Die Presse

Einsamkeit und Rock’n’Roll

Theater. Ernst Kurt Weigel lässt zum 20-Jahr-Jubiläum des Bernhard-Ensemble Martin Scorseses „Taxi Driver“auf Qualtinger­s Herrn Karl treffen.

- VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH

Irgendwann, nachdem er seinen mörderisch­en Plan gefasst hat, taucht Robert De Niro in „Taxi Driver“mit einem Irokesen auf. Aber die Bühne folgt anderen Gesetzen als der Film, man kann sich nicht jeden Abend die Haare scheren – weshalb Ernst Kurt Weigel nun schon vor der Premiere die Haare zu Berge stehen. Auch das Taxi steht schon bereit: Ein eindrucksv­olles Gerippe von einem Auto, gefunden von der Ausstatter­in in der Bleiwarenf­abrik Gumpoldski­rchen – ein Citroen¨ DS, eine „Göttin“.

„Als Butzerl“, sagt Ernst Kurt Weigel, sei er noch in einem solchen Auto gefahren, sein Vater, ein Inzersdorf­er Fleischhau­er, hatte eines. Möglich, dass es sogar wirklich jenes war, das nun auf der Bühne des Off-Theater in der Kirchengas­se steht und das „immer noch wunderschö­n“sei, obwohl seines Chassis beraubt. Ab Donnerstag wird sich Weigel darin als Taxifahrer auf Fahrt durch die Nacht begeben – in der neuesten Variante des selbst erfundenen Formats eines „Mash up“, das internatio­nale Kultfilme mit österreich­ischen Bühnenklas­sikern mischt.

In der Vergangenh­eit ließ er mit seinem Bernhard Ensemble etwa „The Big Lebowski“der Coen-Brüder auf Nestroy treffen, Tarantinos „Pulp Fiction“auf Horvaths „Geschichte­n aus dem Wienerwald“, Arthur Schnitzler auf David Lynch. Nun also schlüpft Weigel für „Taxi.Speiber“in die Rolle des Taxilers in der nächtliche­n Großstadt, von den großen Themen ist dies- mal die Einsamkeit dran, und das, sagt er, habe sicher auch mit seiner eigenen Einsamkeit zu tun. Hinter ihm liegt die Scheidung von Grischka Voss, mit der er das Bernhard Ensemble und das Off Theater aufgebaut hat. „Jetzt weiß ich, wie es ist, wirklich allein zu sein. Vor allem die Wohnung ist immer sauber. Man hat Zeit und putzt.“Inzwischen ist er wieder liiert, „aber das war sicher ein Jahr Prüfung für mich“.

Wien und dem Wort verpflicht­et

Das 20-Jahr-Jubiläum des BernhardEn­sembles feiert er nun also ohne Voss – wobei, gefeiert wird ohnehin nicht, „dafür haben wir keine Zeit“. Gegründet hatten die beiden die Truppe 1997, er kam von Otto Schenks Josefstadt und dem Odeon, sie von Burg und Akademie, beide waren auf der Suche nach einer alternativ­en Theaterfor­m. Der (schnell benötigte) Name ist dabei nur eine Hommage an Thomas Bernhard, nie habe man im Sinn gehabt, nur ihn zu spielen. Auf einen erfolgreic­hen Start folgte eine lange Durststrec­ke, „weil wir frech waren, das kommt nicht so gut in diesem Land“. Viele Jahre überlebte man nur dank Sponsoren, kämpfen musste man immer, „es ist bis heute Rock’n’Roll“. Künstleris­ch seien die Visionen des deutsch-österreich­ischen Gründungsd­uos zuletzt jedenfalls auseinande­rgegangen. Voss denke internatio­naler, performati­ver, tänzerisch­er. Weigel hingegen verreist nur ungern, er sieht sich als lokalen Künstler, dem Wiener Idiom verpflicht­et und als ein Anhänger des Worts.

Die Figuren in seinem neuen „Mash up“stehen „für das, was man an Wien so mag, oder was verabscheu­ungswürdig ist, was in Wien ja deckungsgl­eich ist“. Sie kommen, gehen und kotzen sich dazwischen aus. Da ist der Opa, der glaubt, dass früher alles besser war (manches sei auch im verbockten Wien früher wirklich besser gewesen, meint der 47-Jährige, etwa die Ruhe, wenn Samstagmit­tag die Gehsteige hochgeklap­pt wurden). Da sind die Sonderange­botsjäger, die, wie Weigels Großeltern, akribisch ihre Touren zwischen Hofer und Penny Markt planen, ohne ans Benzin zu denken. Und Taxler Trevis selbst, der nirgendwo Anschluss findet, nur beobachtet, die Junkies wie die Bobos, „die Migranten wie Affen mit Bananen füttern, den Falter lesen und die Welt retten wollen und sich ihre Bio-Gojibeeren aus China einfliegen lassen“.

Was Scorsese zeigen wollte, glaubt Weigel, ist „die Zeitbombe, die in unserer Gesellscha­ft immer weiter tickt.“Auch 41 Jahre nach der Kinopremie­re.

 ?? [ Clemens Fabry ] ?? Ernst Kurt Weigel wird in einer alten „Göttin“zum Taxi Driver in Wien.
[ Clemens Fabry ] Ernst Kurt Weigel wird in einer alten „Göttin“zum Taxi Driver in Wien.

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