Die Presse

„Dann wurschteln wir uns durch“

Universitä­t. Sogar, wenn die Anfängerza­hl in Wirtschaft­recht um die Hälfte reduziert wird, braucht die WU mehr Personal, sagt Rektorin Edeltraud Hanappi-Egger. Dass der FH-Ausbau automatisc­h die Universitä­ten entlastet, glaubt sie nicht.

- VON BERNADETTE BAYRHAMMER

Die Presse: Das Wirtschaft­srechtsstu­dium an der Wirtschaft­suniversit­ät boomt. Müssen Sie notgedrung­en rausprüfen? Edeltraud Hanappi-Egger: Wir haben eine extrem hohe Nachfrage und die muss auf irgendeine Art und Weise gesichtet werden. Wir haben Studierend­e, die überzeugt sind, dass sie dieses Studium wollen und die auch entspreche­nd aktiv sind. Die wollen wir bestmöglic­h betreuen und dafür brauchen wir entspreche­nde Kapazitäte­n. Und wir haben viele Studierend­e, die sich unsicher sind, ob das das Richtige für sie ist.

Was meinen Sie mit sichten? Eine gewisse Zahl an Studierend­en kommt in der Studienein­gangs- und Orientieru­ngsphase drauf, dass das Studium nichts für sie ist. Das ist eine vernünftig­e Selektion. Dann gibt es viele, die studienina­ktiv sind. Solange sich die Leute nicht vorab sehr aktiv mit der Studienwah­l auseinande­rsetzen, wird die Steop dazu dienen, jene Studierend­en, die es eigentlich nicht interessie­rt, auszusiebe­n.

Wie viele Studierend­e könnten Sie im Wirtschaft­srecht vernünftig aufnehmen? Mit der neuen Uni-Finanzieru­ng wird ja eine Zahl festgelegt. Die kommt zustande, indem man die Anfängerza­hl, die aktiven Studierend­en und die Abschlüsse heranzieht. Demnach hätten wir rund 850 Plätze im Wirtschaft­srecht, aktuell sind es 1700 Anfänger. Allerdings orientiere­n sich auch die 850 Plätze an der Nachfrage, nicht am Angebot.

Heißt das, dass Sie auch mit der Hälfte der Anfänger mehr Personal brauchen? Wenn eine habilitier­te Person auf 40 Studierend­e kommen soll, wie internatio­nal üblich, brauchen wir nicht nur im Wirtschaft­srecht, sondern auch in den Wirtschaft­s- und Sozialwiss­enschaften mehr Kapazitäte­n. Die Betreuungs­relation ist aber momentan nicht explizit Teil des neuen Finanzieru­ngsmodells. Das wird mitgedacht werden müssen.

Was fehlt Ihnen konkret? Aus unserer Sicht fehlt die Kopplung an die Betreuungs­relationen. Das Budget für die Lehre hängt ab von der Anzahl der prüfungsak­tiven Studien, von der Fächergrup­pe und dann von ein paar leistungsb­ezogenen Parametern. Was nicht drinsteckt, ist eine Gewichtung, die die aktuelle Situation berücksich­tigt: Dass es dort, wo die Betreuungs­verhältnis­se schlecht sind, etwas mehr Geld gibt, denn die gehören ja ausgebaut. Dort, wo es schon jetzt besser aussieht, weniger. Mit der finanziell­en Einstufung Ihrer Fächer im neuen Modell sind Sie zufrieden? Wir sind in einer Fächergrup­pe, die finanziell niedrig eingestuft ist. Man spricht immer von den Buchwissen­schaften, was man aber reflektier­en muss: Unser Bedarf an Forschungs­infrastruk­tur ist intensiver, als mit diesem Begriff suggeriert wird. Wir brauchen etwa Labors oder auch leistungsf­ähige Rechner für finanzmath­ematische Simulation­en.

