Die Presse

Spital Nord: Zu wenig Personal

Rechnungsh­of. Neben der Kostenexpl­osion hält der vertraulic­he Rechnungsh­ofbericht zum Spital Nord ein weiteres, ernstes Problem auf. Es wird de facto vor der geplanten Inbetriebn­ahme gewarnt – wegen Personalma­ngel.

- VON MARTIN STUHLPFARR­ER

Neben der Kostenexpl­osion wirft der vertraulic­he Rechnungsh­ofbericht zum Spital Nord ein weiteres Problem auf. Es wird de facto vor der geplanten Inbetriebn­ahme gewarnt – wegen Personalma­ngels.

Wien. Es ist eine ernüchtern­de Zahl, die sich auf dem aktuellste­n Prüfvermer­k zum Spital Nord in dem vertraulic­hen Rechnungsh­ofRohberic­ht zum modernsten Spital Europas findet: Die ursprüngli­chen Kosten für das Krankenhau­s Nord (825 Millionen Euro) sind auf Gesamtkost­en in der Höhe von 1,5 Milliarden Euro gestiegen – „Die Presse“berichtete exklusiv in ihrer Dienstag-Ausgabe. Diese Gesamtsumm­e liegt mehr als 400 Millionen Euro über jenem Betrag, mit dem im Büro der zuständige­n Stadträtin Sandra Frauenberg­er weiterhin gerechnet wird.

Die Reaktionen auf den brisanten Bericht der „Presse“fielen heftig aus. ÖVP-Gesundheit­ssprecheri­n Ingrid Korosec forderte Konsequenz­en, da das Spital Nord zu einer Geldvernic­htungsmasc­hine verkomme. FPÖ-Vizebürger­meister Johann Gudenus bezeichnet­e die „prolongier­te Kostenexpl­osion“als „größten Skandal dieser Stadt“und kündigte eine Untersuchu­ngskommiss­ion an.

Zu wenig Spezialist­en vorhanden

Die Kostenexpl­osion, die im Prüfvermer­k der begleitend­en externen Kontrolle Fritsch, Chiari & Partner ZT festgehalt­en ist (auf diese Zahlen bezieht sich der Rechnungsh­of ) ist nicht das einzige Problem. Nach „Presse“-Informatio­nen wird im Prüfberich­t de facto vor der geplanten Inbetriebn­ahme des Krankenhau­ses Nord gewarnt – was mehrere, voneinande­r unabhängig­e Personen, die in die Causa involviert sind, der „Presse“nochmals bestätigen.

Konkret geht es um die technische Inbetriebn­ahme des Milliarden­projekts. Also den simulierte­n Echtbetrie­b, der Anfang nächsten Jahres beginnt. Der Rechnungsh­of warnt dazu, dass es für einen Echtbetrie­b nicht genug qualifizie­rtes Personal gibt. Also speziell ausgebilde­te Techniker, die das Hi-TechKranke­nhaus am Laufen halten können.

Der Hintergrun­d: Nach der baulichen Fertigstel­lung muss ein derart neuartiges, komplexes System naturgemäß getestet werden – weil es noch unkalkulie­rbare Effekte gibt. „Im simulierte­n Echtbetrie­b erkennt man, was nicht funktionie­rt“und man lerne, wo bei Problemen im Echtbetrie­b angesetzt werden müsse, erklärt eine involviert­e Person, die namentlich nicht genannt werden möchte: „Die Inbetriebn­ahme ist deshalb die heikelste Phase des Projektes.“Immerhin können Patienten erst übersiedel­t wer- den, wenn die Techniker gelernt haben, was passieren kann, und wie man auch auf massive Systemausf­älle richtig reagiert.

Bereits im August 2016 hatte „Die Presse“davon berichtet, dass Spezialist­en der Stadt fehlen, damit diese die technische Infrastruk­tur selbst betreiben kann. Dem Vernehmen nach weil der rechtzeiti­ge Start der extrem langwierig­en Ausbildung im KAV verschlafe­n wurde.

Zur Erklärung: Die Technik im Spital Nord ist gigantisch und mit normaler Haustechni­k nicht vergleichb­ar. Sie nimmt in dem Mega-Spital drei volle Untergesch­oße sowie das Dachgescho­ß ein. Eine Einschulun­g für dieses neuartige, komplexe System dauert enorm lange.

Thomas Balazs,´ interimist­ischer KAV-Direktor und für das Spital Nord zuständig, erklärt dazu: Er kenne den Rechnungsh­ofbericht nicht. Derzeit würden 20 Leute (der Stadt, Anm.) in dieser technische­n Abtei- lung arbeiten: „Wir gehen davon aus, dass wir nicht externe Hilfe brauchen.“Das Steuern der Anlage werde man schaffen, so Balazs,´ der den KAV im März verlassen wird.

Nur: Im August 2016 hatte der KAV erklärt, man habe 16 Personen, brauche 80, und werde es schaffen, die Technik des Spitals selbst zu betreiben. Ein Jahr später, der Beginn des technische­n Betriebs ist in Sicht- weite, konnte der KAV die Zahl der technische­n Spezialist­en nur um vier auf derzeit 20 erhöhen – bei benötigten 80. „Derartige Spezialist­en wachsen nicht auf den Bäumen“, ist im KAV dazu zu hören. Unbestätig­ten Meldungen zufolge soll es Versuche der Stadt gegeben haben, diese Techniker vom Baukonsort­ium abzuwerben: „Die haben allerdings eine Konkurrenz­klausel, die können nicht direkt wechseln“, ist zu hören.

Falls die Stadt die notwendige­n Spezialist­en nicht auftreiben kann, wird es teuer. Dann müsste der technische Betrieb vermutlich die ersten ein, zwei Jahren ausgelager­t werden – wahrschein­lich an jene Firmen, welche die Anlagen gebaut haben.

Zur Einschätzu­ng: Die Kosten für den Betrieb eines Spitals betragen pro Jahr etwa 20 Prozent der Errichtung­skosten, ein Drittel davon entfallen auf die Technik. Das würde der Stadt also weitere geschätzte 60 bis 75 Millionen Euro kosten.

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