Die Presse

„Sie starb in meinen Armen“

Konzertbes­ucher. Mindestens 59 Menschen verloren in Las Vegas ihr Leben: Angehörige erzählen die Geschichte­n der Toten. Ein Fotograf wurde zum Chronisten des Blutbades.

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Wien/Las Vegas. Krankenpfl­eger, Lehrer, Hausfrauen, Polizisten, Anwälte, Kindergärt­nerinnen, Büroangest­ellte, Armeeangeh­örige, Studenten: Mindestens 59 Menschen starben im Kugelhagel, als der 64 Jahre alte, pensionier­te Buchhalter Stephen Paddock Sonntagnac­ht wahllos auf die Besucher des Country-Musik-Festivals in Las Vegas feuerte. 59 unterschie­dliche Lebensgesc­hichten, denen sich am Tag nach dem Massaker unzählige amerikanis­che Zeitungen widmen.

Das erste Opfer, das von der Polizei in Las Vegas identifizi­ert wurde, war der 29-jährige Krankenpfl­eger Sonny Melton aus Paris im US-Bundesstaa­t Tennessee. Er war gemeinsam mit seiner Frau Heather zum Musikfesti­val gereist. „Er hat mir das Leben gerettet“, sagt Heather in einem Interview mit einem TV-Sender. „Er nahm meine Hand und fing zu laufen an, als er in den Rücken getroffen wurde.“Sonny starb, Heather überlebte.

„Sie starb in meinen Armen“, schrieb Tony Burditus auf Facebook. Er und seine Frau Denise (50) waren aus West Virginia zum „Route 91 Harvest Festival“nach Nevada gefahren. 28 Minuten bevor der Täter Paddock das Festivalge­lände unter Beschuss nahm, postete Tony ein Foto, das ihn und seine Frau gut gelaunt und lächelnd zeigt, die Konzertbüh­ne im Hintergrun­d. „Eine zweifache Mutter, bald zum fünften Mal Großmutter und meine Ehefrau seit 32 Jahren“habe er verloren, schreibt Tony.

Ein Festival für die Familie

Rund 22.000 Besucher befanden sich auf dem Gelände, um einen unbeschwer­ten Abend zu verbringen. Der Country-Sänger Jason Aldean sang gerade seinen Hit „She’s Country“. Viele Familien waren zum dreitägige­n Festival auf einem ehemaligen Parkplatz gekommen.

Mit ihrer Familie war auf die 42 Jahre alte Rhonda LeRocque angereist. Mit ihrem Mann, der sechsjähri­gen Tochter und dem Schwiegerv­ater war sie im Mandalay Bay Hotel abgestiege­n, um möglichst nahe am Festival zu sein. Schon im Vorjahr waren sie dabei gewesen und hatten heuer in letzter Sekunde entschiede­n, auch diese Jahr wieder von Massachuse­tts nach Vegas zu fliegen. Die Mutter wurde tödlich getroffen, der Rest der Familie überlebte unverletzt.

Und immer wieder wird berichtet, wie sich Menschen schützend auf ihre Partner warfen oder Eltern auf ihre Kinder, um sie vor den tödlichen Schüssen zu bewahren. John Phippen etwa: Der 57-Jährige aus Kalifornie­n versuchte seinen erwachsene­n Sohn Travis zu schützen. Der Sohn, selbst angeschoss­en, brachte den Vater noch ins Krankenhau­s, wo er dann verstarb.

Der Fotograf David Becker, der für seine Agentur Getty Images Fotos vom Konzert liefern sollte, wurde unfreiwill­ig zum Chronisten des Blutbads. Er berichtet von einer Frau, die einen Mann im Rollstuhl in Sicherheit brachte; und von Menschen, die sich flach auf den Boden legten, um dann geduckt vom Gelände zu flüchten.

Knapp 60 Menschen ist das aber nicht gelungen. (zoe)

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