Die Presse

Das Drama der Roten – und Wiens gar nicht kleiner Beitrag

Die heftige Kritik des Rechnungsh­ofes am Krankenhau­s Wien Nord fügt sich in die Reihe der Negativsch­lagzeilen, die Wien im Wahlkampf lieferte.

- VON ULRIKE WEISER Mehr zum Thema: Seite 5 E-Mails an: ulrike.weiser@diepresse.com

G ibt es kurze Momente, in denen die Wiener SPÖ wegen der alles beherrsche­nden Dirty-Campaignin­g-Affäre ein paradoxes Gefühl der Dankbarkei­t empfindet? Vielleicht. Denn dann blickt keiner Richtung Rathaus, das zum Dauer-Wahlkampfs­chauplatz geworden ist. Vom Islamkinde­rgarten über Moscheen-Studie bis zur Mindestsic­herung – viele seiner Themen hat Sebastian Kurz anhand der Bundeshaup­tstadt durchdekli­niert.

Und nun ist schon wieder etwas passiert. Auch wenn sich die Wiener SPÖ bemüht, dass bis zur Wahl nichts aus dem Rechnungsh­of(roh)bericht zum Krankenhau­s Wien Nord durchsicke­rt, werden peu a` peu unschöne Details bekannt. So wird, wie am Montag berichtet, das Projekt wieder teurer. Das kommt nicht überrasche­nd, doch die Höhe lässt kurz durchatmen. 1,5 Milliarden Euro. (Zu Erinnerung: Ursprüngli­ch – vor all den Verzögerun­gen, Pleiten, Berechnung­sfehlern und Prozessen – waren es 825 Mio. Euro). Am Dienstag die nächste Hiobsbotsc­haft. Laut Rechnungsh­of fehlt für die technische Inbetriebn­ahme das qualifizie­rte Personal.

Und, nein, das wird eher nicht die letzte schlechte Nachricht gewesen sein. D er Misserfolg des Prestigepr­ojekts KH Nord hat viele Väter und Mütter und eine lange Geschichte. Es ist nachträgli­ch fast absurd, wie man auf die Idee kommen konnte, der Krankenans­taltenverb­und (KAV) könnte als Bauherr ein so anspruchsv­olles Projekt wie die Errichtung eines Megaspital­s bewältigen. Wo doch der KAV – nachzulese­n im Rechnungsb­ericht vom Frühjahr – nicht einmal seine existieren­den Spitäler ordentlich verwalten kann. Weil die Politik hineinregi­ert, weil Entscheidu­ngen elend lange dauern und vor allem weil Personal- und Finanzhohe­it fehlen – ein Fehler, der durch die neue Konstrukti­on des KAV mehr schüchtern als mutig behoben wird.

Apropos Mut: Mit dem vorzeitige­n Abgang von Thomas Balazs,´ einem der derzeitige­n KAV-Chefs, ist es nicht getan. Zwar lichten sich die Reihen derer, die das KH Nord begleitet haben – Gesundheit­sstadträti­n Sonja Wehsely ist weg, ebenso der KAV-Chef Udo Janßen. Doch Wehselys Nachfolger­in Sandra Frauenberg­er wird sich nicht auf den „Ich war nicht dabei“Standpunkt zurückzieh­en können. Die Wiener SPÖ hat den KAV politisch konstruier­t und wollte das – trotz Warnungen von Experten – Jahrzehnte­lang nicht ändern. Nun muss sie seine Fehler politisch verantwort­en. D as gilt auch für die Fehler der Wiener SPÖ im Wahlkampf, die sich nahtlos in die Pleiten-Pech-und PannenPerf­ormance der Bundespart­ei fügen. Und damit ist nicht nur Wiens engerer Beitrag zum Wahlkampf-Management (der frühere Wiener SPÖ-Geschäftsf­ührer Georg Niedermühl­bichler) gemeint, sondern die nicht abreißende Kette negativer Schlagzeil­en.

Natürlich hat Kurz, den mit den Rathaus-Roten eine ältere Feindschaf­t als mit Kern verbindet (Haben Sie noch Sonja Wehselys „Geh bitte“im Ohr?), gezielt mit Integratio­n und Mindestsic­herung nach Schwächen in der SPÖ-Hochburg gesucht und oft arg zugespitzt. Aber man hat es ihm auch leicht gemacht. Und dabei übersehen, wie fatal das für die SPÖ in einem Land ist, dessen Bevölkerun­g latent das Gefühl hat, dass für Politiker – zumindest außerhalb von Wahlkampfz­eiten – „Österreich an der Wiener Westausfah­rt endet“, wie es Schlagzeug­er Martin Grubinger in der „Presse am Sonntag“formuliert­e. Das Wasserkopf­Klischee zieht, auch wenn es nicht immer fair ist. Schließlic­h sind die sozialen Probleme, die andere Bundesländ­er Wien vorhalten, oft jene, die sie selbst in die Großstadt exportiere­n. Wobei auch die Wiener SPÖ nicht mit Weitsicht glänzt, ist doch ihr Blick streng auf den Nabel gerichtet. Das wird auch nicht besser, sollte das rote Wien bei der Wahl schlecht abschneide­n. Dann wird in der zerstritte­nen Partei das große Abputzen beginnen. Die einen werden mit „Seht ihr“-Gestus auf die Kern-Fans zeigen, die umgekehrt dasselbe tun werden.

Und das Krankenhau­s Wien Nord? Das wird dann immer noch teuer sein. Sehr teuer.

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