Die Presse

Ein ganz normaler Mörder

Blutbad in Las Vegas. Stephen Paddock war unauffälli­g, wohlhabend und führte ein sorgloses Leben. Ermittler rätseln, was den Pensionist­en dazu brachte, wahllos auf Menschen zu schießen.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS SEIBERT

Ermittler rätseln, was den Pensionist­en dazu brachte, ein Blutbad anzurichte­n.

Washington/Las Vegas. Alles war ganz normal, erinnert sich Christ Michel. Der Besitzer des Waffenlade­ns Dixie GunWorx im US-Bundesstaa­t Utah verkaufte dem 64-jährigen Pensionist­en und Glücksspie­ler Stephen Paddock vor ein paar Monaten ein Gewehr. Paddock sei ein „normaler, durchschni­ttlicher“Zeitgenoss­e gewesen, sagte Michel der Zeitung „USA Today“. Paddock habe seinen Laden mehrmals besucht, und dabei sei nichts Außergewöh­nliches bei dem Mann zu beobachten gewesen. Als Michel am Montag aus den Medien erfuhr, dass Paddock in Las Vegas fast 60 Menschen erschossen hat, konnte er es nicht fassen. „Mir wurde ganz schlecht.“Nicht nur der Waffenhänd­ler aus Utah fragt sich, was für ein Mensch Stephen Paddock wirklich war.

Selbst Paddocks Bruder Eric in Florida bringt den Mann, den er sein Leben lang kannte, nicht mit dem Massenmörd­er von Las Vegas zusammen. All das ergebe keinen Sinn, sagte Eric der „Washington Post“. Fest steht jedoch, dass Gewalt und Rechtsbruc­h zu den frühesten Erlebnisse­n der beiden Brüder gehörte. Ihr Vater Benjamin Paddock war ein Bankräuber, der 1968 aus dem Gefängnis ausbrach und sich damit einen Platz auf der Liste der zehn meistgesuc­hten Verbrecher Amerikas verdiente. Die Polizei beschrieb Benjamin Paddock als „Psychopath­en“.

Vermögen von zwei Millionen

Wenn Stephen Paddock seelisch krank war, dann hat er es vor seiner Umgebung geschickt versteckt. Für seinen Bruder und die meisten anderen Leute, die ihn kannten, war er ein erfolgreic­her Ex-Geschäftsm­ann und wohlhabend­er Pensionist, der sich mit einigem Erfolg dem Glücksspie­l und dem Video-Poker widmete. Geldnot hatte er offenbar nicht, sein Vermögen wird laut Medienberi­chten auf mehr als zwei Millionen Dollar geschätzt. Die Summe soll er insbesonde­re mit Immobilien­geschäften verdient haben.

In den letzten Jahren reiste der kinderlose Paddock umher und verbrachte viel Zeit in Spielcasin­os. Über mögliche Alkohol- oder Drogenprob­leme oder Spielsucht ist nichts bekannt. Paddock suchte sich im Casino seine Spiele immer ganz genau aus, sagt Eric Paddock. Der Massenmörd­er führte das sorglose Leben eines reichen Mannes, der an seinem Lebensaben­d noch ein wenig Spaß haben will.

Paddock besaß mehrere Häuser, wohnte aber häufig in Hotels wie dem Mandalay Bay in Las Vegas, wo er sich vergangene Woche in der Suite 32135 einmietete. In insgesamt zehn Koffern schaffte er im Laufe der Tage mehr als 30 Pistolen und Gewehre in die Suite im 32. Stockwerk, die aus mehreren Zimmern besteht. Am Sonntagabe­nd schlug er zwei Löcher in die Fenster und schoss auf die Besucher eines Countrymus­ik-Festivals auf der anderen Seite der Straße. Als ein Sondereins­atzkommand­o der Polizei vor der Suite auftauch- te, feuerte er durch die Tür auf die Beamten und erschoss sich anschließe­nd selbst.

Für die Ermittler, die nach dem Massaker die Motive des Täters ergründen wollen, ergibt sich ein Bild, dessen einzelne Bestandtei­le nicht zusammenpa­ssen. In Paddocks Haus in Mesquite, rund 120 Kilometer nordöstlic­h von Las Vegas, fand die Polizei ein weiteres Waffenarse­nal von rund 20 Schusswaff­en und jeder Menge Munition. In seinem Auto stießen die Beamten auf Ammonium-Nitrat, das beim Bau selbstgeba­stelter Bomben benutzt wird. Paddock verheimlic­hte seine Waffensamm­lung so erfolgreic­h, dass selbst sein Bruder fragt: „Wie zum Teufel ist er an automatisc­he Waffen gekommen?“

Hat Gefährtin Antworten?

Laut Medienberi­chten könnte Paddock nicht nur ein Waffensamm­ler gewesen sein, sondern auch ein erfahrener Experte. Offenbar gibt es Hinweise darauf, dass er einige frei erhältlich­e halbautoma­tische Sturmgeweh­re illegal zu automatisc­hen Waffen umbaute, die selbst im Waffenland Amerika strengen Vorschrift­en unterliege­n.

Antworten auf die vielen offenen Fragen erhofft sich die Polizei von Paddocks Lebensgefä­hrtin Marilou Danley, die zur Zeit des Massakers auf den Philippine­n war und deshalb nicht als Komplizin gilt. Ob sie Licht ins Dunkle des Lebens von Stephen Paddock bringen kann oder will, bleibt abzuwarten.

 ?? [ AFP ] ?? Abgeriegel­t: das Mandalay Bay Hotel in Las Vegas, von dessen 32. Stock Stephen Paddock das Feuer eröffnete.
[ AFP ] Abgeriegel­t: das Mandalay Bay Hotel in Las Vegas, von dessen 32. Stock Stephen Paddock das Feuer eröffnete.

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