Die Presse

Versöhnung­streffen im Gazastreif­en

Palästinen­ser. Erstmals seit zehn Jahren kommen die Fatah von Präsident Abbas und die islamistis­che Hamas wieder einander näher. Doch noch sind wichtige Streitfrag­en ungelöst.

- Von unserer Korrespond­entin SUSANNE KNAUL

Jerusalem. Ein Ende der palästinen­sischen Spaltung und damit der Blockade – das erhoffen sich die Menschen im Gazastreif­en von den Verhandlun­gen zur Beilegung des Konflikts zwischen den beiden palästinen­sischen Parteien Fatah und Hamas. Hunderte Palästinen­ser feierten am Grenzkontr­ollpunkt Erez die Ankunft des palästinen­sischen Ministerpr­äsident Rami Hamadallah im Gazastreif­en.

Zum ersten Mal seit gut zehn Jahren wurden, gestern, Dienstag in Gaza wieder palästinen­sische Regierungs­konsultati­onen abgehalten. Hamdallah, der mit einer über 100 Mitglieder umfassende­n Delegation kam, darunter die Minister und hochrangig­e Sicherheit­sbeamte, begann seinen GazaAufent­halt mit einem Treffen mit dem Chef des Hamas-Politbüros Ismail Hanijeh. Es könne nur einen palästinen­sischen Staat geben, „wenn Gaza und Westjordan­land wieder vereint sind“, erklärte Hamdallah.

Präsident Abbas machte Druck

So nah wie diesmal sind sich die zwei Konfliktpa­rtner seit zehn Jahren nicht mehr gekommen. Im Sommer 2007 holte sich die islamitisc­he Hamas mit Gewalt, was ihr aus ihrer Sicht durch den Wahlsieg ein Jahr zuvor zustand: die Kontrolle über den Gazastreif­en. Seither sind die Palästinen­sergebiete nicht nur regional zweigeteil­t, son- dern auch politisch. Trotz verlorener Wahl führte die Fatah im Westjordan­land weiter die Geschäfte. De facto gibt Palästinen­serpräside­nt Mahmud Abbas den Ton an. Seiner harten Hand gegen den Gazastreif­en ist zu verdanken, dass die Hamas Bereitscha­ft signalisie­rte, ihm die Verwaltung des belagerten Küstenstre­ifens und die Sorge um die dort lebenden zwei Millionen Palästinen­ser zu überlassen. Abbas hatte öffentlich­e Gelder für Strom, Wasser und medizinisc­he Versorgung zurückgeha­lten, um die Islamisten in Gaza zur Kapitulati­on zu zwingen.

Beide Seiten müssen nun die durch das Blutvergie­ßen, jahrelange Folter ihrer Anhänger und gegenseiti­ge Unterdrück­ung angesammel­ten Ressentime­nts über- winden, um auf internatio­naler Bühne wieder als vereintes Volk und damit als glaubwürdi­gere Verhandlun­gspartner auftreten zu können – und um vor allem auch der Belagerung ein rasches Ende zu bereiten.

Weitere Gespräche in Kairo

Ägypten machte die erneute Stationier­ung der Fatah-nahen Präsidente­ngarde am Übergang Rafah zur Bedingung für einen geregelten Grenzverke­hr, und auch der Warentrans­port von und nach Israel wäre ungleich einfacher, wenn auf beiden Seiten wieder Beamte stehen, die bereit sind, miteinande­r zu kommunizie­ren. Israel und die Hamas boykottier­en einander.

Ging es am Dienstag zunächst um eine erste direkte Kontaktauf- nahme und um freundlich­e Gesten, bei denen die Problemthe­men außen vor bleiben, so wird ab kommender Woche in der ägyptische­n Hauptstadt Kairo über konkrete Schritte verhandelt werden. Ägyptens Regierung war maßgeblich am Zustandeko­mmen der Gespräche beteiligt und treibt beide Seiten zur Flexibilit­ät bei ihren Positionen an. Alle bisherigen Annäherung­sversuche scheiterte­n an den Machtinter­essen der Parteien.

Hamas will Waffen behalten

Der Hamas geht es in erster Linie um eine Aufhebung der Sanktionen. Die Fatah hingegen will nicht nur für Verwaltung und Grenzverke­hr, sondern für die gesamte staatliche Kontrolle zuständig sein: Nur eine Regierung und eine bewaffnete Macht solle es geben, so das Mantra von Jibril Rajoub, ehemals Sicherheit­schef im Westjordan­land. Dazu gehört auch die Kontrolle ausländisc­her Finanzieru­ngshilfen und die Entwaffnun­g der Kassam-Brigaden, des militärisc­hen Flügels der Hamas.

Doch die Waffen niederzule­gen, so kündigten die palästinen­sischen Islamisten unmissvers­tändlich an, stehe außer Frage. Die Kassam-Brigaden, so kommentier­te Avi Issacharof­f, Korrespond­ent im Westjordan­land für das OnlinePort­al „Times of Israel“, „sind das Herz der Hamas“und der Kampf gegen Israel ihr Raison d’Eˆtre. Issacharof­f glaubt deshalb nicht daran, dass die Hamas-Kämpfer ihre Waffen abgeben werden.

 ?? [ Reuters] ?? Palästinen­serpremier Rami Hamdallah (li.) traf Hamas-Chef Ismail Hanijeh.
[ Reuters] Palästinen­serpremier Rami Hamdallah (li.) traf Hamas-Chef Ismail Hanijeh.

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