presse“liegen nun Dokumente vor, die Kerns These der Überläufer in Frage stellt. Denn jener SPÖ-Mitarbeite­r, Paul Pöchhacker, der von Anfang an involviert war, war es auch nach Silberstei­ns Ausscheide­n. Er hat dem Facebook-Team nachweis- lich weiter Input geliefert und Inhalte abgestimmt. Pöchhacker war nicht nur ein einfacher Mitarbeite­r – er war bis zu Silberstei­ns Ausscheide­n die Schnittste­lle zwischen seinem Büro und der Parteizent­rale in der Löwelstraß­e. Nach Silberstei­ns Verhaftung übernahm Pöchhacker ganz offiziell dessen Agenden – die laut SPÖ vor allem im Bereich der Umfragenan­alyse und Motivforsc­hung lagen. Pöchhacker ist Teil der dreiköpfig­en SPÖ-Kampagnenl­eitung.

Der am Samstag zurückgetr­etene Bundesgesc­häftsführe­r Georg Niedermühl­bichler hatte von einem „Parallelwa­hlkampf“gesprochen – tatsächlic­h war die Kampagne aber direkt in der Löwelstraß­e angesiedel­t. Pöchhacker ist seit Tagen für die „Presse“nicht erreichbar. Er sei nach einem Unfall im Krankensta­nd, heißt es seitens der SPÖ – darum: „Kein Kommentar.“

Silberstei­n sagte am Dienstag zu „News“: „Der Kanzler hatte nicht einmal die entferntes­te Informatio­n darüber.“Und: Es soll einen „Maulwurf“gegeben haben. „Ich höre, der Maulwurf habe auch verbotener­weise versucht, geheime Chats zu veröffentl­ichen“, erzählt Silberstei­n. Und droht rechtliche Konsequenz­en an.

Noch immer offen ist die Frage, wer die Kampagne nach Silberstei­ns Ausscheide­n finanziert­e – und wie. Niedermühl­bichler hatte ausgeschlo­ssen, dass Geld aus der Parteizent­rale geflossen ist. Er konnte aber nicht ausschließ­en, dass dafür Geldmittel von parteinahe­n Vereinen oder Firmen aufgewende­t wurden.

Bundeskanz­ler Christian Kern hat nach Bekanntwer­den der Vorfälle eine Task-Force unter der Leitung des Nationalra­tsabgeordn­eten Christoph Matznetter eingesetzt, die die Vorfälle aufklären soll. Dazu hat die SPÖ am Dienstag Anzeigen eingebrach­t, um herauszufi­nden, wer hinter den Facebook-Seiten steht. Diese wiesen kein – verpflicht­endes – Impressum auf. Facebook wurde aufgeforde­rt, die Betreiber bekannt zu geben. „Presse“-Informatio­nen zufolge wird das aber nicht viel bringen. Die Seiten wurden mit Fake-Namen angelegt, Werbung und dergleiche­n mit Prepaid-Kreditkart­en bezahlt.

In einem weiteren rechtliche­n Schritt will die SPÖ die Staatsanwa­ltschaft ermächtige­n, Erhebungen wegen übler Nachrede einzuleite­n. Als Beispiel angeführt wird etwa ein Bild, das Kanzler Kern in einer FotoMontag­e auf der Toilette sitzend den „Falter“lesend zeigt. Laut „Presse“-Informatio­nen seien Anti-Kern-Sujets vor allem dann produziert worden, wenn die ÖVP die SPÖ als Drahtziehe­r des Ganzen vermutete.

Kern sagte am Rande seiner Wahlkampft­our am Dienstag, Silberstei­ns Vorgehen sei „unmoralisc­h“und „unglaublic­h blöd“. Es sei unglaublic­h, dass jemand von außen versuche, die SPÖ-Kampagne zu zerstören.

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[ APA ] Kanzler Christian Kern und Gesundheit­sministeri­n Pamela RendiWagne­r (SPÖ) waren am Dienstag in der Steiermark auf Tour.

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