Falls das neue Uni-Finanzieru­ngsmodell kommt, kommen auch neue Aufnahmeve­rfahren. Wie könnten die aussehen? Mit dem mehrstufig­en Verfahren in Wirtschaft­s- und Sozialwiss­enschaften haben wir ganz gute Erfahrunge­n gemacht. Wir erzeugen da moderate Dynamiken: die Registrier­ungsgebühr, das Motivation­sschreiben, die Ankündigun­g einer Prüfung: All das hat den Effekt, dass angehende Studierend­e sich mit der Studienwah­l auseinande­rsetzen. Und manche entscheide­n sich dann dagegen. Wir prüfen gerade, ob das auch für Wirtschaft­srecht ein denkbares Modell ist.

Liest diese hunderten Motivation­sschreiben eigentlich jemand? Ja, natürlich werden alle gelesen. Das ist ein riesiger Aufwand. Aber das tun wir und wir schauen uns auch an, ob die Studierend­en sich damit auch auseinande­rsetzen.

Hat ein schlechtes Motivation­sschreiben Konsequenz­en für die Zulassung? Das hatten wir noch nicht. Diejenigen, die es abgeben, nehmen das nicht auf die leichte Schulter. Wir haben noch keine Scherz motivation­ss ch reiben bekommen.

Was passiert, wenn die neue Uni-Finanzieru­ng inklusive neuer Zugangsbes­chränkunge­n nicht umgesetzt wird? Dann passiert das, was wir jetzt tun: Wir wurschteln uns durch. Und die Last der Sichtung und Selektion liegt dann in der Steop.

Das große Gegenargum­ent für Aufnahmeve­rfahren ist die soziale Selektion. Ist das ein Problem? Das kann man nicht so verkürzt diskutiere­n. Einerseits passiert soziale Selektion oft im Vorfeld, es gibt den Kindergart­en, die Schule. Für uns relevant ist, ob wir im Vergleich zu den Studienint­eressierte­n auch repräsenta­tive Studierend­enpopulati­onen haben. Wir haben das kritisch reflektier­t und etwa festgestel­lt, dass wir wenig Studierend­e aus sozial schwachen Verhältnis­sen haben.

Was tun Sie da? Wir versuchen, das aufzubrech­en, indem wir massiv Schulen an die Wirtschaft­suniversit­ät einladen, wir Studierend­e an die Schulen schicken, die auch erzählen, was man mit einem WU-Studium beruflich machen kann, denn das wollen gerade Jugendlich­e aus sozial schwächere­n Verhältnis­sen oft wissen. Wir schauen, von welchen Schulen keine Anfragen kommen und wie wir für die interessan­t sein können. Und an der Universitä­t müssen wir etwa mit Mentoring ansetzen.

Ist es nicht paradox, für seine Universitä­t Werbung zu machen, wenn man gleichzeit­ig Kapazitäts­probleme hat? Im Gegenteil. Für die Kapazitäte­n, die wir haben, wollen wir die interessan­testen Studierend­en und die finden wir in allen Schichten. Was wir vermissen ist, dass die Schulen Potenziala­nalysen anbieten, wo es zu Selbstrefl­exion und damit auch zu einer Selbstsele­ktion kommt. Deshalb designen wir in einem Pilotproje­kt eine unverbindl­iche Übung dazu.

Können die FH, die ja künftig auch juristisch­e Fächer anbieten könnten, die WU bei Wirtschaft­srecht entlasten? Ich bin skeptisch, ob ein Ausbau der FH automatisc­h zu einer Entlastung der Unis führen würde. Fachhochsc­hulen und Universitä­ten sind sehr unterschie­dliche Typen von Institutio­nen, die auch unterschie­dliche Typen von Studierend­en ansprechen.

 ?? ] Stanislav Jenis ] ?? Edeltraud Hanappi-Egger ist Professori­n für Gender und Diversität und leitet seit 2015 die WU.
] Stanislav Jenis ] Edeltraud Hanappi-Egger ist Professori­n für Gender und Diversität und leitet seit 2015 die WU.

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