„Dann wurschteln wir uns durch“
Universität. Sogar, wenn die Anfängerzahl in Wirtschaftrecht um die Hälfte reduziert wird, braucht die WU mehr Personal, sagt Rektorin Edeltraud Hanappi-Egger. Dass der FH-Ausbau automatisch die Universitäten entlastet, glaubt sie nicht.
Die Presse: Das Wirtschaftsrechtsstudium an der Wirtschaftsuniversität boomt. Müssen Sie notgedrungen rausprüfen? Edeltraud Hanappi-Egger: Wir haben eine extrem hohe Nachfrage und die muss auf irgendeine Art und Weise gesichtet werden. Wir haben Studierende, die überzeugt sind, dass sie dieses Studium wollen und die auch entsprechend aktiv sind. Die wollen wir bestmöglich betreuen und dafür brauchen wir entsprechende Kapazitäten. Und wir haben viele Studierende, die sich unsicher sind, ob das das Richtige für sie ist.
Was meinen Sie mit sichten? Eine gewisse Zahl an Studierenden kommt in der Studieneingangs- und Orientierungsphase drauf, dass das Studium nichts für sie ist. Das ist eine vernünftige Selektion. Dann gibt es viele, die studieninaktiv sind. Solange sich die Leute nicht vorab sehr aktiv mit der Studienwahl auseinandersetzen, wird die Steop dazu dienen, jene Studierenden, die es eigentlich nicht interessiert, auszusieben.
Wie viele Studierende könnten Sie im Wirtschaftsrecht vernünftig aufnehmen? Mit der neuen Uni-Finanzierung wird ja eine Zahl festgelegt. Die kommt zustande, indem man die Anfängerzahl, die aktiven Studierenden und die Abschlüsse heranzieht. Demnach hätten wir rund 850 Plätze im Wirtschaftsrecht, aktuell sind es 1700 Anfänger. Allerdings orientieren sich auch die 850 Plätze an der Nachfrage, nicht am Angebot.
Heißt das, dass Sie auch mit der Hälfte der Anfänger mehr Personal brauchen? Wenn eine habilitierte Person auf 40 Studierende kommen soll, wie international üblich, brauchen wir nicht nur im Wirtschaftsrecht, sondern auch in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften mehr Kapazitäten. Die Betreuungsrelation ist aber momentan nicht explizit Teil des neuen Finanzierungsmodells. Das wird mitgedacht werden müssen.
Was fehlt Ihnen konkret? Aus unserer Sicht fehlt die Kopplung an die Betreuungsrelationen. Das Budget für die Lehre hängt ab von der Anzahl der prüfungsaktiven Studien, von der Fächergruppe und dann von ein paar leistungsbezogenen Parametern. Was nicht drinsteckt, ist eine Gewichtung, die die aktuelle Situation berücksichtigt: Dass es dort, wo die Betreuungsverhältnisse schlecht sind, etwas mehr Geld gibt, denn die gehören ja ausgebaut. Dort, wo es schon jetzt besser aussieht, weniger. Mit der finanziellen Einstufung Ihrer Fächer im neuen Modell sind Sie zufrieden? Wir sind in einer Fächergruppe, die finanziell niedrig eingestuft ist. Man spricht immer von den Buchwissenschaften, was man aber reflektieren muss: Unser Bedarf an Forschungsinfrastruktur ist intensiver, als mit diesem Begriff suggeriert wird. Wir brauchen etwa Labors oder auch leistungsfähige Rechner für finanzmathematische Simulationen.
Falls das neue Uni-Finanzierungsmodell kommt, kommen auch neue Aufnahmeverfahren. Wie könnten die aussehen? Mit dem mehrstufigen Verfahren in Wirtschafts- und Sozialwissenschaften haben wir ganz gute Erfahrungen gemacht. Wir erzeugen da moderate Dynamiken: die Registrierungsgebühr, das Motivationsschreiben, die Ankündigung einer Prüfung: All das hat den Effekt, dass angehende Studierende sich mit der Studienwahl auseinandersetzen. Und manche entscheiden sich dann dagegen. Wir prüfen gerade, ob das auch für Wirtschaftsrecht ein denkbares Modell ist.
Liest diese hunderten Motivationsschreiben eigentlich jemand? Ja, natürlich werden alle gelesen. Das ist ein riesiger Aufwand. Aber das tun wir und wir schauen uns auch an, ob die Studierenden sich damit auch auseinandersetzen.
Hat ein schlechtes Motivationsschreiben Konsequenzen für die Zulassung? Das hatten wir noch nicht. Diejenigen, die es abgeben, nehmen das nicht auf die leichte Schulter. Wir haben noch keine Scherz motivationss ch reiben bekommen.
Was passiert, wenn die neue Uni-Finanzierung inklusive neuer Zugangsbeschränkungen nicht umgesetzt wird? Dann passiert das, was wir jetzt tun: Wir wurschteln uns durch. Und die Last der Sichtung und Selektion liegt dann in der Steop.
Das große Gegenargument für Aufnahmeverfahren ist die soziale Selektion. Ist das ein Problem? Das kann man nicht so verkürzt diskutieren. Einerseits passiert soziale Selektion oft im Vorfeld, es gibt den Kindergarten, die Schule. Für uns relevant ist, ob wir im Vergleich zu den Studieninteressierten auch repräsentative Studierendenpopulationen haben. Wir haben das kritisch reflektiert und etwa festgestellt, dass wir wenig Studierende aus sozial schwachen Verhältnissen haben.
Was tun Sie da? Wir versuchen, das aufzubrechen, indem wir massiv Schulen an die Wirtschaftsuniversität einladen, wir Studierende an die Schulen schicken, die auch erzählen, was man mit einem WU-Studium beruflich machen kann, denn das wollen gerade Jugendliche aus sozial schwächeren Verhältnissen oft wissen. Wir schauen, von welchen Schulen keine Anfragen kommen und wie wir für die interessant sein können. Und an der Universität müssen wir etwa mit Mentoring ansetzen.
Ist es nicht paradox, für seine Universität Werbung zu machen, wenn man gleichzeitig Kapazitätsprobleme hat? Im Gegenteil. Für die Kapazitäten, die wir haben, wollen wir die interessantesten Studierenden und die finden wir in allen Schichten. Was wir vermissen ist, dass die Schulen Potenzialanalysen anbieten, wo es zu Selbstreflexion und damit auch zu einer Selbstselektion kommt. Deshalb designen wir in einem Pilotprojekt eine unverbindliche Übung dazu.
Können die FH, die ja künftig auch juristische Fächer anbieten könnten, die WU bei Wirtschaftsrecht entlasten? Ich bin skeptisch, ob ein Ausbau der FH automatisch zu einer Entlastung der Unis führen würde. Fachhochschulen und Universitäten sind sehr unterschiedliche Typen von Institutionen, die auch unterschiedliche Typen von Studierenden ansprechen.